
Ein Schiffssignal dröhnt. Zwei Radfahrer fahren erschöpft, aber sichtlich zufrieden eine schmale grüne Landzunge entlang. Gleich haben sie es geschafft, das Ende ihres Weges und damit auch das Ende der Ruhr sind in Sicht – sie fahren die letzten Meter des insgesamt 230 Kilometer langen Ruhrtalradwegs. Als sie absteigen, stehen die Radfahrer vor einer gigantischen, 25 Meter hohen Stele aus Stahl, die orange leuchtet. Rechts und links bewegt sich das Wasser zweier großer Flüsse aufeinander zu. Ein beeindruckender Ort. Hier mündet die Ruhr in den Rhein.
Nüchtern betrachtet bezeichnet das Wort Mündung die Zuflussstelle eines Fließgewässers in ein anderes Gewässer, in einen Fluss, einen See oder ein Meer. Damit ist eine Mündung in erster Linie eins: das Ende eines Flusses. Denn er fließt, sobald er in ein anderes Gewässer mündet, zumindest nicht mehr unter seinem ursprünglichen Namen weiter, er wird Teil eines größeren Gewässers, in das er übergeht. Die Ruhr fließt an ihrer Mündung in Duisburg-Ruhrort in den Rhein. Und der mündet viele Kilometer später schließlich in der Nordsee.
Doch bevor das Ruhrwasser an ihrer Mündung in den Rhein fließt, legt sie einen 219 Kilometer weiten Weg zurück. Sie entspringt an einer kleinen Quelle im Sauerland und entwickelt sich von einem unscheinbaren Rinnsal zu einem breiten Strom. Auf seiner Reise schlängelt sich der Fluss durch sanfte Berge, dichte Wälder und zahlreiche Dörfer. Er passiert Städte, Stauseen und wird von beinahe 160 Brücken überquert. Er fließt vorbei an unzähligen Industrieanlagen und an den Großstädten Hagen, Dortmund, Bochum, Essen, Mülheim und Oberhausen, bis er seine letzte Station Duisburg erreicht.
Die Skulptur „Rheinorange“ markiert symbolisch die Flussmündung der Ruhr in den Rhein und ist Teil der Route der Industriekultur. Der beeindruckende Monolith aus Metall ist Kunstwerk und Landmarke zugleich. Die Skulptur wurde im Jahr 1992 von Bildhauer Lutz Frisch geschaffen und beeindruckt nicht zuletzt durch ihre Ausmaße: 25 Meter Höhe, sieben Meter Breite mit einem Gewicht von 83 Tonnen. Das Kunstwerk symbolisiert eine heiße Stahlbramme und deutet damit auf die wirtschaftliche Bedeutung der Ruhr und des Duisburger Hafens hin – insbesondere für den im Ruhrgebiet hergestellten Stahl stellt der Transport über das Wasser einen bedeutenden Weg dar. Doch die Skulptur ist nicht nur Sinnbild für die Industrie. Sie wird auch interpretiert als Gruß an die benachbarten Niederlande und das Königshaus „Oranje“, in deren Richtung die Bramme ausgerichtet ist. Neben dem Ende des Flusses markiert „Rheinorange“ sinnbildlich auch das Ende der Industrieregion Ruhrgebiet. Den Ort, an dem Kohle und Stahl die Region aus der sie stammen verlassen, um über das Wasser ihren Weg in alle Welt anzutreten.
An der Ruhrmündung gibt es neben tosenden Wassermassen und der leuchtenden „Rheinorange“ allerdings noch viel mehr zu entdecken, wie dieses Video zeigt, schließlich liegt sie mittendrin im größten Binnenhafen Europas. Hier ziehen große Frachtschiffe vorüber und hohe Industrieschlote qualmen um die Wette, etwa das Gaskraftwerk Hermann Wenzel, das Gase aus der Stahlproduktion verbrennt. Auch an der Friedrich-Ebert-Brücke, die sich mit ihren stadttorähnlichen Brückentürmen über den Rhein erhebt, und der Duisburger Schifferbörse, an der früher die Binnenschiffer ihre Frachtgeschäfte abwickelten, warten geduldig auf Besucher.
Längst hat sich dieser Ort zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt. Bei gutem Wetter vertreiben sich Ausflügler die Zeit auf der grünen Landzunge. Die Schifferbörse beherbergt heute nicht nur den Sitz von Speditionen und Schifffahrtsfirmen, sondern auch ein Restaurant. Außerdem ist dort auch der Anleger der Ausflugsschiffe der weißen Flotte Duisburg zu finden.
Die Mündung der Ruhr ist jedoch ein Ort, der nicht nur Radfahrer und Ausflügler anzieht – er wirkt auch inspirierend auf Künstler. Neben dem Bildhauer Lutz Frisch inspirierte sie beispielsweise auch den Künstler Frank Niehusmann zu einer Audioinstallation im Rahmen seiner Serie „Urbane Klanglandschaften“. So ist die Ruhrmündung wesentlich mehr als nur die Zuflussstelle eines Fließgewässers in ein anderes Gewässer. Sie ist ein Ort der Kunst, der Kultur, der Industrie, der Inspiration – manche sagen auch: ein magischer Ort.