Ein Kontinent aus Müll

Foto: Horia Varlan
Foto: Horia Varlan

Die Erde hat fünf Kontinente, so lernt es jedes Kind im Erdkunde-Unterricht. Aus geografischer Sicht hat sich daran nichts geändert – sieht man einmal von Modellen ab, die Eurasien oder die Antarktis als Kontinente betrachten. Mit Blick durch die Umwelt-Brille hat sich im Laufe der Zeit allerding ein sechster Kontinent hinzu gesellt. Im pazifischen Ozean liegt er, dieser sechste Kontinent. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von Plastik-Abfällen die ein größeres Ausmaß hat als Indien: Fast 3,4 Millionen Quadratkilometer umfasst der bislang nahezu unerforschte Kontinent. Die riesige Insel aus Abfällen bildet sich an einem Punkt zwischen Kalifornien und Hawaii, an dem zwei Meeresströmungen aufeinandertreffen und dadurch einen immensen Wirbel erzeugen. Dieser sorgt dafür, dass der teils giftige Müll sich im Meer sammelt und die Dimensionen jeder Müllhalde übertrifft. Weitere Kontinente könnten in den kommenden Jahren folgen, denn es gibt bereits fünf solcher Müllberge in den Strudeln der Weltmeere.

140 Millionen Tonnen Abfall treiben laut dem deutschen Umweltbundesamt in den Meeren – und jedes Jahr kommen 6,4 Tonnen dazu. Doch woher kommt der ganze Müll? Experten gehen davon aus, dass etwas 20 Prozent von Schiffen stammen. Die restlichen 80 Prozent werden von den Küsten ins Wasser geschwemmt. Dabei sind nicht immer Umweltsünder verantwortlich für die Vermüllung. Häufig werden Abfälle von Mülldeponien und Stränden durch den Wind in die Meere getragen. Auch Sturmfluten und Hochwasser treiben Schadstoffe häufig ins Gewässer. Besonders problematisch sind heutzutage die vielen Plastiktüten, die täglich über die Ladentheken gehen. Auch winzige Plastikkügelchen, wie sie zum Beispiel für Peelings und Duschgels verwendet werden, sind ein Problem, denn diese Bestandteile sind so klein, dass sie selbst von Kläranlagen nicht aus dem Wasser gefiltert werden können.

Eine besonders kritische Belastung stellt hierbei der Plastikmüll dar – Denn Plastik überlebt jeden von uns. Im Durchschnitt benötigt der vollständige Zersetzungsprozess des Kunststoffes etwa 500 Jahre. Erschwerend kommt hinzu, dass das Allheilmittel der Industrie viele Giftstoffe wie Weichmacher enthält. Diese Schadstoffe werden bei ihrer Reise durch die Meere freigesetzt und gelangen in den Wasserkreislauf. Dies bleibt auch für den Menschen nicht ohne Folgen. Denn die Schadstoffe aus dem Ozean nimmt der Mensch mit jedem Genuss von Fisch zu sich.

Neben dem Menschen leidet auch die aquatische Tier- und Pflanzenwelt unter den Plastikbergen im Meer: Die Tiere sind im Wasser nicht in der Lage, den Müll zu erkennen, verfangen sich darin und ziehen sich häufig teils tödliche Verletzungen zu. Außerdem verwechseln viele Fischarten zerkleinerte Bestandteile des Mülls oft mit ihrem Nahrungsmittel Plankton. Das unverdauliche Plastik ist nicht selten der Grund dafür, dass die Lebewesen mit einem plastikgefüllten Magen verhungern.

Verschiedene Initiativen reagieren bereits auf diese Missstände. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) startet nun beispielsweise den Aufruf „Meere ohne Plastik“. Das Ziel: Schon bald sollen die Müllberge in den europäischen Meeren um die Hälfte verringert sein. Ein ähnliches Projekt wurde bereits im Jahr 2012 unter dem Titel „Fishing for Litter“ initiiert. Damals war das Ziel, Häfen und Fischer an Ost- und Nordsee auf das vorhandene Problem aufmerksam zu machen und außerdem Entsorgungskapazitäten für den Müll im Gewässer bereitzustellen. Die Fischer, die mit vielen Fängen ohnehin Müll aus dem Meer fischen, können diesen nun in bereitgestellten Industriesäcken an Bord sammeln, statt ihn wieder im Meer zu entsorgen. 70 Fischer konnten schon für das Projekt zugunsten der Umwelt gewonnen werden, weitere sollen stetig mit ins Boot geholt werden. Sollte dies gelingen, wäre man in der Lage, mit einem flächendeckenden „Fishing for Litter“-System etwa zehn Prozent der jährlichen Einträge der Verschmutzung auch wieder herauszufiltern. Dies wäre ein großer Schritt in Richtung Reinigung der Meere.

Doch es reicht nicht, sich langfristig auf gemeinnützige Initiativen zu verlassen. Den akuten Handlungsbedarf hat auch die Politik bereits erkannt. Ein erster Ansatz ist, das massive Aufkommen von Plastiktüten zu verringern. Die Grünen schlagen beispielsweise vor, eine Stückgebühr von 22 Cent einzuführen, die dann in Umweltprojekte fließen sollen. Dass diese Rechnung aufgeht, zeigt sich in Irland, wo dieses Modell bereits praktiziert wird – Der Verbrauch der umweltschädlichen Tüten hat sich durch die Gebühr um 90 Prozent verringert. Noch drastischer wird es in Teilen Afrikas und Asiens gehandhabt: Hier ist der Gebrauch von Plastiktüten teilweise ganz verboten.

Das hätte nicht nur positive Folgen für die Umwelt, sondern auch für den Menschen. Denn eine Reihe der chemischen Bestandteile in Plastikabfällen kann das Erbgut verändern und so Krebserkrankungen begünstigen. Wie letztlich die langfristigen Auswirkungen auf das Ökosystem Ozean und die Gesundheit des Menschen sein wird, wird jedoch erst die Zeit zeigen. Jetzt heißt es erst einmal: schnell Handeln! Doch welcher Weg ist der beste – Und welchen Beitrag ist jeder von uns tatsächlich bereit, zu leisten?

Schreibe einen Kommentar