
Auf einem Fluss kann man wunderbar reisen, wenn man eine Region und ihre Landschaft kennenlernen möchte. Aber zugleich ist er auch ein Hindernis, wenn man quer zu seiner Fließrichtung unterwegs ist. Er stellt dann für Reise und Transport eine natürliche Barriere dar, über die man erst seinen Weg finden muss, wenn man ihn überqueren möchte. Seit jeher bauen Menschen zu diesem Zweck Brücken. So auch an der Ruhr: 160 Brücken überqueren den Fluss zwischen seiner Quelle im Sauerland und seiner Mündung in Duisburg-Ruhrort. Einige der wichtigsten und interessantesten dieser Bauwerke stellen wir hier vor, indem wir uns auf eine Flussreise begeben – in der Bilderstrecke unten sind die verschiedenen Stationen zu sehen.
Bei unserer Reise entlang der Ruhrbrücken bewegen wir uns auf dem Fluss von seiner Quelle bis zur Mündung. Die erste Brücke über die Ruhr, die uns dabei begegnet, ist nur sehr klein, denn auch die Ruhr ist hier noch nicht der breite Fluss, der dem dicht besiedelten Industriegebiet seinen Namen gibt. 120 Meter nordöstlich seiner Quelle, mitten im sauerländischen Wald, überspannt eine schmale Fußgängerbrücke mit einfachem Holzgeländer den Fluss. Der sogenannte Ruhrsteg ist eine schlichte Überführung auf dem Rothaarsteig.
Weiter flussabwärts und schon an einigen Brücken vorbeigekommen, aber immer noch im Sauerland, befinden wir uns an der Kettenbrücke Schloss Laer, die deshalb von Bedeutung ist, weil sie die einzige noch erhaltene Brücke ihrer Art in Europa darstellt. Das Kulturdenkmal ist ebenfalls eine Fußgängerüberquerung, die allerdings nicht mehr begehbar ist. Es wurde 1839 im Auftrag des Grafen von Westfalen nach abgewandelten Plänen von Johann August Röbling errichtet, dem Architekten, der später die berühmte Brooklyn Bridge in New York baute.
Im Sauerland überqueren noch zahlreiche weitere Brücken die Ruhr, allein in der Bezirkshauptstadt Arnsberg sind es mehr als ein Dutzend. Wir fahren aber weiter flussabwärts, vorbei auch an der Eisenbahnbrücke in Hagen, wo unterhalb der Hohensyburg malerisch die Lenne in die Ruhr mündet. Inzwischen im Ruhrgebiet angelangt, treffen wir erneut auf eine Eisenbahnbrücke: Das Ruhrviadukt Witten. Mit 20 Bögen überspannt es den Fluss auf einer Länge von mehr als 700 Metern und ist Teil der Route der Industriekultur, die es nicht zu unrecht als „Viadukt wie aus dem Bilderbuch“ bezeichnet. Typisch für eine solche Wegführung, wie sie schon die Römer bauten (Viadukt von lateinisch „via“ für Weg und ducere für „führen“), leitet die mit Natursteinen verkleidete Brücke den Verkehr auf seinen Pfeilern und Bögen steigungsarm über ein Tal.
Vorbei am Kemnader See und weiteren Ruhrbrücken in Bochum und Hattingen stoßen wir später auf eine Brücke ganz anderer Bauart, die ebenfalls Teil der Route der Industriekultur ist: die Schwimmbrücke Dahlhausen. Im Volksmund hieß sie früher auch Fünfpfennigsbrücke, denn diese Gebühr musste man auf der Altendorfer Seite im Kassenhäuschen entrichten, wenn man hinüber wollte. Wie schon die Bezeichnung Schwimmbrücke sagt, ruht die Dahlhausener Brücke auf Pontons, also Schwimmkörpern, die ihr ermöglichen die Höhenlage mit dem Wasser zu verändern. Außerdem kann ihr südlicher Teil mithilfe von Seilwinden geschwenkt werden, so dass der Fluss für Schiffe passierbar bleibt, die die nahe Schleuse anlaufen wollen.
Besondere Bedeutung für die Schifffahrt auf der Ruhr hatte früher auch einmal eine andere Schleuse, weiter den Fluss hinab im Essener Stadtteil Werden. Es ist die heute denkmalgeschützte Schleuse Neukirchen, an der sich ebenfalls eine historische Brücke über den Fluss befindet. Hier unterhalb des Baldeneysees und nordöstlich der Brehminsel wurde ab 1777 auf Drängen König Friedrichs des Zweiten von Preußen mit Neukirchen eine von insgesamt 16 Schleusen errichtet, um den Fluss auf diesem Abschnitt für den Kohletransport schiffbar zu machen. Die Ruhr wurde so einige Jahrzehnte später zum meist befahrenen Fluss Europas, bis die Ruhraaken, die die Kohle transportierten, durch den Eisenbahnbau an Bedeutung verloren. In dem sehenswerten Gebäude „Weiße Mühle“, das an dieser Brücke liegt, ist heute ein Teil der Folkwang Universität der Künste untergebracht.
Nachdem wir Essen und seine zahlreichen Ruhrbrücken wieder verlassen haben, gelangen wir im Mülheimer Süden an eine Brücke von ganz anderem Ausmaß. Die Mintarder Brücke ist Deutschlands längste stählerne Straßenbrücke. 1830 Meter Länge misst sie und spannt sich in weitem Bogen über das Ruhrtal. Auf einer Fahrbahnhöhe von bis zu 65 Metern über dem Fluss verkehren hier die Autos und Lkws, denn die Autobahn A 52 führt über die Mintarder Brücke. Leider ist das Bauwerk zugleich auch so etwas wie die Brücke der Unglücke. Nicht nur verloren mehrere Arbeiter bei Bau- und Instandsetzungsarbeiten an der Mintarder Brücke ihr Leben oder verletzten sich schwer. Auch viele Selbstmörder suchten hier den Freitod und sprangen von ihr hinab, bis in den 80er Jahren die Brückengeländer durch einen mehrere Meter hohen Zaun ersetzt wurden.
Weniger tragisch, aber ebenfalls eine mehrspurige Straßenbrücke ist die Aakerfährbrücke in Duisburg. Der Berliner Architekt Bruno Möhring benannte sie nach der Fähre, die wenige Meter flussabwärts ab dem Jahr 1359 über den Fluss fuhr. Die bunte Aakerfährbrücke gehört zu einer interessanten Gruppe von Brücken in der Brückenlandschaft Ruhraue, wo der Fluss aus dem Mittelgebirge tritt und man die Brückenbaukunst von 140 Jahren besichtigen kann.
Noch weiter flussabwärts folgt eine weitere Autobahnbrücke. Sie ist etwas Besonderes, weil sie aus sieben Teilbrücken besteht. Die dadurch sehr lange Berliner Brücke trägt ihren Namen, seit sie 1963 vom damaligen Berliner Bürgermeister Willy Brandt als Teil der Nord-Süd-Straße (heute A 59) eingeweiht wurde. Wir passieren sie ebenfalls, um zu unserer letzten Station zu gelangen, der Karl-Lehr-Brücke. Sie liegt bei Flusskilometer 1.934 und kurz bevor die Ruhr in den Rhein mündet, bildet sie den Abschluss der Brücken über den Fluss. Wie viele andere Ruhrbrücken wurde sie als strategisch wichtige Flussquerung im Krieg zerstört und später wieder aufgebaut. Skurril ist allerdings, wie das geschah: Um die Brücke wieder aufzubauen, kamen Teilstücke der ebenfalls zerstörten Hohenzollernbrücke aus Köln zum Einsatz. Auch die Karl-Lehr-Brücke selbst besaß jedoch noch ein brauchbares Teilstück – das transportierte man allerdings nach Münster, wo es heute unter dem Namen Prinzbrücke den Dortmund-Ems-Kanal überspannt.
Hier in Duisburg an der Mündung der Ruhr endet mit dem Fluss auch die Flussreise entlang seiner Brücken, auf der wir viele weitere interessante Bauwerke auslassen mussten. Wer nun neugierig geworden ist, kann in Christoph Schmitz Buch „Die Ruhrbrücken“ weitere Hintergründe zum Thema erfahren.