
Das Ruhrgebiet ist bekannt als eine der ehemals größten Industrieregionen Europas. Der Grund für den Boom der Region als industrielle Hochburg liegt tief verborgen unter der Erde: Kohle, der Brennstoff der Industrie. So wurde in der Region lange Zeit Kohle gefördert, Koks erzeugt und Stahl gegossen. Doch das Kohlevorkommen allein ist kein Garant für das industrielle Wachstum einer Region. Wo Brennstoff ist muss auch ein Löschmittel sein. Damit ist Wasser eine ebenso unverzichtbare Voraussetzung für die Produktion von Waren. In erster Linie löscht das Wasser allerdings nicht Brennstoffe sondern den allgemeinen Durst der Industrie, und der ist groß. Durch das Ruhrgebiet fließt mit der Ruhr eine Quelle, die den Durst der Industrie mit ihrem Wasservorrat stillen kann. In dem Fluss liegt damit ein zweiter Schlüssel für das damals starke Wachstum der Industrie im Westen Deutschlands. Aber warum ist der Durst der Industrie so groß und welche Auswirkung hat das auf die Flüsse?
Von dem Süßwasser, das uns weltweit zur Verfügung steht, werden bis zu 20 Prozent für die Produktion verschiedenster Güter genutzt. Nach Angaben der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz toppt Deutschland diesen Durchschnittswert sogar. Hier ist es rund ein Drittel des Süßwassers, das auf Produktionsprozesse entfällt. Dabei verbraucht die chemischen Industrie mit der Hälfte des Wassers, das in der gesamten deutschen Industrie genutzt wird, den Löwenanteil. Doch auch die Metall- und die Papierindustrie benötigen viel Wasser für die Produktion ihrer Güter. Für die Herstellung von einer einzigen Tonne Stahl werden zum Beispiel ganze 200.000 Liter Wasser benötigt. In einer Tonne Papier steckt sogar die doppelte Menge Wasser. Doch den Preis für den höchsten Wasserverbrauch pro Tonne gewinnt Plastik: Für diesen Produktionsprozess wird sage und schreibe eine halbe Million Liter des kostbaren Guts benötigt.
Das Wasser wird in den industriellen Prozessen auf vielfältige Art eingesetzt. Natürlich dient es als Rohstoff, der in die Produkte mit einfließt. Es wird aber auch in verschiedenen Bereichen der vielen Produktionsschritte eingesetzt, etwa als Kühlwasser, oder als sogenanntes Kesselwasser, um Dampfturbinen zu betreiben.
Diese großen Mengen an Wasser werden zum großen Teil aus Oberflächengewässern in der Nähe der Industriestandorte gewonnen – also aus Seen oder Flüssen. So auch aus der Ruhr. Natürliche Gewässer verfügen allerdings nicht immer über die gleiche Menge an Wasser, sie unterliegen natürlichen Schwankungen. Vor allem in sehr heißen und trockenen Sommern kann daher der Wasserstand eines Flusses in großen Industrieregionen nicht ausreichend sein, um den Bedarf zu decken. Damit im Ruhrgebiet im heißen Sommer die Industrieanlagen jedoch nicht still stehen, werden Schwankungen des Wasserstandes in der Ruhr mit Hilfe von Talsperren ausgeglichen. So kann zum einen die Versorgung der Industrie mit ausreichend Wasser sichergestellt werden, zum anderen wird so aber auch die Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung gewährleistet. Insgesamt gibt es im Versorgungsgebiet des Ruhrverbandes, der die Ruhr bewirtschaftet, acht solcher Talsperren. Diese betreibt der Verband gemeinsam mit allen Unternehmen, die im Jahr mehr als 30.000 Kubikmeter Wasser aus der Ruhr entnehmen. So kann der Durst der Industrie im Ruhrgebiet täglich gestillt werden.
Der hohe Wasserverbrauch, der für die Herstellung der vielen Güter anfällt, ist allerdings nicht der einzige Wehmutstropfen unseres täglichen Konsums. Eine weitere Schwierigkeit, die sich aus dem hohen Wasserverbrauch der Industrie ergibt, ist das viele Abwasser, das bei der Produktion entsteht. Das Wasser, das in den Herstellungsprozess einfließt und nicht direkt in den Gütern verarbeitet wird, muss schließlich irgendwo bleiben. Das Problem ist dabei, dass das Abwasser meist mit vielen Stoffen wie zum Beispiel Schwermetallen, Ölen oder Säuren belastet ist. Es kann also nicht einfach wieder in die Flüsse zurückgeleitet werden, sondern muss zunächst vorbehandelt werden. In der Vorbehandlung müssen die verschiedenen Schadstoffe wieder aus dem Wasser herausgefiltert werden, bevor es dann in die öffentlichen Kläranlagen zurückgeführt wird. Diese Kläranlagen übernehmen dann den restlichen Reinigungsprozess des Wassers.
Um den Industriefluss Ruhr sauber zu halten, unterhält der Ruhrverband fast hundert Kläranlagen. Außerdem gibt es an der Ruhr fünf Stauseen, die den Fluss durch Sedimentierung auf natürliche Art reinigen. Der Baldeneysee hält beispielsweise mehrere zehntausend Tonnen verunreinigten Schlamm pro Jahr zurück. So konnte erreicht werden, dass die Ruhr, trotz ihrer turbulenten Vergangenheit, heute auf dem größten Teil ihrer Strecke nur noch mäßig belastet ist.
Ganz schön viel, was wir der Ruhr schon alles zugemutet haben. Aber Verbrauch und Verunreinigung von Wasser sind nun mal unvermeidliche Nebenwirkungen von Industrieproduktion. Oder lässt sich Industrie auch wasserfreundlich denken? Zumindest ein paar Ansätze gibt es schon: So wird in vielen Produktionskreisläufen das Wasser mehrmals hintereinander benutzt. Das spart nicht nur Wasser, sondern senkt auch die Wasserkosten für die Unternehmen. Auch werden heutzutage zum Beispiel Verunreinigungen wie Metalle so aus dem Wasser herausgefiltert, dass sie als Wertstoffe zurückgewonnen und recycelt werden können. An neuen Verfahren zum Schutz der Gewässer wird stetig weiter geforscht. Vielleicht sind wir eines Tages so weit, dass die industrielle Produktion von Konsumgütern nicht mehr zu Lasten der Gewässer geht?