An der Quelle der Ruhr – Der Ursprung von Flüssen

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig

Wir stehen in Duisburg-Ruhrort, am größten Binnenhafen Europas. Hier, wo die Ruhr auf den Rhein trifft, ist es schwer sich vorzustellen, dass ein Fluss, der einer Metropolregion mit Millionen von Menschen ihren Namen gibt, als kleines Rinnsal in einem sumpfigen Quellgebiet beginnen soll – mitten im sauerländischen Wald, einen Katzensprung entfernt vom beschaulichen 350-Seelen-Dorf Grönebach. Und in gewisser Hinsicht stimmt das auch tatsächlich nicht. Aber wo beginnt dann ein Fluss und wann wird ein Fluss ein anderer Fluss?

Auf der Suche nach dem Anfang der Ruhr verschlägt es uns ins Sauerland. Eine der dortigen touristischen Attraktionen ist die Ruhrquelle – ein kleines unscheinbaren Rinnsal, dessen Bedeutung sich dem Besucher erst beim Anblick des großen Steins mit den Lettern „Ruhr Quelle 1849“ offenbart. Die Ruhrquelle liegt zwei Kilometer von Grönebach entfernt am Hang des Ruhrkopfberges. Sie gehört damit, genau wie Grönebach, zur Stadt Winterberg im Sauerland. Das Rinnsal Ruhr plätschert hier  – nicht ahnend welch große Reise es noch vor sich hat – beschaulich aus einem Steinrondell, welches vor vielen Jahren künstlich angelegt wurde.

Doch wo kommt das Wasser her, was da aus dem Steinrondell plätschert und gemeinhin als Ruhrquelle gilt? Der Ursprung des kleinen Bächleins liegt in einem Morastquellgebiet, wo sich das natürlich austretende Wasser zu dem kleinen Bach sammelt. Da sich bereits vor unserer Zeit viele Menschen auf die Suche nach der Ruhrquelle gemacht haben, beschloss man im Jahr 1958 das kleine Rinnsal in Stein zu fassen, um so einen Ort zu schaffen, der von Touristen gerne besucht wird. Auch heute ist die Ruhrquelle noch ein beliebtes Ausflugsziel und eine Station der Route Industriekultur. Außerdem ist die Ruhrquelle der Ausgangspunkt des Ruhrhöhenwegs und des RuhrtalRadwegs.

Ein Fluss beginnt also an seiner Quelle, dem Ort, wo aus Regen gespeistes Grundwasser auf natürlich Weise aus dem Boden oder Gestein austritt. Aber welche Quelle meinen wir eigentlich, wenn wir von der Quelle eines Flusses sprechen? Und wie verhält es sich mit den Flüssen und den Quellen wenn zwei Flüsse ineinander fließen? Wonach wird der neue Fluss benannt und wo hat er seinen Ursprung? Treffen zwei Flüsse aufeinander, so nennt sich der kleinere Fluss Nebenfluss und der größere Hauptfluss. Der Fluss wird im weiteren Verlauf immer nach dem Hauptfluss – sprich dem längeren oder größeren Fluss – benannt. Die Ruhr ist zum Beispiel ein Nebenfluss des Rheins. Sie hat aber auch eine Menge eigener Nebenflüsse. Natürlich ist der Ursprung eines solchen Nebenflusses nicht unbedingt die Ruhrquelle. So suchen wir weiter nach der Quelle des ursprünglichen Hauptflusses.

Doch so einfach ist das gar nicht: In ihrem Ursprungsgebiet trifft die Ruhr zunächst auf den etwas längeren Hillebach, kurz die Hille. Ist damit also die Hillequelle eigentlich die „echte“ Quelle des Flusses, an dem Essen, Mülheim und Duisburg liegen? Auch die Neger ist beim Zusammentreffen mit der Ruhr der etwas größere Fluss, dennoch bleibt die Ruhr weiterhin die Ruhr. Nicht nur aufgrund der Namensgebung ist bei vielen Flüssen  umstritten welches die „rechtmäßige“ Quelle des Gewässers ist. Auch in Bezug auf die Frage nach dem Haupt- und dem Nebenarm, sorgt dieser Umstand häufig für Verwirrung. Die Definition „der“ Quelle des Amazonas beispielweise ist entscheidend dafür, ob dieser als längster Fluss der Erde gelten kann. Je nach Betrachtungsweise kann dies auch der Nil sein. Auch beim Rhein ist es schwierig die eigentlich Quelle zu bestimmen, da im Quellgebiet mehrere nahezu gleichgroße Fließgewässer aufeinander treffen. Eine Hierarchie des Ursprungs ist nur schwer auszumachen.

Dennoch ist die Bestimmung der Quelle wesentlich für den zugehörigen Fluss, denn mit der Quelle hängt die Namensgebung des Flusses zusammen. Wenn zwei Flüsse aufeinander treffen sind Quelle und Namensgebung nicht immer eindeutig. Dies geschieht durch abweichende Kriterien für den Hauptfluss. Solche Kriterien können zum Beispiel die Länge, die Wasserführung, die Fließrichtung, die historische Entwicklung oder auch die Bedeutung der durchflossenen Region als Siedlungs- und Verkehrsraum darstellen. Insbesondere die historisch gewachsene Namensgebung einiger Flüsse erfolgt nicht immer nach dem wissenschaftlich korrekten (hydrologischen) Hauptfluss. Daher ist die historische Bestimmung der Quelle auch nicht immer ganz eindeutig.

Von der Quelle der Ruhr geht es zurück an ihre Mündung nach Duisburg-Ruhrort. Hier sind Namensgebung, Quelle und die Abgrenzung von Haupt- und Nebenfluss eindeutiger: Denn die Ruhr fließt in den Rhein. Und der entspringt in der Schweiz. Oder doch im Sauerland?

Schreibe einen Kommentar