Rund um den Baldeneysee – Ein Marathon am Ufer

Foto: Peter van der Sluijs.

Keuchend, mit Laub unter seinen Füßen kam Bruno Nießer ans Ziel. Zwei Stunden und vierzig Minuten lang war er im frühen Herbst das baumgesäumte Ruhrufer entlanggelaufen, um nun vor den Zuschauern die Arme in die Höhe zu reißen: Erster von 50 Läufern. Das war 1963, beim ersten Marathon rund um den Baldeneysee.

Noch heute machen sich in jedem Herbst viele Menschen auf, an dem Spektakel teilzunehmen, Tausende inzwischen allein als Läufer. Der Essener Marathon unterscheidet sich dabei allerdings von anderen: Auch wenn er in einer Großstadt ausgetragen wird, ist er doch kein wirklicher City-Lauf. Denn die Strecke führt die Läufer nicht durch die Innenstadt, sondern zweimal um den Ruhrstausee herum. Genauer gesagt „Rund um den Baldeneysee“, wie der heutige Titel des Sportereignisses verrät. Auf ihrem Lauf passieren die Sportler Laubwälder genauso wie Denkmäler der Industriekultur, etwa die Papiermühlenschleuse in Werden oder einige Zeit später die Zeche Carl Funke am Nordufer des Sees. Sie lassen das historische Landgut Haus Scheppen links liegen und laufen parallel zur alten Zechenstrecke der Hespertalbahn, die inzwischen als Museumsbahn betrieben wird. Nachdem sie eine ehemalige Eisenbahnbrücke aus der Hochzeit des Tagebaus überquert haben, zu deren Füßen heute Ausflugslokale liegen und die die Stadtteile Kupferdreh und Heisingen über die Ruhr hinweg miteinander verbindet, hören sie das Zwitschern und Krächzen. Zu ihrer Linken liegt ein Naturschutzgebiet voller Wasservögel, die Heisinger Ruhraue.

Nicht zuletzt kommen die Langstreckenläufer an den Vereinsgeländen mehrerer Sportvereine vorbei. Denn Laufsport ist nicht die einzige Sportart, die am Baldeneysee so ausgiebig betrieben wird. Tennis- und Golfspieler, Ruderer, Segler, Kanu-Polospieler – sie alle haben hier am Wasser ihr Quartier aufgeschlagen. Nur die Schwimmer sind nicht dabei. Allerdings sind die Essener Ehrenamtlichen auch auf diesem Gebiet angagiert, um das offizielle Baden im See wieder möglich zu machen. In der IG Baden in der Ruhr habe sie sich zu diesem Zweck zusammengeschlossen.

Das Vereinsleben ist rege am See und es ist auch prägend für den Langstreckenlauf, der an jedem zweiten Sonntag im Oktober an seinem Ufer stattfindet. Der Marathon, bereits seit über 50 Jahren organisiert vom Verein Tusem, wird noch immer mit ehrenamtlichem Engagemant durchgeführt, auch wenn es mittlerweile einen großen Sponsor gibt. Seine schöne Streckenführung zwischen Wasser und Wald, die Industriedenkmäler zu beiden Seiten des Sees, aber auch die gemäßigten Temperaturen, die das Laufen im Frühherbst angenehm machen und das flache Geländeprofil machen den Essener Marathon zu einem allseits beliebten Lauf. Viele Zuschauer strömen dann aus der Stadt ins Grüne, um die Sportler anzufeuern. Auch in diesem Herbst, wenn am Sonntag, den 11. Oktober um 10 Uhr morgens der Startschuss ertönt, dürfte das wieder so sein. Zwei Stunden später fiebert dann das Publikum unterhalb der Villa Hügel, in der früher die Industriebarone herrschten, bereits dem Zieleinlauf entgegen. In unmittelbarer Nähe schaut ein treppenförmiges Gebäude dem Geschehen zu, der Regattaturm. Einige der vielen Uhren auf seinem Dach gehen rückwärts und verweisen zurück nach 1963, wo Bruno Nießer gerade die Ziellinie überschreitet. Hier wo die Zeit für jeden in seinem eigenen Tempo vergeht, mal erholend langsam, mal sportlich schnell, hält die Stoppuhr gleich die Zeit des neuen Siegers fest.

 

Feuchter Flussarm, trockener Hang – Amphibien und Reptilien an der Ruhr

Ein alter Mann, der durch die Flussaue in Heisingen spaziert, bleibt erstaunt stehen und schüttelt den Kopf. „Die sind nicht echt, oder?“ So etwas hat er in freier Natur noch nicht gesehen, sagt er. Hier an der Ruhr sind sie allerdings gar nichts Ungewöhnliches: Schildkröten. Wer an einem sonnigen Tag am Stausee in Essen unterwegs ist, kann sie auf einem Baumstamm liegen sehen, manchmal ein ganzes Dutzend. Es handelt sich um eine illegal ausgesetzte Art – davon gibt es mehrere im Ruhrtal.

Auf Baumstämmen und Wurzeln an den Altwassern der Ruhr sonnen sie sich, auch wenn die Reptilien hier eigentlich nicht heimisch sind. Gleiches gilt für die Mauereidechsen aus dem Mittelmeergebiet, die ebenfalls an der Ruhr ausgesetzt worden sind. Ihre Verwandten, die Zauneidechsen, sind dagegen eine einheimische Art. Wie eine ganze Reihe von Reptilienarten fühlen sie sich ausgesprochen wohl an der Ruhr. Die Tiere lieben Trockenheit, etwa an den sonnigen Bahndämmen. Auch Blindschleichen, ebenfalls einheimische Reptilien, kann man dort finden. Die Schlangen sind ungiftig, nicht anders als die Ringelnattern, zu erkennen an ihrer schwarz-weiß gemusterten Bauchzeichnung. Zwar werden sie über einen Meter lang und an der Oberseite oft pechschwarz, aber gefährlich werden sie Menschen nicht. Mit Vorliebe halten sich Ringelnattern etwa in sumpfigen Nebentälern und an Altwassern der Ruhr auf, beispielsweise in der Mülheimer Ruhraue.

Nass und sumpfig mögen es auch die Amphibien. Im Ruhrtal, wo feuchte und trockene, kühle und heiße Zonen aneinandergrenzen, finden sie ebenso ihren Lebensraum wie die Reptilien. So gibt es beispielsweise in den Gewässern der Heisinger Aue in Essen verschiedene Amphibienarten. Die stillen Altwasser des Flusses nutzen eine ganze Reihe von ihnen, ob Kröten, Frösche oder Molche, zur Fortpflanzung. So paaren sich die Erdkröten an den Tümpeln der Auen und laichen auch dort, indem sie ihre Laichschnüre um die Wasserpflanzen wickeln. Trotz einiger geschützter Auengebiete sind die Amphibien durch diese Art der Fortpflanzung allerdings in Gefahr, denn den Winter verbringen sie in Verstecken an den Ruhrhängen und wandern erst anschließend über kilometerweite Strecken zu den Auen. Im dichtbesiedelten Ruhrgebiet führt dies die Kröten häufig über menschlich bebautes Terrain, darunter Verkehrswege, auf denen viele von ihnen zu Tode kommen. Der Schutz der Tiere ist deshalb in vielen Städten des Ruhrgebiets Anlass zur Auseinandersetzung wie zu ehrenamtlichem Engagement, etwa durch die Anlage neuer Laichgewässer oder von Krötenzäunen. Neben der Erdkröte kommen auch andere Krötenarten an der Ruhr vor, so etwa die Kreuzkröte, die zwar zerstreut über Deutschland verbreitet ist, aber gerade in Bergbaufolgelandschaften häufig zu finden ist, sodass sie sich hier in der Region besonders wohlfühlt. Auch der Grasfrosch ist heimisch an den stehenden wie fließenden Gewässern der Region.

Selten gewordene Amphibien sind an der Ruhr dagegen die Gelbbauchunken. In Nordrhein-Westfalen gelten sie heute als vom Aussterben bedroht. Und das obwohl sie eine enge Bindung an den Lebensraum Wasser pflegen – an den Flussauen des Ruhrgebiets, die durchsetzt waren von Tümpeln, gehörten sie ursprünglich zu den typischen Bewohnern. Als die natürlichen Auenlandschaften in den vergangenen Jahrhunderten mehr und mehr Baumaßnahmen weichen mussten, zogen sich die Gelbbauchunken in Pfützen als Ersatzlebensraum zurück, wie sie etwa in Traktorspuren oder Kiesgruben entstehen. Hier erwärmt sich das Wasser schnell und ermöglicht so ihrem Nachwuchs ein schnelles Wachstum. Einerseits zeigt sich die Amphibienart damit flexibel und passt sich an den menschlich geprägten Lebensraum an. Zum Nachteil für die Tiere kann bei der Besiedlung solcher Ausweichquartiere jedoch werden, dass die vom Menschen hinterlassenen und mit Wasser gefüllten Gruben oft nur zeitweise bestehen bleiben. Denn nicht selten verschwinden sie im Zuge von Baumaßnahmen und Bewirtschaftung so schnell wieder, wie sie entstanden sind.

Ähnlich wie die an Stauseen ausgesetzten Wasserschildkröten, deren Fortpflanzung in der fremden Umgebung eingeschränkt ist, finden heimische Gelbbauchunken daher nur noch zeitweise an der Ruhr ein Zuhause. Zu Wasserwirtschaft, Bau und Verkehr mitten im Ballungsgebiet steht die natürliche Lebensweise der Amphibien und Reptilien oftmals im Widerspruch. Für ein funktionierendes Ökosystem der heimischen Gewässer spielen sie allerdings ebenso ihre Rolle wie Fische und Wasservögel. Ihr Schutz als charakteristische Bewohner des Ruhrtals bleibt deshalb eine Zukunftsaufgabe, die es mit anderen Zwecken der Flussbewirtschaftung auszutarieren gilt. Gelingt dies, dürften die urzeitlich wirkenden Tiere noch manchen Spaziergänger am Ufer ins Staunen versetzen.

Weshalb ein Fluss keine Grenze ist

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Lahdo

Wer an einem Flussufer steht und auf die andere Seite möchte, begreift schnell, wieso Flüsse etwas Trennendes haben. Das natürliche Hindernis versperrt den Weg. Ohne Brücke oder Fähre wird es schwierig, hinüberzukommen. Kein Wunder also, dass Flüsse häufig als Grenze dienen.

In der Geschichte gibt es viele Beispiele dafür, dass ein Fluss die Grenze zwischen zwei Ländern markierte und noch heute ist das nicht selten der Fall. Deutschland wird etwa im Südwesten vom Rhein und im Osten von der Oder und der Neiße zu seinen Nachbarländern hin begrenzt. Auch die Ruhr trennte bereits im 12. Jahrhundert die Herrschaftsgebiete des Erzbistums Köln und der Grafschaft Mark voneinander, wovon Burgen und Befestigungsanlagen am Fluss noch heute zeugen. Gegenwärtig bildet der Fluss die nördliche Grenze für den Märkischen Kreis im Sauerland und nicht nur die Grenzen von Landkreisen, sondern auch die von Stadtteilen folgen dem Ruhrverlauf, wie man im Süden von Essen sehen kann.

An Flüssen scheiden sich neben Verwaltungsgebieten aber auch Kultur- und Sprachräume. Der Grenzfluss Oder trennt beispielsweise den deutschen vom polnischen Sprachraum. Auch innerhalb von Ländern kann man diese kulturelle Art der Raumteilung ablesen. Die im Münsterland entspringende Issel etwa bildet die Grenze zwischen der niedersächsischen und der niederfränkischen Mundart. Eine andere Grenze überquert sie dagegen – die in die Niederlande, wo sie ihren Namen in Ijssel nur leicht wandelt. Hier deutet sich an, dass die grenzbildende Funktion von Flüssen nur die eine Seite der Medaille ist.

Denn die Fließgewässer stellen auch eine Verbindung zwischen Kulturen und Völkern dar. Das gilt etwa für ihre Funktion als Reise- und Transportweg, auf dem man ins Nachbarland gelangen kann. Auf der Donau zum Beispiel gelangt man vom deutschen Ulm aus über Wien, Budapest und Belgrad bis ans Schwarze Meer. An dem europäischen Fluss leben Menschen vieler verschiedener Sprachgebiete, Religionszugehörigkeiten und Herkunft und kommen über ihn miteinander in Kontakt. Der Strom mit seiner wechselvollen Geschichte war inoffizieller Namensgeber eines Vielvölkerstaats, der „Donaumonarchie“ und auch Schauplatz von Krieg und Versöhnung zwischen Nachbarn. Darin offenbart er sowohl die trennenden als auch die verbindenden Aspekte eines Flusses. Auch die Oder, die erst mit der deutschen Wiedervereinigung von der Bundesrepublik abschließend als Grenze anerkannt wurde, entwickelt sich inzwischen durch vielfältige Arten grenzüberschreitender Annäherungen und Kooperationen vom Grenzfluss zur Verbindung zwischen Nachbarländern.

Flüsse trennen zwar Räume, aber sie schaffen sie auch erst. Ausdrücke wie „Rheinland“ oder „Ruhrgebiet“ verweisen darauf. Dort ergibt sich ein zusammenhängender Kulturraum erst dadurch, dass die Menschen einer Region am selben Fluss leben – oder dass sie diese Tatsache in den Mittelpunkt stellen. Ein natürliches Hindernis kann ein Fluss also sein, eine „natürliche Grenze“ ist er dagegen nicht. Vielmehr hängt es von den Menschen an seinen Ufern ab, wie sie ihn wahrnehmen und nutzen.

Wasserströme koordinieren – die Talsperrenleitzentrale an der Ruhr

Foto: Jörg Braukmann
Foto: Jörg Braukmann

Die Heve ist heute ein ganzes Stück breiter als sonst. In den vergangenen Tagen hat es hier im Sauerland viel geregnet und der kleine Fluss führt jetzt jede Menge Wasser mit sich. An manchen Stellen tritt er schon über die Ufer. Es klingt zunächst etwas weit hergeholt, aber auch für die viele Kilometer entfernt wohnenden Menschen in Essen kann das noch wichtig werden. Durch Essen fließt die Ruhr und die Heve ist einer der vielen Bäche und Flüsse, deren Wasserströme sich in der Ruhr treffen. Ähnlich ist es auch mit den Daten über Strömung und Pegelstand dieser Gewässer. In Essen fließen sie zusammen.

Das Sammeln von Daten zu Wasserstand und Fließgeschwindigkeit der zahlreichen Zuströme im Einzugsgebiet der Ruhr hilft dabei, die Gefahr von Hochwasser im Ruhrgebiet einschätzen zu können. Ebenso zeigen die Daten an, wann das zufließende Wasser knapp wird – etwa wenn es im Sommer lange trocken bleibt. Weil aus dem Ruhrfiltrat Trinkwasser für Millionen Menschen gewonnen wird, ist das eine ebenso wichtige Information. Zunutze macht man sich solche Informationen unter anderem beim Ruhrverband: In der Talsperrenleitzentrale in Essen werden sie gesammelt und verarbeitet.

Die Talsperrenleitzentrale ist verantwortlich für acht Talsperren entlang der Ruhr. Mit ihrer Hilfe kann Wasser zurückgehalten oder dem Fluss zugeführt werden – je nachdem welche Pegel an der Ruhr und ihren Zuflüssen gemessen wurden. So lassen sich einerseits Hochwasserspitzen verringern und andererseits die Trinkwasserversorgung garantieren.

Dass dieser Vorgang zentral gesteuert wird, ermöglicht ein schnelles Eingreifen und koordiniertes Handeln, wenn die Wassermenge problematisch wird. Die Talsperrenleitzentrale ist deshalb auch rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst. Etwa 50 Gewässerpegel entlang der Ruhr und ihrer Nebenflüsse werden ständig automatisch aufgezeichnet und an die Zentrale übermittelt. Hinzu kommen die Fließgeschwindigkeiten, die von den Mitarbeitern des Ruhrverbands meistens von Hand gemessen werden. Niederschlagsstationen ermitteln außerdem die Mengen an Regen und Schnee, die dem Fluss neues Wasser zuführen. Aus den Daten der vielen Messungen werden in der Leitzentrale dann Vorhersagemodelle errechnet und die Informationen grafisch veranschaulicht. Nicht nur im Rahmen der Wasserwirtschaft finden diese Informationen anschließend Anwendung. Sie sind auch öffentlich online zugänglich. Hier ist der Wasserstand nach Ort abrufbar, ebenso die aktuelle Stauhöhe der Talsperren. Ein Niederschlagsradar zeigt, wieviel Regen und Schnee im Einzugsgebiet der Ruhr fällt und mithilfe von Webcams kann man sich ein aktuelles Bild von der Ruhr machen, was zum Beispiel für Freizeitkapitäne interessant ist.

Hauptzweck der Messungen bleibt aber, dass die Talsperrenleitzentrale Wasserversorgung und Hochwasserschutz sicherstellen kann. Da verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen davon ausgehen, dass durch den Klimawandel extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und lange Trockenzeiten auch im Einzugsgebiet der Ruhr zunehmen werden, gewinnt diese Aufgabe in Zukunft voraussichtlich an Bedeutung. Der Klimawandel ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, vor der die Wasserwirtschaft an der Ruhr steht. Die Sicherheit ihrer technisch anspruchsvollen Anlagen zu gewährleisten gehört ebenfalls dazu. So ist durch Talsperrenbauten das natürliche Fließgewässersystem erheblich verändert, was nicht nur ökologische Auswirkungen hat. Je größer eine Talsperre, desto größer ist auch das Risiko für den Fall, dass sie Schaden nimmt, denn dort wird eine enorme Menge an Wasser und potentieller Energie gespeichert. So muss das Bauwerk immer wieder überprüft werden, um die Gefahr von Verformungen oder einer Veränderung des Untergrunds, beispielsweise durch Sickerströmung, im Auge zu behalten. Auch Erdrutsche und –beben können eine Gefahr sein, etwa wenn ein Hang ins Wasser rutscht und eine plötzliche Welle auslöst. Ebenso belastet extremes Hochwasser das Bauwerk. Wird dadurch eine Talsperre beschädigt oder zerstört, kann das regelrechte Verwüstungen nach sich ziehen, wie das Beispiel der zerstörten Möhnetalsperre im Zweiten Weltkrieg zeigt. Es ist beim Betrieb eines Talsperrensytems also entscheidend, dass seine Vorbereitung auf künftige Ereignisse wie ein verändertes Klima, seine Wartung und Überprüfung mit großer Sorgfalt durchgeführt werden – inklusive der Koordination der einzelnen Talsperren in der Zentrale. Den Wasserstand an kleinen Flüssen wie der Heve zu messen gehört dazu.

 

Wie sich der Klimawandel auf den Fluss auswirkt

Foto: Christian Fischer.
Foto: Christian Fischer
Foto: Christian Fischer

Altbekannte Tierarten verschwinden nach und nach aus dem Fluss und neue, wärmeliebende beginnen ihn zu bevölkern. Das ist eine der Folgen, die der Klimawandel auch an der Ruhr zeigen könnte. Die Erderwärmung hat Auswirkungen auf den weltweiten Wasserkreislauf und das schlägt sich auch in den Flüssen nieder – im wörtlichen Sinne: Regional nimmt der Niederschlag zu und lässt sie anschwellen.

Schon vor gut einem Jahrzehnt haben britische Forscher vom Met Office in Exeter festgestellt, dass die vorhergesagte Veränderung des globalen Wasserkreislaufs bereits im Gange ist. Sie konnten messen, dass die europäischen und asiatischen Flüsse immer mehr Wasser in das Nordpolarmeer brachten. Dabei spielen die Niederschläge eine wichtige Rolle. Mit den ansteigenden Temperaturen verdunstet eine größere Menge Wasser und die wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Somit kommt es letztlich auch zu stärkeren Regenfällen – und ansteigenden Flüssen.

Allerdings werden die Flüsse in Deutschland deshalb nicht zu allen Zeiten mehr Wasser führen. Wie im globalen Rahmen nehmen auch hierzulande voraussichtlich die Extreme zu. Der Pegel des Rheins, für den die Klimaauswirkungen bisher am genauesten untersucht sind, wird demnach bereits in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen, allerdings vornehmlich im Winter. Im Sommer dagegen sinkt der Wasserstand um 10 bis 30 Prozent, wie die Wissenschaftler von KLIWAS beziffern. Das Forschungsprogramm hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums untersucht, wie sich der Klimawandel auf Flüsse und Küstengewässer in Deutschland auswirkt. Das Verkehrsministerium interessiert sich dafür, wie dies die Binnenschifffahrt beeinflusst. Auf dem Rhein ist laut KLIWAS in naher Zukunft noch nicht mit ernsthaften Beeinträchtigungen des Schiffsverkehrs durch den Klimawandel zu rechnen. Etwa ab dem Jahre 2050 wird der Fluss im Sommer aber wohl den notwendigen Pegel für eine ungehinderte Schifffahrt nach heutigen Maßstäben nicht mehr durchgängig erreichen, so die Prognosen. „Möglicherweise kommen dann andere Schiffstypen mit weniger Tiefgang zum Einsatz“, meint KLIWAS-Koordinatorin Andrea Mehling von der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Verstärkt werden hohe Wasserstände der Flüsse im Winter und niedrige im Sommer insbesondere, wenn die Gletscher in den Alpen weiter abgeschmolzen sind. Momentan fungieren die Gletscher noch als Puffer, die im Winter Schnee speichern und im Sommer einen Zustrom für die Flüsse darstellen.

Nicht nur der Schiffstransport muss sich anpassen, wenn die Flüsse sich mit dem Klima wandeln. Vor neuen Herausforderungen steht auch die Trinkwasserversorgung, die teils aus Flüssen gespeist wird wie etwa an der Ruhr. Hier gibt eine Klimastudie im Auftrag des Ruhrverbands zwar Entwarnung, was die Versorgungssicherheit der Region mit Rohwasser angeht: Das System aus acht Talsperren im Sauerland, die ausreichend Wassernachschub bereithalten, wird demnach auch in Zukunft noch seine Aufgabe erfüllen können. Jedoch ist die Qualität des Wassers nach Starkregen und ebenso in Trockenphasen mit niedrigem Wasserstand beeinträchtigt. Da den Prognosen nach auch an der Ruhr die extremen Wetterphasen zunehmen, müssen die Wasserversorger sich darauf vorbereiten. Das Netzwerk dynaklim hat dazu verschiedene Möglichkeiten zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen untersucht. Neben der Wasserversorgung ist auch die Stromversorgung von den Veränderungen betroffen, die sich in den Flüssen abspielen. So wird Flusswasser nicht selten zur Kühlung von Kraftwerken genutzt. Wird es aber zu warm, erfüllt es diese Aufgabe nicht mehr hinreichend – dann müssen Kraftwerke, die nicht über Kühltürme verfügen, außer Betrieb genommen werden.

Zu dramatischen Bildern kann eine weitere mögliche Folge des veränderten Flusssystems führen: Hochwasser. Hierbei ist das Klima einer von mehreren Einflussfaktoren. Einige grundlegende Informationen dazu hat das Max-Planck-Institut für Meteorologie hier zusammengefasst. Kleine und mittlere Flüsse lässt starker Niederschlag besonders schnell anschwellen, was der Bevölkerung und dem Katastrophenschutz dann nur kurze Zeit lässt zu reagieren. Unter anderem mit Daten der Ruhr haben Wissenschaftler des Center for Disaster and Risk Management Technology (CEDIM) deshalb Modelle zur Hochwasservorhersage an kleinen und mittleren Fließgewässern erstellt. Sie prognostizieren, dass innerhalb Deutschlands vor allem der Westen von einer Zunahme der Hochwasser an Flüssen betroffen sein dürfte.

Dass aber nicht nur Hoch- sondern auch Niedrigwasser zum Problem werden kann, zeigen die Wasserlebewesen, für die die Veränderungen der Fließgewässer besonders unmittelbar spürbar sind. Beispielsweise müssen sie näher zusammenrücken, wenn das Flussbett im Sommer wenig Wasser enthält. So breiteten sich etwa Krankheiten oder Parasiten leichter aus und in Verbindung mit Hitzeperioden könne es sogar zu einem Massensterben von Fischen oder Muscheln kommen, wie Jochen Koop vom Referat für Tierökologie an der Bundesanstalt für Gewässerkunde ausführt. In den heißen Sommern 2003 und 2006 hat sich das beispielsweise im Rhein bereits gezeigt. Neben dem Wasserpegel ändert sich dabei auch die Temperatur des Flusswassers. Wie mehrere solcher Einflüsse gleichzeitig auf die Flusslebensräume wirken, untersucht unter anderem das von der Universität Duisburg-Essen koordinierte Projekt MARS. Allgemein lässt sich sagen, dass Arten, die mit höheren Temperaturen besser zurechtkommen, in den heimischen Flüssen voraussichtlich zahlreicher werden, während andere zurückgehen oder ganz aus den Flüssen verschwinden. Diese Verschiebung im Artenspektrum bringt Probleme mit sich. Für die Elbe wird etwa eine Zunahme des Algenwachstums befürchtet. Die Ökosysteme geraten unter Anpassungsdruck.

Jochen Koop hält es jedoch für falsch, die Flüsse deshalb in einem bestimmten Zustand konservieren zu wollen. Der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die sich die Erholung der Fließgewässer zum Ziel gemacht hat, wirft Koop ein veraltetes Leitbild vor. Da der Klimawandel jetzt bereits Veränderungen für den Fluss mit sich bringt, glaubt Koop vielmehr, dass man mit diesen arbeiten müsse. Für ihn stellt sich demnach die Frage: „Werden die Karten unter den Organismen neu gemischt und wie?“ Neu eingewanderte, wärmeliebende Arten wären dabei nicht unbedingt als schädliche Eindringlinge zu bewerten, sondern unter Umständen könnten gerade sie wichtige Funktionen für die Flüsse der Zukunft übernehmen, um das Ökosystem auch bei seiner Veränderung intakt zu halten. Es kann also Sinn machen, ihnen Raum zur Entwicklung zu lassen.

So ein Eingehen auf die neue Situation gehört dazu, wenn man mit einer Veränderung zurechtkommen will. Aber auch der Versuch, Schutzwürdiges durch die Veränderung hindurch zu erhalten. Schaffen wir es, beides miteinander auszutarieren? Für den Lebensraum Fluss wird es im Klimawandel auch darauf ankommen.

Fluxus und Flow – der Fluss in der Kunst

Foto: Rainer Halama
Foto: Rainer Halama
Foto: Rainer Halama

Künstler scheinen seit jeher Inspiration bei Flüssen zu suchen. Für zahlreiche bedeutende Maler sind sie ein beliebtes Motiv gewesen: Cezanne und Renoir haben die Seine gemalt, Monet daneben auch noch die Themse und van Gogh die Rhône, William Turner den Rhein – die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Auch die Ruhr ist Motiv für einige Gemälde gewesen, etwa im Jahre 1880 bei Caspar Scheuren.

Neben den Malern haben sich auch viele Schriftsteller dem Thema Fluss zugewandt. Dem Nordamerikaner Mark Twain hatte es der Mississippi angetan, eine Reihe junger Autoren aus Südamerika erzählt dagegen aktuell vom Rio de la Plata, der drei Staaten durchkreuzt, um in Leben und Kultur seine Spuren zu hinterlassen. Auch in der slawischen Literatur spielen Flüsse immer wieder eine bedeutende Rolle. Der bosnische Nobelpreisträger Ivo Andrić etwa verwendet das Flussmotiv in Verbindung mit dem der Brücke, um die Begegnung von christlicher und islamischer Kultur in seiner Heimat zu bebildern.

Auch Fotografen, beispielsweise Andreas Gursky, eröffnen künstlerische Perspektiven auf den Fluss und die Faszination der Komponisten für das Thema, die in Smetanas berühmter Moldau einen Höhepunkt erreichte, ist noch heute stark. Dabei sind die Flüsse nicht immer nur Gegenstand, sondern häufig auch Bestandteil von Kunst, wie etwa die Werke verschiedener Klangkünstler zeigen, die unter anderem mit dem Rauschen der Ruhr arbeiten. Auch zum Bestandteil von Installationen können Flüsse werden. Christo und Jeanne-Claude planen das gerade im großen Stil für den Arkansas River, über dem sie silberne Stoffbahnen spannen möchten. Iliya und Emilia Kabakov installierten 2010 auf dem Baldeneysee, der in Essen das Wasser der Ruhr staut, eine künstliche Insel. Für ihr „Projekt zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen“ pumpten sie das Flusswasser auf der einen Seite der Insel aus dem Stausee heraus, bloß um es an der anderen Seite von rostigen Maschinen wieder hineinbefördern zu lassen. Die Rotterdamer Architekten von Observatorium arbeiten ebenfalls gern mit Ironie. Am Flussufer lassen sie die Besucher ihrer Pavillons auf die renaturierte Emscher warten. Und die Performancekünstlerin Vlatka Horvat geht in Los Angeles konsequenter Weise gleich selbst in den Fluss hinein, wo sie kontrastierend zum Motiv der fließenden Bewegung immer wieder neue Ruhepole in Form von Sitzgelegenheiten im Fluss arrangiert.

Was ist es, das die Künstler bis heute an Flüssen so fasziniert? Warum arbeiten so viele Kreative aller Sparten immer wieder mit dem Fluss als Thema, Material und Ausdrucksmittel? Ein Grund dafür liegt vielleicht im Vorgang des Fließens selbst. In den 60er Jahren wirkte dieser Vorgang sogar stilprägend für eine neu entstehende Kunstrichtung, den Fluxus, mit dem in Deutschland Namen wie Joseph Beuys oder Nam June Paik verknüpft sind. Außerdem Christoph Schlingensief, der an der Ruhr noch vor wenigen Jahren seine große Fluxus-Inszenierung Kirche der Angst zeigte, in der er unter anderem seine tödliche Krankheit verarbeitete. Die Vergänglichkeit ist ein Element des Fließens, dem sich außer Schlingensief auch andere Fluxus-Künstler angenommen haben, beispielsweise der Dichter und Konzeptkünstler Dieter Roth. Das Fließen ist jedoch über den Fluxus hinaus für Künstler aller Gattungen und Metiers bis heute von Bedeutung: In Form des „Flows“, eines Zustands wie im Fluss, der es ermöglicht, einen ununterbrochenen kreativen Schaffensprozess zu erreichen, einen Fluss, der den Künstler unter Umständen bis zur Vollendung eines Werks trägt.

Flow spielt aber auch bei solchen kreativen Tätigkeiten, die über einen engeren Kunstbegriff hinausgehen, eine wichtige Rolle. So beschreibt es zumindest die Flow-Theorie des Chicagoer Wissenschaftlers Mihaly Csíkszentmihályi. Ihm geht es dabei um Tätigkeiten, die wir um ihrer selbst willen ausüben, die uns zwar mit unserer ganzen Aufmerksamkeit involvieren, aber nicht überfordern und zugleich nicht unterfordern – und uns so in einen positiven Fluss versetzen können. „Die Zeit fliegt. Jede Handlung, jede Bewegung und jeder Gedanke folgt unweigerlich auf die vorausgegangene – als wenn man Jazz spielt“,  beschreibt der Journalist John Geirland diesen Flow. Eine Tätigkeit, in der man so aufgeht, dass man sich im Fluss befindet, ist Csíkszentmihályi zufolge aber nicht nur kreativ, sie macht außerdem auch glücklich. Vielleicht ein Grund sich noch einmal ganz neu mit dem Thema Fluss zu beschäftigen.

Oldtimer schippern auf dem Baldeneysee

Foto: Benedikt Pressburger.
Foto: Benedikt Pressburger.

Schwimmen ist im Baldeneysee in Essen gegenwärtig nicht erlaubt. Ob die Wasserqualität ausreicht, den See dafür wieder freizugeben, untersucht das Projekt Sichere Ruhr. Andere Wassersportler sind jedoch auf dem See schon jetzt viele unterwegs. Ein Beispiel dafür sind die Segler. In zahlreichen Clubs und Vereinen rund um den See sind sie organisiert und wenn nicht gerade ein Sturm tobt, sieht man dort fast immer einige von ihnen über das Wasser schippern. An manchen Tagen gehen auf dem Baldeneysee aber besonders viele Segler ihrem Sport nach. Dann nämlich, wenn eine Regatta ansteht.

Solche Segelwettkämpfe können weniger als eine Stunde dauern aber sich auch über mehrere Tage hinstrecken wie etwa bei der Essener Segelwoche. Bei Regatten treten die Segler in verschiedenen Bootsklassen gegeneinander an und versuchen eine festgelegte Strecke schneller zurückzulegen als ihre Mitstreiter. Der Kurs dieser Strecke folgt klassischer Weise dem sogenannten Olympischen Dreieck und muss nach den Wettkampfregeln des internationalen Segelverbandes ISAF absolviert werden.

Auf dem Baldeneysee gibt es jedes Jahr eine ganze Reihe von Regatten. Aber einige stechen dabei besonders ins Auge. Denn manchmal haben die Segler beim Wassersport Lust auf ein außergewöhnliches Flair. In diesem Jahr ist das am ersten Oktoberwochenende der Fall. Dann wird auf dem Baldeneysee das sogenannte Klassiker-Rendevous ausgetragen. Für Zuschauer ist diese Regatta besonders attraktiv, denn dabei sind in Essen Boote unterwegs, die man heutzutage nicht mehr täglich über die Seen und Flüsse fahren sieht. Die spezielle Regatta klassischer Yachten wird nämlich mit Booten ausgetragen, die älter als 30 Jahre und in handwerklicher Bootsbauertradition aus Holz gebaut sind – das heißt geplankt und auf sogenannten Spanten, die den Rumpf stabilisieren. Daneben sind zwar auch Nachbauten solcher Segelboote nach Originalplänen erlaubt – aber keine Yachten, wie sie heute üblich sind.

Ausrichter des ungewöhnlichen Oldtimer-Treffens auf dem Wasser ist der Essener Yacht-Club. Der 1955 gegründete Verein mit etwa 100 Mitgliedern hat seinen Sitz am südlichen Ufer des Baldeneysees und teilt sich seinen Hafen mit den Ausflugsschiffen der Weißen Flotte. In diesem Jahr lässt der Verein die Oldtimer-Boote am Tag der deutschen Einheit miteinander um die Wette fahren. Wer also gern nostalgisch auf den See blicken möchte, kann am 3. Oktober einfach mal am Seeufer Platz nehmen, zum Beispiel am Regattaturm und den alten Holzbooten zusehen.

Wasserscheiden weisen den Weg

Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Ladwig

Das Einzugsgebiet der Ruhr umfasst mit 4.485 Quadratkilometern eine sehr große Fläche und spendet das Rohwasser für die Brauch- und Trinkwasserversorgung der Bevölkerung und Industrie im Ruhrgebiet. Damit hat der Fluss eine wichtige Funktion in seinem Einzugsgebiet, das hauptsächlich südlich der Ruhr und beinahe vollständig in Nordrhein-Westfalen liegt – lediglich ein kleiner Teil des Einzugsgebietes befindet sich in Rheinland-Pfalz. Doch wie grenzt man eigentlich das Einzugsgebiet eines Flusses ab und wovon hängt das maßgeblich ab?

Eine Wasserscheide markiert die Grenze des Einzugsgebietes eines Flusses. Das Bach- oder Flusseinzugsgebiet ist der Teil der Landschaft, aus dem das Wasser dem entsprechenden Fluss oder Bach zufließt. Die Grenze dieses Einzugsgebietes ist immer auch die Wasserscheide zwischen zwei Einzugsgebieten, denn hier scheiden sich die Wege des Wassers.

Für die Wissenschaft sind Wasserscheiden von besonderer Bedeutung. Denn anhand der Wasserscheiden kann bestimmt werden, in welchen Bach, Fluss oder See das Wasser aus einem Gebiet fließt. Auf diese Weise kann sogar verfolgt werden, in welches der Weltmeere ein kleines Gewässer am Ende seiner Reise mündet. Diese Karte veranschaulicht die Wege des Wassers innerhalb Deutschlands. Wie zu erkennen ist, strömt das Wasser aus dem größten Teil Deutschlands am Ende in die Nordsee. Nur ein kleiner Teil des Wassers aus dem östlichen Deutschland fließt über die Oder in die Ostsee und ein Teil des Wassers in Süddeutschland findet seinen Weg über die Donau ins Schwarze Meer.

In Süddeutschland findet sich auch die große Europäische Wasserscheide. Sie verläuft durch den südlichen Teil der Bundesrepublik und trennt die Zuläufe von der Donau, deren Wasser ins Schwarze Meer fließt, und dem Rhein, der in der Nordsee mündet.

Diese Animation erläutert das Phänomen Wasserscheide und der Einzugsgebiete noch einmal bildlich. Gut zu erkennen ist dabei, dass Wasserscheiden häufig über Gebirgskämme laufen, denn hier ändert sich die Fließrichtung des Wassers auf natürliche Weise. Ein Beispiel für eine Wasserscheide, die über einen Gebirgskamm läuft ist der Kahle Asten in Nordrhein-Westfalen. Hier entspringen sowohl die Lenne als auch die Ruhr. Die Ruhr fließt jedoch in das Ruhrtal während die Lenne in das Lennetal strömt.

Doch Wasserscheiden sind nicht nur von großer Bedeutung für die Wissenschaft, weil man anhand ihres Verlaufs die Wege des Wassers zurückverfolgen kann. Durch die Wasserwege können auch viele andere ökologische Zusammenhänge erforscht werden. So beispielsweise auch die Belastung eines Gewässers, die für das Projekt Sichere Ruhr ein zentraler Forschungsgegenstand ist. Da sich Wasser bekanntlich in Bewegung befindet und die Landschaft durchfließt, durchfließt auch die Gewässerverschmutzung weite Landstriche. Eine Folge hiervon ist, dass die Verschmutzung eines Flusses nicht immer unmittelbar dort ein Problem darstellt, wo sie entsteht, sondern viel häufiger an den Orten, wo das Wasser hinfließt. Eine Verunreinigung im Kemnader Stausee kann beispielsweise auch aus einem der zulaufenden Gewässer stammen. Die Rückverfolgung der Wasserwege durch die Wasserscheiden ermöglichen es nun herauszufinden, wo eine Verschmutzung ihren Ursprung hat und wo die Verschmutzung hinfließen und möglicherweise Probleme verursachen wird.

Wasserscheiden bestimmen damit nicht nur wie sich verschiedene Einzugsgebiete voneinander abgrenzen, sondern erfüllen auch viele weitere Zwecke – sowohl für die Ökosysteme als auch für die Forschung.

Die Aufgabenteilung zwischen Ruhr, Emscher und Lippe

38_Ruhr-Emscher-Lippe-Arbeitsteilung-Foto-Stefan-Kunzmannrenaturiert
Foto: Stefan Kunzmann

Dass es im Ruhrgebiet heute ein Forschungsprojekt zum öffentlichen Baden im Fluss gibt, ist auch eine Folge des Strukturwandels in der Industrieregion. Mit dem Niedergang des Tagebaus und der Abnahme der Schwerindustrie an der Ruhr, sind die Möglichkeiten gestiegen, vor Ort die Natur zu genießen. Das gilt auch für die Gewässer. Allerdings nicht für alle gleichermaßen. Denn sie haben traditionell unterschiedliche Aufgaben.

Dazu gehört die Versorgung der Industrie mit Kühlwasser, mit Wasser, um Turbinen anzutreiben und mit Wasser als Rohstoff für die Produktion. Eine Aufgabe, die die Ruhr auch heute noch wahrnimmt. Doch nicht nur um den Durst der Industrie zu löschen, werden große Wassermengen aus dem Fluss entnommen. Auch Trinkwasser wird benötigt und das nicht zu knapp, denn schließlich ist die Region dicht besiedelt. Die Aufgabe der Trinkwasserversorgung kommt dabei traditionell ebenfalls der Ruhr zu. Dass das Wasser aus dem Fluss Millionen Menschen jederzeit aufbereitet im Haushalt zur Verfügung steht, wird mit Hilfe von Technik sichergestellt. Zahlreiche Wasserwerke an der Ruhr besorgen die Aufbereitung des Wassers, hinzu kommt eine Reihe von Flussausbauten, die zur Wasserversorgung beitragen: Talsperren an den Zuflüssen machen möglich, dass auch in trockenen Perioden genügend Wasser vorhanden ist und Stauseen reinigen das Wasser vorab.

Aber die Menschen im Ruhrgebiet trinken das Wasser nicht nur, sie duschen, spülen und waschen auch damit – sehr viel Abwasser gibt es danach zu entsorgen und in den Kläranlagen wieder zu reinigen. Den Transport des Abwassers aus den Haushalten, aber auch aus der Industrie übernimmt zu einem großen Teil die Emscher. Auch das Grubenwasser, das in die alten Bergwerksstollen noch heute eintritt, wird ihr traditionell zugeleitet. Als offener Abwasserkanal trug die Emscher zeitweise den Beinamen „Kloake des Ruhrgebiets“ und wurde zu einem ökologisch toten Fluss. Aufgrund des Bergbaus und der Senkungen des Bodens, die dieser zufolge hatte, schien es lange Zeit unmöglich, das Abwasser im Ruhrgebiet unterirdisch abzuführen. Dass die Ruhr im Gegensatz zur Emscher auch zu Hochzeiten der Industrieproduktion noch Wasser führte, das man zum Trinken aufbereiten konnte, lag auch daran, dass die Emscher buchstäblich die Drecksaufgabe übernehmen musste. Um dort die Folgen der offenen Abwasserentsorgung im Fluss einzudämmen, insbesondere Überschwemmungen der angrenzenden Städte mit Schmutzwasser und mögliche dadurch ausgelöste Seuchen, wurde der natürliche Flusslauf der Emscher im großen Stil verändert, inklusive der Eindeichung erheblicher Teile des Flusses und der Verlegung seiner Mündung.

Als dritter Fluss mit wichtiger Aufgabe für das Ruhrgebiet steht neben Ruhr und Emscher seit den Zeiten des industriellen Booms die Lippe. Ihr Wasser war zum Trinken zu salzhaltig, jedoch dient es bis heute dazu, das westdeutsche Kanalnetz zu speisen. Durch Zuführen von Wasser aus der Lippe – oder durch Zurückpumpen in diese – kann der Wasserstand der Kanäle so reguliert werden, dass dort die Binnenschiffe ungehindert fahren können. Auch zur Kühlung von Kraftwerken wird Lippewasser eingesetzt.

Inzwischen hat sich die klassische Aufgabenteilung der Flüsse im Ruhrgebiet jedoch gewandelt – einhergehend mit dem Wandel der wirtschaftlichen Struktur der Region. Die Nutzung der Flüsse gleicht sich einander wieder an. Schon in der Vergangenheit gab es dabei Überschneidungen, wenn man genau hinsieht. So wurde nicht nur in die Emscher, sondern auch in die Lippe Grubenwasser geleitet und auch über die Ruhr urteilte die „Zeitschrift für Fischerei und deren Hilfswissenschaften“ im Jahre 1912, ihr Wasser sei eine „eine braunschwarze Brühe“ und „absolut tot“. Glücklicherweise verläuft die Angleichung der Flüsse aneinander heute in umgekehrter Richtung – hin zu saubererem Wasser. Auf das Zechenschließen folgte der Wunsch, an den Gewässern einen naturnahen Lebensraum wiederherzustellen. Die „Kloake“ Emscher wird heute im großen Stil ökologisch umgebaut, neue unterirdische Abwasserkanäle und ein zentrales Klärsystem für das Ruhrgebiet sollen helfen, ihr wieder ein natürlicheres Antlitz zu geben, auch wenn der Fluss dabei eingedeicht bleiben wird. Auch die Lippe hat sogenannte naturnahe Uferbereiche zurückbekommen.

Mit der gewünschten Rückkehr der Flüsse zur Natur rückt auch die Erholung an den Gewässern im Ruhrgebiet wieder stärker in den Vordergrund. Das zeigt der Emscher-Radweg entlang des Flussufers ebenso wie die Tatsache, dass an der Ruhr intensiv über das Flussbaden diskutiert wird. Für die Menschen in der Region ist dieser neue Erholungswert eine positive Entwicklung. Ein grundsätzlicher Nutzungskonflikt um die Flüsse bleibt dabei jedoch bestehen. Das zeigt das Beispiel des umstrittenen Vorhabens Lippesee in Hamm. Seine Gegner werfen ihm vor, dass es zugunsten eines Großprojektes für die städtische Erholung die natürlichen Lippeauen zerstören würde. Naturnahe Erholung und natürlicher Lebensraum müssen nicht das Gleiche sein. Die Frage bleibt also bestehen: Inwieweit sollen wir den Flüssen Zwecke zuteilen und sie nach unseren Vorstellungen umgestalten – und inwieweit ihnen ihren Raum lassen?

Eine Straße auf dem Wasser – der Schiffsverkehr auf der Ruhr

Transportschiff
Transportschiff auf dem Rhein-Herne-Kanal
Foto: Arnold Paul

Für die Menschen in ihrem Einzugsgebiet erfüllt die Ruhr jede Menge nützlicher Zwecke. Aus ihrem Filtrat wird Trinkwasser gewonnen, der Fluss dient zur Kühlung in der regionalen Industrieproduktion und von Wassersportlern wird die Ruhr zur Erholung genutzt. Wie bei vielen Flüssen geht aber auch im Falle der Ruhr ihre Bedeutung über die Region hinaus. Ein besonders augenscheinliches Beispiel dafür ist der Transport. Denn ein Fluss ist sozusagen auch ein natürlicher Transportweg.

Das Wort „natürlich“ ist dabei jedoch mit Einschränkungen verbunden. Denn um Flüsse in größerem Umfang schiffbar zu machen, werden oft Eingriffe in ihren Verlauf genommen, die das Ökosystem des Flusses verändern. Auch für Hochwasser können diese Flussumbauten verantwortlich sein. Auf der anderen Seite gilt es als umweltfreundlich, Güter auf dem Wasser zu transportieren – zumindest im Hinblick auf die Klimabilanz im Vergleich zum Transport auf der Straße oder der Schiene. Denn der Schiffsverkehr benötigt viel weniger Energie und führt entsprechend zu einem deutlich geringeren Ausstoß an Kohlendioxid. Also doch lieber die Wasserstraße wählen?

Der Ruhr kommt die Rolle der Wasserstraße jedenfalls bereits seit vielen Jahrhunderten zu, auch wenn sich diese Rolle mit der Zeit stark gewandelt hat. Schon im Jahre 1033 erhielten die Benediktinermönche in Essen-Werden die königliche Erlaubnis, die Ruhr mit dem Schiff zu befahren. Den entscheidenden Schub bekam der Transport auf dem Fluss jedoch erst im 18. Jahrhundert. Ab 1774 wurde die Ruhr auf Veranlassung der preußischen Regierung so ausgebaut, dass sie für den Gütertransport, speziell den Kohlentransport, geeignet war. Denn in seinem natürlichen Zustand war der Fluss für die großen Aaken, wie die Kohleschiffe damals hießen, nur teilweise befahrbar. Darum wurden Buhnen und Schleusen errichtet, um Kohle, Salz und Getreide entsprechend verschiffen zu können. Außerdem war ein sogenannter Treidelpfad am Ufer notwendig. Darauf zogen Pferde die großen, schweren Schiffe an Seilen stromaufwärts. Bis zu 175 Tonnen Ware fanden Platz auf einer Ruhraake, die sich durch ihren geringen Tiefgang auszeichnete und dadurch für den Flusstransport geeignet war.

Mittelfristig sollte die Ruhr nach den ersten größeren Flussausbauten dieser Zeit durch den Kohletransport zu einem der meistbefahrenen Wasserwege Europas werden, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Der Duisburger Hafen wurde dabei zum Umschlagplatz nicht nur für Kohle, sondern ab etwa 1850 auch für großen Mengen an Eisen und Stahl aus dem Ruhrgebiet. Er stellte für diese Exportgüter, die von hier aus ihren Weg über den Rhein und das Meer nahmen, die Verbindung zum Weltmarkt her.

Die Flüsse im Ruhrgebiet reichten als Transportweg für das hohe Güteraufkommen jedoch bald nicht mehr aus. Sie wurden deshalb durch die Eisenbahn sowie durch künstliche Wasserstraßen, deren Wasserpegel sich leichter regulieren ließ, ergänzt – und später durch diese weitgehend ersetzt. So verlor die Ruhr als Transportweg für Kohle und Industriegüter mehr und mehr an Bedeutung und zum Ende des 19. Jahrhunderts kam hier der Schiffsverkehr vollständig zum Erliegen.

In Mülheim an der Ruhr wurde dieser Entwicklung entgegen allerdings ab 1913 der Rhein-Ruhr-Hafen errichtet sowie die Ruhr als Verbindung zum Rhein und dem Duisburger Hafen auf zwölf Kilometern zu einem Schifffahrtskanal ausgebaut, inklusive zweier Schleusen. Nur noch dieser untere, staugeregelte Bereich der Ruhr ist heute wie die Kanäle als Bundeswasserstraße für große Transportschiffe befahrbar. Ähnlich wie ihre Vorgänger zu Beginn der Ruhrschifffahrt verkehren diese Frachter also nur zwischen Mülheim und Duisburg.

Der Oberlauf des Flusses dagegen gibt heute wieder ein natürlicheres Bild ab. Er wird nur noch von Fahrgastschiffen genutzt. Hier und auf den fünf Stauseen der Ruhr sind Personenschiffe wie die der Weißen Flotte unterwegs und befördern Erholung Suchende. Daneben nutzen viele Segel- und Ruderboote den Fluss zu diesem Zweck. Aber große Kohleschiffe sieht man hier nicht mehr fahren. Für die Hoffnung vieler, dass man in der Ruhr bald wieder das Baden erlauben könnte, ist das sicher von Vorteil.

Projektpartner: Institut für Kommunikationswissenschaft – Klare Sicht auf die Ruhr

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

In der Universität Duisburg-Essen blickt Rania Lahdo aus dem Bürofenster. „Das sind ja schöne Aussichten“, sagt sie lächelnd, aber ganz ohne Ironie zu Lisa Debo, die gerade einen Zeitungsartikel über das Badeverbot an der Ruhr studiert. Auch ich schaue vom Bildschirm auf. Tatsächlich ist heute nicht eine Wolke am Himmel auszumachen. Eigentlich ein perfekter Tag, um nach der Arbeit zum Baldeneysee zu fahren.

Was dort beeindruckt ist die freie Sicht. Die Weite, die man in der Stadt so nirgends hat. An wolkenfreien Tagen wie heute genügt es am See, den Blick eine Weile über der ausgedehnten Wasseroberfläche schweifen zu lassen und man sieht auch andere Dinge gleich etwas klarer.

Eine andere Möglichkeit, klare Sicht auf etwas zu bekommen, ist, sich über Einzelheiten zu informieren. Im Projekt Sichere Ruhr hat das Institut für Kommunikationswissenschaft  an der Universität Duisburg-Essen genau diese Aufgabe. Es nimmt sie wahr, indem es offene Fragen rund um das Baden in Fluss und See öffentlich aufgreift – beispielsweise über diese Internetseite, die inhaltlich vom Kommunikationswissenschaftler Pascal Bovée betreut wird. Auch die Pressearbeit und die Organisation von Workshops gehören zu den Aufgaben, des Teams um den verantwortlichen Projektsupervisor, Prof. Dr. Jo Reichertz.

Das Team am Institut für Kommunikationswissenschaft informiert aber nicht nur über mögliche Risiken beim Flussbaden, es berichtet  auch über Inhalte und Forschungsergebnisse  des Projekts Sichere Ruhr, das diese Risiken untersucht. Außerdem forschen die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Rania Lahdo und Lisa Debo auch selbst aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive zu diesem Thema.

Wir wollten wissen, wie gut die Bevölkerung über die aktuelle Badesituation – also das Badeverbot – informiert wird und wie gut sie über die Risiken Bescheid wissen. Deshalb haben wir in den vergangenen zwei Jahren verschiedene Studien durchgeführt. Aktuell untersuchen wir die Berichterstattung zum Ruhrbaden in Print- und Online-Medien“, erklärt Lisa Debo, die politische Kommunikation studiert hat. Ein Ergebnis der Studie verrät sie schon: „In knapp 44% der Artikel steht, das es ein Badeverbot gibt. Aber in etwa der gleichen Anzahl der Artikel über das Ruhrbaden wird die rechtliche Situation überhaupt nicht thematisiert.“ Es sei ihr deshalb wichtig, die bei der Untersuchung entdeckten Informationslücken zu schließen, betont Lisa Debo. Rania Lahdo, die das Essener Projektteam leitet, pflichtet ihr bei. Gemeinsam entwickeln die beiden Wissenschaftlerinnen Strategien für eine Risikokommunikation, die der Bevölkerung im Ruhrgebiet die Gefahren beim Flussbaden  vermitteln soll. Unterstützt werden sie dabei von der Soziologiestudentin Lara Pellner, die als studentische Hilfskraft des Projekts Hintergründe zu anderen Badestellen in Deutschland und der EU recherchiert.

Als Jugendliche war mir nie bewusst, welche Gefahren das Baden in der Ruhr birgt, das ist mir selbst erst durch das Projekt bewusst geworden“, meint Rania Lahdo. „Deshalb finde ich das Projekt auch so wichtig – und dass man die Menschen über die unsichtbaren Gefahren beim Baden aufklärt, nicht nur über die sichtbaren wie den Schiffsverkehr.“ Die Vermittlung der Forschungsergebnisse dazu sei allerdings nicht immer ganz unkompliziert, meint die Kommunikationswissenschaftlerin. Einerseits ist es ihr sehr wichtig, dabei dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung nachzukommen und auch die Fragen der Presse zum Projekt Sichere Ruhr befriedigend zu beantworten. Aber zugleich sei das mit der Herausforderung verbunden, sensible Inhalte mit allen Projektpartnern abzustimmen. „Denn es sind nicht nur sehr viele Partner, die im Projekt mitarbeiten, sie arbeiten auch interdisziplinär zu verschiedenen Gesichtspunkten des Themas, weshalb jeder der Partner andere Aspekte als besonders wichtig ansieht“, erklärt Rania Lahdo. Da sei es bei der öffentlichen Vermittlung der Risiken und Forschungsergebnisse manchmal schwierig allen gerecht zu werden. „Außerdem darf man nichts vorwegnehmen, was noch nicht abschließend untersucht ist“, ergänzt sie.

Die Ruhr einmal als echtes Badegewässer zu sehen, ist für sie eine schöne Vorstellung. „Aus persönlicher Sicht fände ich es toll, wenn man in der Ruhr baden könnte“, meint die junge Doktorandin, „weil ich selbst hierher komme und in Essen lebe. Ich denke, das würde nicht nur einen hohen Freizeitwert bedeuten, sondern wäre auch ein großer Imagegewinn für die Region.“ Aus wissenschaftlicher Perspektive hält sie es aber auch für wichtig, dass die Forschungsergebnisse des Projekts nach dessen Abschluss noch Beachtung finden, „Was nun das konkrete Ergebnis ist, ist zunächst zweitrangig – wenn festgestellt wird, dass man Baden erlauben kann, dann sollte das auch geschehen – wenn am Ende herauskommt, dass Baden in der Ruhr aus hygienischer Sicht nicht möglich ist, dann sollte die Bevölkerung geschützt werden, indem man das Badeverbot strikt durchsetzt.“

Allerdings macht die Teamleiterin keinen Hehl daraus, dass sie bereits seit ihrer Jugend alljährlich im Sommer im Fluss schwimmen geht. „Heute mache ich das allerdings bedachter als früher“, berichtet sie. Auch Lisa Debo hat schon im Ruhrwasser gebadet. „Aber nicht im Fluss selbst, sondern im Kemnader See.“ Dort würde sie das auch gerne wieder machen. „Aber direkt im Fluss hätte ich ein bisschen Angst vor der Strömung.“ Die beiden Wissenschaftlerinnen bemühen sich eben um klare Sicht auf beides: Vorzüge und Risiken des Ruhrbadens.

Energie und Wasser – die World Water Week

Foto: Stockholm International Water Institute.
Foto: Stockholm International Water Institute.

Wasserkraft ist quasi der Klassiker unter den erneuerbaren Energiequellen. Schon seit vielen Jahrhunderten wird sie genutzt, um mechanische Vorrichtungen anzutreiben und Menschen so die Arbeit zu erleichtern. Ein einfaches Beispiel dafür sind Wassermühlen, die von Bächen und Flüssen in Gang gebracht werden. Heute strömt Wasser in Kraftwerken durch Turbinen, die dann wiederum einen Generator antreiben. Fast 20 Prozent des elektrischen Stroms weltweit wird so erzeugt, auch an den Wehren der Ruhr findet die Energiegewinnung mithilfe von Wasserkraft Anwendung. Dabei kann die natürliche Bewegungsenergie des Wassers genutzt werden und das Wasser selbst kehrt durch Verdunstung und Regen immer wieder in den Wasserkreislauf zurück – vom Prinzip her eine ausgesprochen ressourcenschonende Möglichkeit, elektrische Energie zu erzeugen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass bei der World Water Week in diesem Jahr das übergreifende Motto „Energy and Water“ auf dem Plan steht. In der kommenden Woche, vom 31. August bis 5. September, findet das internationale Expertenforum in Stockholm statt und über 200 Organisationen beteiligen sich daran. Dabei geht es allerdings um weit mehr als bloß das Thema Wasserkraft. Denn zwischen den Bereichen Energie und Wasser bestehen eine ganze Reihe von Verbindungen, die für unser Zusammenleben von Bedeutung sind. So benötigen wir etwa Energie, um Pumpen anzutreiben, Trinkwasser aufzubereiten oder schlicht um Wasser zum Kochen zu erhitzen. Andererseits brauchen wir Wasser zur Energiegewinnung auch abseits von Wasserkraft. Nicht nur umstrittene Fördermethoden von Energieträgern wie das Fracking arbeiten mithilfe von Wasser, auch um herkömmliche Kraftwerke zu kühlen wird Wasser in großen Mengen benötigt. Wenn man sich das bewusst macht, ist das offizielle Statement der World Water Week einleuchtend: „Wasser und Energie sind untrennbar miteinander verbunden.“

Der Anspruch des Forums ist dabei, eine umfassende Perspektive darauf zu verschaffen, wie unser Umgang mit Wasser und Energie zugunsten der Gesellschaft wie der Ökosysteme weiterentwickelt werden kann. Dazu passend wird es bei den Workshops, Diskussionen und Vorträgen in Stockholm auch um die Frage gehen, wie sich gemeinsam mit der Klimaveränderung auf unserem Planeten auch der weltweite Wasserkreislauf wandelt. Denn der Ausstoß von Kohlendioxid, der zu großen Teilen auf unseren Energieverbrauch zurückgeht, zeigt deutliche Rückwirkungen auf die Ressource Wasser. Wie Jens Berggren in einem Artikel für die World Water Week bemerkt, ist eine der gefährlichsten Auswirkungen des Klimawandels ein riskanter Anstieg der Schwankungen bei den weltweiten Wasservorkommen. An einigen Orten, an denen Wasser in der Vergangenheit leicht verfügbar war, wird es rar werden, andere vorher trockenere Regionen werden viel Wasser hinzubekommen. Die Wahrscheinlichkeit von starken Niederschlägen und Fluten einerseits und Dürrephasen andererseits nimmt stark zu und stellt uns vor neue Herausforderungen in Bezug auf das Wassermanagement. Und damit ebenso in Bezug auf unsere Energiegewinnung, deren Schicksal eng mit dem Wasser verknüpft ist.

Weitere interessante Perspektiven auf das Thema Wasser und Energie finden sich in dieser Broschüre der World Water Week. Das Programm der Veranstaltung gibt es hier.

Unterwegs mit der Weißen Flotte

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

„Da haben Sie sich aber einen Tag ausgesucht für Ihre Reportage!“, sagt Petra Kaiser und blickt aus dem Bordfenster. „Heute haben wir ja ganz schön Wellen auf dem See – aber ich mag das.“ Sie lächelt und reicht mir eine Tasse Kaffee zum Aufwärmen. Seit 14 Jahren arbeitet die rothaarige Gastronomiekraft auf den Ausflugsschiffen der Weißen Flotte. Immer während der Saison von Mitte April bis Mitte Oktober ist sie auf der Ruhr unterwegs. Und auf dem Baldeneysee, so wie heute. Im Bordbistro bedient Petra Kaiser die Fahrgäste des Schiffes „Stadt Essen“. Die Ausflügler bestellen Kaffee und Pflaumenkuchen, Cola und Bockwürstchen mit Senf. Nur für Eis ist es heute ein bisschen frisch. Oben auf Deck pfeift der Wind.

Außer der freundlichen Bedienung im Bordbistro mögen auch die Windsurfer dieses Wetter. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit schießen sie über den See hinweg. Für den Schiffsführer bedeutet das, dass er noch etwas aufmerksamer sein muss. Gerade betätigt er das Signal, um einen kreuzenden Surfer auf das nahende Schiff aufmerksam zu machen. „Früher fuhren hier auf der Ruhr die Frachtschiffe, da gab es ein bisschen mehr Verkehr“, lacht Tom Czepluch. „Heute gibt es nur noch die Erholung.“ Aber auch die hat es an manchen Tagen in sich. Denn nicht nur auf Windsurfer muss der Schiffsführer achtgeben. Knapp 2.000 Segler sind für den Baldeneysee angemeldet und kaum weniger Ruderer, bei schönem Wetter am Wochenende muss man da umsichtig manövrieren.

Der Kapitän der „Stadt Essen“ fährt seit 2004 für die Weiße Flotte. „Ich habe auf dem Rhein Schifffahrt gelernt“, erzählt er. „Auf den Frachtschiffen, die ich dann begleitet habe, war ich vier Wochen an Bord und dann zwei Wochen zuhause. Da ist mein Job hier beziehungsfreundlicher.“ Im Winter, wenn der Linienverkehr der Weißen Flotte ruht und der Schiffsführer nur ab und an eine Sonderfahrt macht, arbeitet Tom Czepluch in der Instandhaltung der Flotte mit. „Die sind alle in gutem Zustand“, beantwortet er dementsprechend auch die Frage nach den Rettungsringen an Bord.

Die Sicherheit spielt beim Befahren des Sees eine wichtige Rolle – angefangen bei den Sicherheitsvorschriften an Bord bis hin zum felsigen Grund Richtung Werden unterhalb des Stauwehrs. „Da sollte man das Fahrwasser besser nicht verlassen“, sagt Tom Czepluch. Insgesamt herrschten für den Schiffsverkehr auf dem Baldeneysee aber gute Bedingungen, was die Sicherheit angeht, meint er. „Im Gegensatz zum Fluss gibt es hier keine Strömung. Und wenn wirklich mal etwas passieren würde – der See ist nur knapp drei Meter tief. Und außerdem, Sie sehen ja, das Ufer ist nicht weit.“

Ich folge seinem Blick Richtung Ufer, wo die nächsten Fahrgäste auf die Weiße Flotte warten. Kurze Zeit später vertäut Bootsfrau Victoria Kräling das Schiff an der Anlegestelle. Freundlich verabschiedet sie die aussteigenden Gäste und begrüßt die neuen. Es ist nur ein kurzer Stopp, bevor die Fahrt auf dem See weitergeht. Dann schnallt sich die Bootsfrau eine Kasse mit Wechselgeld um und besucht die einzelnen Fahrgäste und Gruppen an Deck, um von Ihnen die Fahrgebühr zu erheben. Über ihnen flattert eine bunte Fähnchengirlande.

Es ist eine echte Erholungsfahrt. Wir schippern mitten im dicht besiedelten Ruhrgebiet umher, aber wenn man sich auf dem Stausee umschaut, sieht man in alle Richtungen Grün. Gegenüber wird zwischen den Bäumen der Förderturm der ehemaligen Zeche Carl Funke sichtbar. Nächster Halt ist der Biker-Treffpunkt Haus Scheppen, an dem sich zur Mittagszeit einige Motorradfahrer versammelt haben. Aber auch die Wasservögel, von denen es auf dem Stausee nicht nur im Vogelschutzgebiet viele gibt, begrüßen hier die Weiße Flotte mit ihrem Geschnatter. Sie lassen sich unten neben dem Anleger auf den Wellen treiben.

Ich frage Tom Czepluch, was er davon hielte, wenn man hier im See wieder schwimmen dürfte. „Es schwimmen auch jetzt schon einige drin“, entgegnet er. „Das stört mich nicht, die wissen, dass hier Schiffe verkehren und bleiben in ihrer Ecke.“ Aber eine allgemeine Badeerlaubnis? „Das wäre für uns Schiffsführer schon ein Problem“, sagt er. Er fragt sich, ob so eine Erlaubnis dann wohl nur im Hellen gelten würde. „Wenn es dunkel ist, sehen wir Schwimmer nämlich nicht.“ Dann deutet er auf das Wasser vor dem Bug. „Schauen Sie sich die Sicht hier oben von der Brücke mal an! Was näher als fünf Meter heranschwimmt, können wir auch im Hellen nicht sehen.“ Für einen Schwimmer seien fünf Meter eine große Distanz, wenn sich ein Schiff nähert. „Aber für uns nicht – wir können dann nicht mehr anhalten.“

Auch wenn man meinen mag, dass ein Schwimmer sich eigentlich nicht so nah an ein Schiff heranwagt, erzählt Tom Czepluch das aus gutem Grund: „Wir kennen das vom Rhein-Herne-Kanal. Da versuchen Jugendliche immer wieder die Schiffe anzuschwimmen. Zum Beispiel als Mutprobe. Dabei besteht die ernsthafte Gefahr, dass jemand in den Sog der Schraube gerät.“

Dennoch hat der Schiffsführer Verständnis für den Wunsch nach einem Badesee. „Die Leute sollen sich ja auch abkühlen können“, meint er. „Wenn es ein abgesteckter Bereich ist, in dem geschwommen wird, zum Beispiel um den Seaside Beach herum, dann ist das auch kein großes Problem für mich.“

Wir reden noch ein wenig über seine Arbeit auf dem See und dann verlasse ich die Brücke wieder. An der ehemaligen Eisenbahnbrücke zwischen Heisingen und Kupferdreh, kurz bevor die Ruhr in den See mündet, hält das Schiff an einem Biergarten, um weitere Fahrgäste aufzunehmen. Auch sie wollen den Stausee vom Wasser aus erkunden. Ich setze mich zu ihnen an Deck, um die restliche Fahrt zu genießen. Auch wenn der frische Wind durch meine Jacke dringt, hier oben ist die Aussicht am besten.

Auf dem Weg zurück zu meinem Ausgangspunkt, dem S-Bahnhof unterhalb der Villa Hügel, passieren wir die Liegestühle am Seaside Beach. Im Moment schwimmt dort noch niemand. Bevor das Schiff wieder zum Regattahaus am S-Bahnhof zurückkehrt, kommen wir an einem Steg vorbei. Von dort winken uns einige Kanufahrer zu, die gerade in ihre Boote steigen. Die Kinder an Bord winken zurück. Die „Stadt Essen“ befördert inzwischen an die 30 Passagiere. Trotz Windes und aufziehender Wolken ist es eine beliebte Tour.

Mehr Informationen zu den Ausflugsfahrten der Weißen Flotte gibt es hier.

17 Tage Kultur am Wasser – das Zeltfestival Ruhr

Foto: Enrico-Kalolczak
Foto: Enrico-Kalolczak
Foto: Enrico-Kalolczak

Bei Camping-Urlaubern sind die Stauseen an der Ruhr im Sommer beliebte Naherholungsgebiete. Auch am Kemnader See in Bochum werden in diesem Monat wieder die Zelte aufgeschlagen. Allerdings sind es keine gewöhnlichen Campingzelte. Schon aus der Entfernung kann man die hohen weißen Spitzen und Fahnen sehen: Das Zeltfestival Ruhr ist wieder zu Gast in Bochum.

Die große Kulturveranstaltung draußen am Wasser ist ganze 17 Tage lang – sie dauert vom 22. August bis 7. September. Dabei wartet sie mit einem Programm auf, das reich an bekannten Namen ist: Mit dabei sind Pop-Größen wie Milow, die Sportfreunde Stiller, Casper, die Simple Minds, Fettes Brot und die Kölner von BAP, die diesmal unplugged spielen wollen.

Neben Musik gehören aber auch Sprachveranstaltungen wie Shows von Comedians oder Autorenlesungen zum umfangreichen Programm des Festivals, darunter die Auftritte von Johann König und Sven Regener. Außerdem ist am Kemnader See ein ausgiebiges Kinderprogramm geplant: Das THEATER auf Tour zeigt Pippi Langstrumpf und auch Aufführungen von Räuber Hotzenplotz sowie dem Sams gibt es in Bochum zu sehen. Welche Überraschungen das Festival noch bereit hält findet sich auf dem komplette Spielplan des Zeltfestivals.

Viele der Veranstaltungen beim Zeltfestival Ruhr (diejenigen auf der Piazza und Piazettabühne) sind schon für drei Euro zu haben, für die Konzerte in den Eventzelten muss man allerdings separate Eintrittskarten kaufen.

Auf dem großen Außengelände des Festivals am See bestehen außerdem jede Menge Speisen- und Getränkeangebote, um sich zwischen den Events zu versorgen.  Daneben bietet sich die Möglichkeit zum Shoppen auf dem „Markt der Möglichkeiten“, wo Kunsthandwerker und Designer ihre Waren verkaufen.

Weitere Infos zum Zeltfestival Ruhr finden sich in den Wasserwelten.

Projektpartner: ISA – Der Spur der Keime folgen

Foto: ISA.
Foto: ISA.

Auf den ersten Blick mag es etwas abwegig erscheinen. Doch ein paar Dinge haben die Projektpartner von Sichere Ruhr an der RWTH Aachen mit Detektiven gemeinsam. Die Verdächtigen, denen die Mitarbeiterinnen des Aachener Instituts für Siedlungswasserwirtschaft (ISA) nachspüren, sind allerdings Keime. Das ISA verfolgt die oft verborgenen Wege, auf denen sie in den Fluss gelangen und geht so der Wasserverunreinigung auf den Grund.

Silke Roder umreißt die Aufgabe des ISA im Projekt natürlich nüchterner als eine Detektivin, wie sie in einem Krimi auftreten würde: „Wir schauen nach, aus welchen Quellen die mikrobiellen Belastungen der Ruhr stammen“, sagt sie. Das mögen nicht unbedingt dubiose Quellen sein wie in der Kriminologie, aber diffuse Quellen sind es doch. Nicht klar einzugrenzen und nur unklar zu bestimmen sind diese Auslöser von Wasserverunreinigungen, denen Silke Roder für Sichere Ruhr nachspürt. Und auch nur mit einer gewissen Hartnäckigkeit lassen sie sich aufdecken. Häufig sind sie in der Landwirtschaft zu finden, zum Beispiel ist der Kot von Tieren eine solche Quelle, aus der Bakterien in die Ruhr gelangen, erklärt die junge Wissenschaftlerin.

Um eine aussagekräftige Bilanz über die diffusen Quellen zu erstellen, greift Bauassesorin Silke Roder auf Daten des Ruhrverbands und der Landwirtschaftskammer zurück, nutzt Bilder von Überfliegungen des Einzugsgebietes der Ruhr und arbeitet mit den Geographen vom IHPH in Bonn zusammen. Die Kollegen aus Bonn helfen ihr, die Puzzleteile zu einer Karte zusammenzusetzen, auf der man schnell sieht, wo möglich Gefahrenquellen für das Ruhrwasser liegen. Alle für die Bilanzierung der diffusen Quellen notwendigen Daten zusammenzutragen, sagt Silke Roder, „ist eine ganz schöne Herausforderung“.

Die Doktorandin und ihre Aachener Kolleginnen sind aber nicht nur den schwer auffindbaren Keimquellen auf der Spur, sondern auch den vergleichsweise offensichtlichen. Zum Beispiel den Kläranlagen. Diese haben sie als Haupteintragspfad für die verfolgten Bakterien ausgemacht – zumindest bei trockenem Wetter. Dabei haben Messungen in Essen und Schwerte geholfen, die Kollegin Kassandra Klaer ausgewertet hat. Die Entsorgungsingenieurin hat auch ein anderes interessantes Zwischenergebnis zu Tage gefördert: Den Zusammenhang zwischen Niederschlag und der Keimbelastung der Ruhr. Wenn es stark geregnet hat, ist letztere nämlich regelmäßig erhöht. Aber nach mehreren trockenen Tagen in Folge sind die Wasserwerte für eine bestimmte Zeit gut – und würden theoretisch das Baden im Fluss gestatten, zumindest aus hygienischer Sicht. Die Untersuchungsdaten für dieses Ergebnis lieferten Kassandra Klaer einerseits die anderen Projektpartner – durch die Wasserproben, die sie an den acht im Projekt untersuchten Stellen der Ruhr genommen und ausgewertet haben. Andererseits griff sie auf ältere Messungen und auf Niederschlagsdaten zurück, die sie damit verglich.
Dabei brauchte sie einiges wissenschaftliches Kombinationsvermögen, denn „man muss versuchen, Ungereimtheiten in den Datensätzen zu erklären“, wie Silke Roder ausführt. „Natürlich machen wir eigene Messungen, aber man ist immer auch zusätzlich auf Literaturdaten angewiesen“, erklärt sie. „Die Literaturrecherche ist ein großer Teil der Arbeit in unserem Projekt gewesen, um die Belastung des Wassers richtig einzustufen.“ Auch das Bild des Privatdetektivs, der ständig bei Nacht und Nebel undercover in Aktion tritt, ist ja meist mehr der Dramaturgie einer Fernsehserie geschuldet. Vermutlich sieht sich der echte Detektiv häufig vor einem Berg schlichter Büroarbeit, muss Unterlagen wälzen, Telefonate führen, recherchieren. Den Kolleginnen vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft geht es in dieser Beziehung ähnlich. Neben den Literaturrecherchen verbringt Silke Roder auch am Telefon und vor ihrem E-Mail-Postfach einen guten Teil ihrer Arbeitszeit für das Projekt Sichere Ruhr. Zum Beispiel stimmt sie mit dem Projektpartner Xylem die Versuche an den Kläranlagen ab. Dabei geht es nicht nur um das Auffinden von Bakterien. Auch wie man sie am wirkungsvollsten bekämpft, möchten die Aachenerinnen herausfinden.

Deshalb testen sie in verschiedenen Kläranlagen an der Ruhr nicht nur die bewährten Methoden der UV-Bestrahlung und Ozonung auf ihre Effektivität hin, sondern nehmen auch ein neues chemisches Verfahren unter die Lupe: An einer Versuchsanlage in Velbert erprobt Katharina Tondera die Wirksamkeit von Perameisensäure zur Verbesserung der Wasserqualität.

Die Arbeit des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft im Projekt ist damit eindeutig auch auf die Zukunft des Flusses ausgerichtet. Denn man möchte am Ende beurteilen: „Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität würden wir ganz konkret für das Projektgebiet vorschlagen und was kosten diese, was würden sie bringen“, so Silke Roder. Einige Tendenzen kristallisieren sich dabei bereits heraus. „Der Ausbau der Kläranlagen gehört zu diesen Maßnahmen, die wir vorschlagen werden“, meint die Ingenieurin. Dabei seien die Anlagen zur UV-Bestrahlung des Wassers technisch einfacher, unanfälliger und kostengünstiger als Anlagen, die mit Ozon arbeiten. Für die Keimbekämpfung, um die es bei Ihren Untersuchungen im Projekt Sichere Ruhr geht, sehen die Aachenerinnen darin deshalb die geeignetere Methode. Aber Silke Roder denkt auch ein wenig darüber hinaus. „Man müsste, wenn man wirklich an die Umsetzung der Projektergebnisse geht, einmal kritisch fragen, ob es wirklich unser einziges Ziel sein sollte, Keime zu eliminieren“, meint sie. Eine Ozonbehandlung kann nämlich über Keime hinaus auch Spurenstoffe aus dem Wasser entfernen. So könnte man zum Beispiel Medikamentenrückstände bekämpfen – eine Wasserbelastung, die im Projekt nicht untersucht wurde.

Für den von Katharina Tondera untersuchten Fall des überlaufenden Mischwassers – dem Eintragspfad der bei Regenwetter den größten Anteil an der Belastung der Ruhr hat – schlagen die Wissenschaftlerrinnen der RWTH Aachen Maßnahmen vor, um schon das Überlaufen des Wassers in den Fluss möglichst zu vermeiden. Hier wären etwa eine Vergrößerung von Überlaufbecken oder eine Kanalnetzsteuerung ein gangbarer Weg, wie Silke Roder meint. Bei der Kanalnetzsteuerung wird versucht, den Stauraum in den vorhandenen Kanalnetzen besser auszunutzen, indem man etwa den Füllstand der Rohre anhebt. „Damit kann bei Niederschlag eine gewisse zusätzliche Menge des Wassers im Untergrund zurückbehalten werden, die dann nicht in die Gewässer abschlägt“, erklärt Silke Roder. Wenn der Regen vorbei ist, kann man dieses Wasser dann zur Behandlung in die Kläranlagen schicken.

Neben der Vermeidung des Wasserüberlaufs wäre es aber auch möglich, das Mischwasser zu behandeln – etwa mit einem Lammellenklärer, einer Art schräg stehendem Kamm, der das Wasser verlangsamt und ermöglicht dass sich Partikel absetzen. So wird auch das trübe Mischwasser etwas klarer. Eine Voraussetzung dafür, dass man es anschließend wirkungsvoll UV-behandeln kann, um die Keime darin zu beseitigen. Die Erfolgsaussichten dieser Methode müsse man aber noch weiter untersuchen, meint Silke Roder.

Dennoch sieht sie ganz konkrete Auswirkungen, die das Projekt Sichere Ruhr für die Region haben könnte, wenn die beschriebenen Maßnahmen ergriffen würden. „Durch eine Mischwasserbehandlung nach Regentagen könnte man erreichen, dass das Wasser an mehr Tagen Badewasserqualität hat“, meint sie. Auch an Trockenwettertagen ließe sich das Flussbaden mit Verfahren wie der UV-Bestrahlung sicherer machen – vor allem in Bezug auf Rotaviren, die zwar in der Badegewässerrichtlinie keine Rolle spielen, aber nach den Untersuchungen von Sichere Ruhr dennoch ein Erkrankungsrisiko in der Ruhr darstellen.

Auf die Frage, ob sie selbst in den Fluss springen würde, lacht Silke Roder und überlegt dann. „Mal die Füße reinhalten“, sagt sie. „Aber ich würde nicht tauchen.“ Eine Wissenschaftlerin verhält sich da vielleicht wie eine Detektivin: Sie stürzt sich nicht gleich selbst ins Geschehen, sondern bleibt vorsichtshalber eine Weile am Rande, um die Lage von neutraler Position aus einzuschätzen.

Professor schwimmt 1.231 Kilometer durch den Fluss – für den Gewässerschutz

 

Foto: Hochschule Furtwangen, Projekt Rheines Wasser.
Foto: Hochschule Furtwangen, Projekt Rheines Wasser.

Wassersport ist im Sommer eine schöne Sache. In vielen Seen und Flüssen kann man rudern, surfen oder schwimmen. Aber gleich 1.231 Kilometer durch einen Fluss schwimmen, von der Quelle bis zur Mündung – warum sollte man sowas Verrücktes machen?

Andreas Fath ist Langstreckenschwimmer. Schon seit er neun Jahre alt ist, springt der mittlerweile 49-jährige mit Vorliebe in Seen und sucht dabei gern die Herausforderung. Den Bodensee hat er deshalb bereits durchquert. Diesmal ist ein Fluss dran. Aber nicht irgendeiner, sondern gleich ein Strom, der von den Schweizer Alpen bis zur niederländischen Nordsee reicht, eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt: der Rhein. Dabei geht es dem Wassersportler Fath allerdings nicht in erster Linie ums Schwimmen.

Denn Andreas Fath ist nicht nur Sportler, er ist auch Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen im Schwarzwald. Als Wissenschaftler interessiert er sich für die Stoffe in den Gewässern, in denen er schwimmt. Denn einige Stoffe finden sich darin, die dort eigentlich nicht sein sollten. Im Rhein etwa Rückstände von Antibiotika, Pestiziden und Düngemitteln, Hormonen (unter anderem von der Anti-Baby-Pille) und sogar von Drogen. „Die Kläranlagen sind nicht in der Lage, all diese Stoffe abzubauen,“ erklärt Andreas Fath.

Vor seiner Hochschultätigkeit hat der Chemiker in der Industrie gearbeitet und Abwasserforschung betrieben. Dabei entwickelte er eine Technik, um bestimmte Schadstoffe zu zersetzen, die bis dahin als nicht zersetzbar galten. „Daran möchte ich weiterforschen“, so der Wissenschaftler. Bloß könne sich seine Hochschule die dafür erforderliche, teure Anlage nicht leisten.

Aus diesem Grund greift Andreas Fath zu außergewöhnlichen Mitteln. Mit seiner Extremsport-Schwimmaktion durch den gesamten Fluss sammelt er Sponsorengelder für das Wasseranalyse-Gerät. Den Rhein schwimmend zu durchqueren – und das wohlgemerkt der Länge nach – ist allerdings keine Aufgabe für untrainierte Schwimmer. Im Schnitt 50 Kilometer am Tag muss Andreas Fath zurücklegen, wenn er wie geplant am 24. August am Ziel in Rotterdam angelangt sein will, wo der Strom am Hoek van Holland in die Nordsee mündet. Deshalb hat sich der Schwimmer ein Jahr lang auf die Mammut-Aufgabe vorbereitet, bevor er am vergangenen Montag endlich in den Rhein sprang. Insgesamt 25 Schwimm-Etappen muss Fath nun bewältigen – und es geht gleich anspruchsvoll los. Denn schon am Vorderrhein in der Schweiz, kurz nach der Quelle des Flusses, kann man in den Rhein nicht so einfach hineinspringen und locker hindurchkraulen. Hier stellt eine Schlucht mit schroffen Felsen eine ernstzunehmende Gefahr dar. Echtes Schwimmen ist deshalb nur schwer möglich – die Etappe wird wohl eher ein Waten mit Schutzhelm durch die schwierigen Strömungen – und das unter Begleitung eines erfahrenen Kajakfahrers, der die Route weist. Interessant für alle Interessierten im Ruhrgebiet wird es besonders bei Etappe 20, die Andreas Fath voraussichtlich am 19. August zurücklegt – hier passiert er in Duisburg die Mündung der Ruhr in den Rhein. Da auf diesem Abschnitt des Flusses viele Frachtschiffe unterwegs sind, von denen der Schwimmer nicht überfahren werden möchte, wird ihn ein Motorboot nach hinten absichern. Enden soll Faths Aktion fünf Tage später bei Rotterdam, wo schließlich der Rhein selbst mündet – in die Nordsee.

Andreas Fath ist aber zu sehr Wissenschaftler, um die 1.231 Rheinkilometer nur mit Schwimmen zu verbringen. Deshalb krault der Chemiker nicht nur durch den Fluss, er untersucht ihn gleichzeitig auch. Begleitet von seinen Studenten nimmt er täglich Wasserproben, deren Ergebnis er nach Ende der Aktion bei einem Wassersymposium vorstellen möchte. Neben den oben genannten Wasserverunreinigungen wie Hormonen oder Antibiotika, stehen dabei auch noch weitere Stoffe auf seiner Untersuchungsliste, etwa kleine Plastikteilchen. „Wir erwarten uns neue wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zur Frage, ob das Problem der Verschmutzung der Ozeane durch Mikroplastik-Abfälle einen Ursprung bereits in unseren Flüssen hat“, erklärt der Professor.

Aber auch, ob sich die Gewässergüte in den letzten Jahren insgesamt positiv entwickelt hat, möchte er herausfinden. Schließlich beziehen allein 22 Millionen Menschen aus dem Rhein ihr Trinkwasser. In diesem Video erklärt Andreas Fath den Hintergrund zu seinem Vorhaben. Es geht ihm auch darum, das Bewusstsein für die Kostbarkeit des Wassers und den Gewässerschutz zu stärken. Wenn ein „verrückter Professor“ durch den Rhein schwimmt, glaubt er, hören die Leute dabei eher hin.

Der Weg des Wassers – das Wasserleitungsnetz

Aquädukt_Pont_du_Gard-foto-Böhringer-Friedrich
Foto: Friedrich Böhringer

So einfach und so alltäglich das Duschwasser sprudelt – es steckt ein ziemlich ausgeklügeltes System dahinter, ein ganzes Netz von Rohren und Leitungen, die das Wasser zu uns bringen und es wieder forttragen, nachdem wir es benutzt haben. Das System muss leistungsfähig sein, besonders in Städten, wo es jeden Tag viele tausend Menschen mit Trinkwasser ver- und ihr schmutziges Abwasser entsorgt.

Schon vor über 3000 Jahren bauten Menschen Leitungssysteme zur Wasserversorgung größerer Siedlungen. Die ältesten Überlieferungen dazu stammen aus der Zeit des ägyptischen Pharaos Ramses II aus dem Jahre 1300 vor Christus. Systeme zum Abführen des Schmutzwassers sind sogar noch 700 Jahre früher aus Pakistan bekannt. Mit der Entstehung von Städten wurde eine gesicherte Wasserver- wie entsorgung für die Menschen dort lebensnotwendig. So sind die Römer bekannt für ihre umfangreichen Leitungsnetze, für die sie zahlreiche Aquädukte bauten, um ihre Städte mit Wasser zu versorgen. In Rom selbst führte die berühmte Cloaca Maxima das benutzte dreckige Wasser wieder ab – für das Leben in einer Großstadt eine existenzielle hygienische Voraussetzung. In den Pest- und Cholera-Epidemien des Mittelalters zeigte sich, was geschehen kann, wenn eine geordnete Abwasserentsorgung nicht stattfindet.

Heute ist das zum Glück Geschichte und die modernen europäischen Städte sind in dieser Hinsicht deutlich besser ausgestattet. Immer noch nutzt man aber wie damals Bäche und Flüsse zur Abwasserentsorgung und in einigen Fällen auch zur Trinkwasserversorgung, so im Fall der Uferfiltration an der Ruhr. Das aufbereitete Trinkwasser passiert auf dem Weg in unsere Wohnungen viele Rohre. Vom Wasserwerk aus gelangt es über eine Hauptwasserleitung, deren Durchmesser über einen Meter betragen kann und die sich schließlich immer weiter verzweigt, in die Stadt. Um in Stoßzeiten – vor allem morgens und abends – genügend Wasser bereitstellen zu können, kommen Zwischenspeicher zum Einsatz. Diese befinden sich sinnvoller Weise an geographisch höher liegenden Punkten, so dass das Wasser mit dem nötigen Druck ins Rohrnetz eintreten kann, um zu seinem Ziel zu gelangen. Zur Überwindung von Höhenunterschieden im Versorgungsgebiet werden aber vielerorts auch Pumpen eingesetzt. Die Leitungen, die uns das Trinkwasser bringen, liegen zum Schutz gegen Frost bis zu anderthalb Meter tief im Boden. Sie werden laufend überwacht und repariert, was hilft den Wasserverlust in Deutschland vergleichsweise gering zu halten – etwa 6,5% des Trinkwassers geht im Rohrleitungsnetz verloren, in Europa der niedrigste Wert. Nach den öffentlichen Leitungen durchströmt das Trinkwasser noch die privaten in unseren Häusern, was aufgrund weniger lückenloser Kontrollen eine Quelle von Verunreinigungen sein kann.

Unabhängig vom Netz der Versorgung mit frischem Wasser findet der umgekehrte Weg statt: die Entsorgung des Schmutzwassers, für die Städte eine Kanalisation besitzen. Das Schmutzwasser beinhaltet die anfallenden Abwässer und Fäkalien aus Bad und Küche und ist mit Keimen belastet, weshalb es in der Kläranlage aufbereitet werden muss, bevor es dem Wasserkreislauf wieder zugeführt werden kann. Es muss dringend zuverlässig und separat vom Trinkwasserkreislauf entsorgt werden, um hygienische Risiken für die Stadt zu vermeiden.

Nicht getrennt wird das Schmutzwasser aber im Entsorgungsnetz häufig vom Regenwasser. Um Überflutungen zu vermeiden, wird auch dieses Wasser aus den Städten abgeleitet. Denn aufgrund der vielen bebauten Flächen in einer Stadt, kann der Regen häufig nicht einfach versickern wie auf dem Land, auch wenn gegenwärtig in der Stadtplanung wieder verstärkt versucht wird, Möglichkeiten für ein ortsnahes Versickern zu schaffen. Werden Schmutz- und Regenwasser in einer Stadt über denselben Kanal entsorgt, spricht man von einem Mischwassersytem. Wo beide auf ihrem eigenen Weg abfließen, liegt ein Trennsystem vor.

Die Abwasserkanäle sind in der Regel nur in Ausnahmefällen wie nach starkem Regen komplett mit Wasser gefüllt und im Vergleich zu Trinkwasserleitungen breiter angelegt. Ein Kanalisationsnetz kann dennoch kaum die gesamte anfallende Menge an Schmutz- und Regenwasser allein ableiten, weshalb auch Entlastungsbauwerke Teil der Wasserentsorgung sind, zum Beispiel Regenüberlaufbecken. Eine umweltschonende Variante der Wasserentsorgung ist die Kanalnetzsteuerung, die beispielsweise in Leipzig zum Einsatz kommt – dabei wird Schmutzwasser in den nur teilweise gefüllten Kanälen zwischengespeichert und erst nach und nach an die Klärwerke abgegeben, die dann seltener überlaufen – eine Entlastung für die natürlichen Fließgewässer.

Doch für eine gute städtische Wasserentsorgung sind noch weitere Hürden zu nehmen: Zum Teil gelangen auch Industrieabwässer in die Kanalisation. Da diese sehr spezielle Verunreinigungen wie Chemikalien oder Salze enthalten können, ist es nötig sie in firmeneigenen Anlagen vorzuklären, bevor sie in öffentliche Systeme geleitet werden dürfen.

Viele Wege durch unterschiedliche Rohre und Bauwerke muss das Wasser also gehen, damit wir uns bedenkenlos nach dem Sport duschen können.

Wassersport auf dem Fluss

Woman_stand_up_paddle_surfing_Foto-Bill-Ebbesen
Foto: Bill Ebbesen

Gutes Wetter, Menschen unter freiem Himmel und ein blaues Gewässer – das ruft nach Freizeit und Sport. Rechtzeitig zum Sommer wollen wir uns anschauen, welche Sportarten auf der Ruhr und ihren Stauseen möglich sind.

Der Klassiker unter den Flusssportarten ist das Rudern. Dafür gibt es an der Ruhr zahlreiche Vereine. Der bei Wassersportlern beliebte Baldeneysee in Essen, einer der Stauseen des Flusses, ist seit einigen Jahren sogar „Bundesnachwuchs-Leistungszentrum Rudern“. Hier am See findet zudem im Zweijahresrhythmus die Hügel-Regatta statt, die größte internationale Ruderveranstaltung in Europa. Ganze 1900 Ruderer sind um den Baldeneyee in Vereinen organisiert.

Im Gegensatz zu den Ruderern, die mit dem Rücken zur Fahrrichtung unterwegs sind, sitzen Kanuten vorwärts im Boot. Alljährlich begehen sie an der Ruhr gemeinsam das Anpaddeln. Ein „idealer Wanderfluss“ sei die Ruhr, meint die Bundesvereinigung Kanutouristik. Kanuten können dort weitgehend frei von Motorbooten die Landschaft, Tierwelt und Industriekultur beobachten, während sie paddelnd den Fluss entlang „wandern“. Für Bootswanderer (und Ruderboote allgemein) ist die Ruhr ab Schwerte bis zur Rheinmündung bei Duisburg auf 102 Kilometern befahrbar. Allerdings begegnen ihnen dabei auch zahlreiche Wehre, die zwar auf Bootsrutschen zu umfahren sind – aber Tagesetappen von mehr als 35 Kilometern sind dabei nicht zu empfehlen. Weitere Tipps zur Ruhr bekommen Bootswanderer hier.

Ebenfalls im Paddelboot ausgetragene Ruhr-Sportarten sind das Drachenbootrennen und das Kanupolo das fünf gegen fünf gespielt wird. Die Spieler sitzen dabei in wendigen Einerkajaks. Statt Ruder oder Paddel kann man aber auch den Wind nutzen, um sich auf dem Fluss oder See fortzubewegen, wie es die Segler tun. Segeln ist eines der ältesten Wassersportarten und ebenfalls mit vielen Vereinen an der Ruhr vertreten. In Essen, heißt es, würden sogar mehr Kinder an diesen Sport herangeführt als in der „Sailing City“ Kiel.

Aber nicht nur im Boot, sondern auch auf dem Surfbrett kann man im Ruhrgebiet Wassersport betreiben. Sei es als Windsurfer oder beim Stand Up Paddling, bei dem man sich auf dem Brett stehend mit dem Stechpaddel fortbewegt. Auf Hawaii, wo das Surfen erfunden wurde, war dieser Sport dem König und einigen Auserwählten vorbehalten.

Doch das Stand Up Paddling ist nicht die einzige Sportart, die auf einem Fluss wie der Ruhr kurios erscheinen mag. Sogar Taucher sind bisweilen dort unterwegs.

Ungewöhnliche Sportarten gehören also durchaus zum Repertoire der Ruhr. Nicht vertreten ist am Fluss und seinen Stauseen dagegen eine ganz klassische Gruppe von Wassersportlern: die Schwimmer. Im Unterschied zu Ruderern, Seglern oder Surfern bewegen sie sich nicht nur auf, sondern im Wasser. Nach aktueller Rechtslage dürfen sie deshalb in der Ruhr ihr Freizeitvergnügen nicht ausüben. Welche Herausforderungen das Schwimmen im Fluss aus hygienischer Sicht mit sich bringt, verdeutlichen die Zwischenergebnisse des Projekts Sichere Ruhr.

Wie aus Ruhrwasser Trinkwasser wird – die Trinkwasseraufbereitung

Foto: Frank Vincentz.
Foto: Frank Vincentz.

Damit wir Wasser aus der Leitung im Alltag verwenden können, muss es zuvor für den menschlichen Gebrauch aufbereitet werden. Schließlich soll es bedenkenlos getrunken werden können.

Diese Trinkwasseraufbereitung ist ein komplizierter Vorgang, den wir einmal genauer unter die Lupe nehmen wollen. Wie schwierig es ist, Trinkwasser zu gewinnen, hängt natürlich zuerst von der Qualität des Rohwassers ab, das man dafür heranzieht. Im Ruhrgebiet ist es meist das Wasser aus dem Fluss, also aus der Ruhr, das dafür verwendet wird. So wird etwa in Essen das Uferfiltrat des Flusses zur Trinkwassergewinnung genutzt. Die Ruhr gilt zwar heute wieder als sauberer Fluss, aber um den strengen deutschen Vorgaben an Trinkwasser zu genügen, sind einige Arbeitsschritte notwendig, bis aus dem Ruhrwasser schließlich Trinkwasser werden kann.

Grundsätzlich gilt dabei, dass mit dem Verlauf des Flusses von seiner Quelle bis zur Mündung durch den menschlichen Einfluss auch die Gewässerbelastung zunimmt – und somit auch der Aufwand für die Aufbereitung des Wassers. Rein natürliche oder naturnahe Aufbereitungsmethoden reichen bei stärkerer Belastung nicht mehr aus, sondern müssen durch komplexere Verfahren und Verfahrenskombinationen ergänzt werden.

Dabei kommen physikalische, chemische und biologische Wirkungsmechanismen zum Einsatz. Im Wesentlichen kann man die Behandlung des Wassers dabei in zwei Teile gliedern: Die Entfernung von Stoffen, die im Trinkwasser unerwünscht sind – beispielsweise durch eine Enteisenung oder Entsalzung des Wassers. Und die Ergänzung von Stoffen, die im Trinkwasser vorkommen sollen beziehungsweise die „Einstellung“ des Wassers auf die gewünschten Eigenschaften für Trinkwasser – hierunter fällt etwa eine gezielte Veränderung des pH-Wertes.

In Deutschland muss zunächst das Umweltbundesamt die verschiedenen Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren genehmigen, bevor eine Trinkwassergewinnung erfolgen kann. Typische solche Verfahren sind die Wasseraufbereitung durch Zufuhr von Luft (unter anderem zum Austreiben von Kohlendioxid aus dem Wasser und zur chemischen Aufbereitung von unerwünschtem Eisen) sowie das Durchlaufen verschiedener Filter. Dazu gehört in der Regel die sogenannte Juraperle, ein kalziumkarbonhaltiges Filtermaterial, das die vorher aufbereiteten Eisenflocken herausfiltern und den Härtegrad des Wassers beeinflussen kann. Bei stärkerer Belastung des Wassers kann ein Aktivkohlefilter hinzukommen, der hilft Schwermetalle und giftige Chemikalien zu entfernen. Eine gut veranschaulichte Darstellung dieser Verfahren bietet das virtuelle Wasserwerk, das die Trinkwasseraufbereitung in Form einer interaktiven Grafik erklärt.

An der Ruhr werden verschiedene Ressourcen für das Trinkwasser herangezogen – je nach Einzelfall gehören Grundwasser, Uferfiltrat des Flusses und Regenwasser dazu. Da die natürliche Selbsterneuerung dieses Wassers jedoch heute durch die Verschmutzung von Luft und Böden empfindlich gestört ist, sind teilweise aufwendige Verfahrensschritte notwendig, um Trinkwasser daraus zu gewinnen.

Hauptsächlich geschieht die Aufbereitung an der Ruhr durch die Methode der sogenannten Grundwasseranreicherung. Dabei wird das Oberflächenwasser direkt aus dem Fluss entnommen und in Versickerungsbecken geleitet, wo sich unerwünschte Stoffe absetzen sollen. Zum Einsatz kommt dann nach einer Belüftung die Langsamsandfiltration des Wassers. Die Langsamsandfilter halten Verunreinigungen an der Oberfläche zurück oder bauen sie in mikrobiologischen Reaktionen ab. Häufig genügt dies jedoch noch nicht, um die gesetzlichen Anforderungen an Trinkwasser zu erreichen, die vorschreiben, dass es kühl, klar, geruchslos, geschmacksneutral und frei von Schadstoffen sein muss. Um das zu erreichen, sind dann Verfahrenskombinationen nötig, bei denen weitere Aufbereitungsmethoden zum Einsatz kommen, beispielsweise eine Ozonbehandlung zur Beseitigung von Keimen oder die Zugabe einer Lösung zur Algenbekämpfung.

Wie komplex die Wasseraufbereitung so letztlich werden kann, zeigt diese Broschüre für das Beispiel der Stadt Essen. Damit der Aufwand bei der Aufbereitung nicht zu groß wird, macht es Sinn Schadstoffeinträge in das Wasser möglichst schon im Voraus zu vermeiden. Ein Punkt an dem jeder mithelfen kann, damit wir sauberes Wasser zum Trinken haben.

Projektpartner: IHPH – Mit Landkarte und Leuchtmittel gegen Parasiten

27_Reportage_Bonn
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr.

In einem kleinen Häuschen im Grünen steht Stephan Luther und pinnt eine Karte an die Wand. „Ich hab da so einen Tick, wahrscheinlich von Berufs wegen – immer wenn es irgendwo eine Karte gibt, dann muss ich die mitnehmen.“ Diese hier kennt der Geograph an der Universität Bonn allerdings sehr gut. Es ist die Badegewässerkarte für Nordrhein-Westfalen.

Stephan Luther arbeitet für das Projekt Sichere Ruhr. Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit IHPH, an dem er zusammen mit fünf anderen Wissenschaftlern für das Projekt forscht, liegt umgeben von Bäumen auf dem Venusberg oberhalb der Bonner Innenstadt. Stephan Luthers Büro ist im ehemaligen Wohnhäuschen des Institutsgründers untergebracht. Im Garten vor seinem großen Fenster sieht man ein Eichhörnchen von Ast zu Ast springen, von der Mensa nebenan kann man das Stadtzentrum überblicken. Ein schöner Arbeitsplatz für einen Geographen. Aber was macht ein Geograph überhaupt an einem Institut für Hygiene?

„Wir sind medizinische Geographen“, meint Luthers Kollege Christian Timm. Am Computer öffnet er noch eine zweite Karte, um zu erklären, was das bedeutet. Es ist eine grafische Darstellung der Ruhr. Christian Timm legt nach und nach weitere Ebenen mit Informationen über die Landschaft. „Hier sieht man jetzt die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die an den Fluss angrenzen.“ Für einen medizinischen Geographen ist daran interessant: Man sieht auf den ersten Blick, von wo aus Düngemittel in den Fluss gelangen könnten – eine mögliche Quelle für Verunreinigungen des Ruhrwassers, die Christian Timm so einfach anhand seiner Karte eingrenzen kann. Dieselbe Ansicht mit den Agrarflächen kann ihm auch einen ersten Hinweis zum Auffinden der Krankheitserreger aus der Tierzucht geben, die im Fluss landen. Und um zu schauen, an welchen Stellen Schadstoffe aus der Industrie der Ruhr Probleme bereiten könnten, ergänzt Christian Timm die Karte einfach um die Darstellung der Industriegebiete.

Karten sind aber nicht die einzigen Hilfsmittel, mit denen Christian Timm und Stephan Luther arbeiten. Denn von ihren Kollegen im Projekt Sichere Ruhr – etwa an den Instituten in Mülheim und Bochum werden die Bonner Geographen mit Daten aus Untersuchungen des Ruhrwassers versorgt. Auch im Bonner Projektteam, das der Mediziner und Geograph Professor Thomas Kistemann leitet, sind ihre Kollegen damit beschäftigt Wasserproben auszuwerten. Biologin Uta Gayer, die biologisch-technische Assistentin Regina Brang-Lamprecht und der Bonner Laborleiter Christoph Koch analysieren das Wasser aus der Ruhr auf seinen Gehalt an Parasiten und Coliphagen hin. Dafür bedarf es guter Vorbereitung und zahlreicher Arbeitsschritte: das Ausspülen der Probenfilter, Konzentrieren der Probe durch Zentrifugation, Isolierung der Parasiten und Einfärben der gesuchten Bestandteile in den Proben mit fluoreszierenden Farbstoffen. Für Uta Gayer sind es so etwa sechs Stunden Vorarbeit, bis sie das kleine Tröpfchen unter dem Mikroskop hat, das sie gerade untersucht. Sie sucht darin nach Giardien und Cryptosporidien, Parasiten, die beim Menschen Durchfallerkrankungen auslösen können. Deren Strukturen sind allerdings nur schwer eindeutig zu erkennen. Hierfür ist ein geschultes Auge nötig. Um die Giardien aufzuspüren, verbringt Uta Gayer viele Stunden im abgedunkelten Labor. Das einzige, was dann leuchtet, sind die Membranen der eingefärbten Parasiten unter dem Mikroskop.

Ähnlich umfassend wie die Biologin – als Aufgabe von A bis Z – betrachten auch Christian Timm und Stepahn Luther ihre Arbeit im Projekt Sichere Ruhr. Die Geographen hoffen, dass ihre Forschungsergebnisse aus drei Jahren Projektarbeit auch danach noch Wirkung entfalten werden – am besten auf die praktische Ausgestaltung von Bademöglichkeiten genauso wie auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Flussbaden. „Schön wäre es, wenn man das Flussbaden dann rechtlich mal genauer fassen könnte“, meint Christian Timm. „Weil die Voraussetzungen bei einem Fluss eben andere sind als bei einem See oder Meer, sollte man auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen daran anpassen und einen rechtlich einwandfreien Raum zum Baden ermöglichen. Zum Beispiel so, dass auch ein temporäres Badeverbot möglich würde, das dann nicht gleich bedeutet, dass man ein Gewässer ganz von der Liste der Badegewässer streicht.“ Der Geograph spielt damit auf ein wichtiges Zwischenergebnis des Forschungsprojektes an: Dass es immer wieder Phasen gibt, in denen die Qualität des Ruhrwassers nicht zum Baden ausreicht – insbesondere nach Starkregen im Sommer – und andere Perioden, in denen das Baden aus hygienischer Sicht durchaus möglich wäre, weil die Wasserqualität des Flusses dann gut ist.

Auch Stephan Luther ist wichtig, dass man Konsequenzen aus den wissenschaftlichen Analysen zieht. „Dass man schaut: Was kann man tun, um die Wasserqualität zu verbessern, was, um die Sicherheit beim Baden zu gewährleisten – und dann eine konsequente Problembekämpfung unternimmt.“ Dafür haben sich die Bonner bemüht, ihre Arbeit für das Projekt gleich zu Beginn auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen. Sie haben eine Datenbank erstellt, die es ermöglicht, wissenschaftliche Artikel zum Thema gesundheitliche Gefährdungen beim Flussbaden zu finden – „als Grundstein für das Projekt und am besten auch darüber hinaus“, sagt Stephan Luther. „Wir haben dafür 40.000 Artikel gesammelt“, berichtet der Geograph, „sie sortiert, herausgefiltert, was mit Oberflächengewässern zu tun hat und gemeinsam mit den Projektpartnern geschaut, was für das Flussbaden relevant ist – jeder Partner mit seiner Expertise.“ Darüber hinaus haben die Bonner Experteninterviews geführt, um die unterschiedlichen Perspektiven derjenigen zu ergründen, die über das Baden in der Ruhr mitentscheiden – Interviews mit Vertretern aus Behörden wie dem Umweltbundesamt, aus der Politik, der Wirtschaft und Umweltverbänden. Diese Befragungen ergänzen sich aber erst mit der Bevölkerungsumfrage, die das IWW in Mülheim im Rahmen des Projekts durchgeführt hat zu einem umfassenden Meinungsbild. Christian Timm betont deshalb, dass man immer auch die Einbindung der Bevölkerung im Auge haben und diese über die Forschungsergebnisse informieren müsse.

Im Moment arbeiten er und Stephan Luther an der Risikobewertung des Ruhrbadens. Dabei haben sie, auf Basis der Messungen aus dem Projekt, eine Erkrankungswahrscheinlichkeit für Badende errechnet – für jeden Tag der Badesaison, die in Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai bis 15. September dauert. Mithilfe des so genannten DALY-Maßes (Disease Adjusted Life Years) wollen die Forscher es erleichtern zu beurteilen, wie hoch das Risiko des Badens im Fluss ist und wie erfolgreich verschiedene Gegenmaßnahmen es verringern können. Die Weltgesundheitsorganisation verwendet so ein DALY-Maß etwa für die Einschätzung von Trinkwasser. Aber Stephan Luther zufolge ist es auch für Badegewässer zu gebrauchen: „Wir nutzen das DALY-Maß, um die Auswirkungen einer Erkrankung, die durch das Ruhrbaden entsteht, in Zahlen fassen zu können“, erklärt er. Christian Timm ergänzt: „Man kann so die Gefahr des Schwimmens in einem Fluss mit anderen Gefahren vergleichen – zum Beispiel mit Autounfällen.“

Würde er denn selbst hineinspringen in die Ruhr, nachdem er diese Vergleichswerte kennt? „Ja, klar“, sagt der 41-jährige Vater. „Ich weiß aber nicht, ob ich auch mit meinen Kindern dort am Strand planschen würde.“ Auch Stephan Luther würde in der Ruhr baden gehen, obwohl er eigentlich das Meer vorzieht. „Aber ich würde es jetzt überlegter tun als vor dem Projekt“, ergänzt er. „Zum Beispiel würde ich vorher kurz nachdenken – hat es eigentlich in den letzten drei Tagen geregnet?“ Als Wissenschaftler betrachten die beiden es eben gerne differenziert.