
Jeder kennt das: Beim Spaziergang im idyllischen Grünen stört irgendwie der Müll, den jemand auf dem Boden verteilt hat, weil ihm der nächste Mülleimer anscheinend zu weit weg war. Aber wo heute noch sorglos weggeworfene Flaschen und Tüten das Naturbild trüben, werden solche Verpackungen in Zukunft einfach in ihre natürlichen Bestandteile zerfallen. Das ist jedenfalls die Vision des sogenannten Bioplastiks. Aber ist das auch wirklich so einfach?
Anders als herkömmliches Plastik, das biologisch kaum abbaubar ist und aus Erdöl hergestellt wird, verwendet man für die Produktion sogenannter Biokunststoffe pflanzliche, also nachwachsende Rohstoffe. Das ist möglich, weil der wichtigste chemische Grundstoff bei der Plastikherstellung nicht das Erdöl selbst ist, sondern der darin enthaltene Kohlenstoff. Und den kann man auch aus Pflanzen wie etwa Mais oder Kartoffeln gewinnen. Durch den Einsatz von Bakterien und eine chemische Weiterverarbeitung lassen sich aus den Ackerfrüchten Kunststoffe herstellen, die ähnliche oder sogar dieselben Eigenschaften haben wie das allgegenwärtige Plastik, das aus Erdöl erzeugt wird.
Letzteres benötigt oftmals mehrere hundert Jahre, bis es verrottet, was für die Wälder und besonders die Seen und Meere, in denen es sich ansammelt, immer mehr zum Problem wird. Unter den Bioplastiksorten gibt es neben ähnlich dauerhaften Kunststoffen dagegen solche, die biologisch abbaubar sind, etwa das auf Milchsäure basierende Polyactid, das kompostiert werden kann. Allerdings gilt diese umweltfreundliche Eigenschaft des Bioplastiks bisher oft nur in der Theorie. Weil auch das Bioplastik immer noch einige Zeit länger zum Verrotten benötigt als gewöhnlicher Kompost und damit nicht in den Arbeitszyklus der deutschen Kompostieranlagen hineinpasst, wird es von den Anlagebetreibern oft gar nicht zur Entsorgung angenommen. Die organischen Kunststoffe ähneln dem Erdölplastik aber wiederum nicht genug, um im gelben Sack oder der gelben Tonne richtig aufgehoben zu sein, so dass Bioplastik momentan noch in den Restmüll gehört und dann in der Regel verbrannt wird anstatt zu verrotten. Hier fehlt es schlicht noch an einer sinnvollen Integration des Stoffes in das gegenwärtige Entsorgungssystem, auch weil die hergestellten Mengen an Bioplastikverpackungen bisher nur einen geringen Teil aller Kunsttoffverpackungen ausmachen.
Eine Studie des Umweltbundesamts kam zu dem Schluss, dass Bioplastik in der jetzigen Form noch nicht als umweltfreundlicher angesehen werden kann als herkömmliches Plastik. Zwar sei es weniger klimaschädlich und theoretisch leichter abbaubar, aber durch die landwirtschaftliche Erzeugung der benötigten Mengen pflanzlicher Rohstoffe käme es zu einer verstärkten Belastung von Böden und Gewässern durch Düngemittel. Außer dem Recycling müsse deshalb auch die Herstellung von Kunststoffen wie Bio-Polyethylen, die unter anderem aus Zuckerrohr hergestellt werden, noch weiter verbessert werden, damit sie herkömmlichem Plastik überlegen seien. Eine Möglichkeit dafür könnte sein, dass in Zukunft Pflanzenreste wie etwa Schalen, die bisher nicht verwertet werden, zur Kunststoffproduktion genutzt werden. An solchen Produktionsverfahren wird bereits geforscht, bis dahin sieht das Umweltbundesamt aber in Bioplastik keine überlegene Alternative.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht in einer Stellungnahme sogar soweit, grundsätzlich von Bioplastik als Verpackungsmaterial abzuraten. „Biologisch abbaubare Kunststoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, sind ein Irrweg“, heißt es dort. Sie förderten „aufgrund der Vorstellung, man könne Plastik einfach wegwerfen, weil es ja doch verrotten würde, die Wegwerfkultur“.
Der Verein Plasticontrol weist ebenfalls kritisch auf die angesprochenen Mängel des Bioplastiks hin, spricht sich aber dennoch für den Einsatz des Materials anstelle von herkömmlichem Plastik aus. Der Grund: Die immense Verschmutzung der Weltmeere mit Kunststoffen aller Art, die in den Ozeanen ganze Inseln aus Plastik entstehen lässt. Dass sie immer weiter anwachsen, glaubt Plasticontrol, könnte durch den Einsatz organischer, abbaubarer Verpackungsmaterialien in Grenzen gehalten werden. Ähnlich argumentiert die Unternehmerin Ute Zimmermann, die sich mit der Firma NaKu der Herstellung sogenannter Naturkunststoffe verschrieben hat: „Wenn unsere Flasche im Meer landet, ist sie wenigstens nach 15 Jahren verrottet.“ Also einige hundert Jahre schneller als übliche Kunststoffe auf Erdölbasis.
Optimal klingt das immer noch nicht, denn viele Fische und andere Meeresbewohner würden auch in diesem Fall an den Kunststoffen zugrunde gehen. Übrig bleibt eine inzwischen beinahe altmodisch wirkende Möglichkeit, Plastikmüll zu vermeiden: Mehrwegbehälter. Nur wenn Plastik gar nicht erst tonnenweise ins Wasser gelangt, bleiben die Meere wirklich frei von Kunststoff. So raten auch Umweltverbände zu Netzen und Stofftaschen anstelle von Plastiktüten sowie zu Glasflaschen anstelle von PET-Flaschen. Allerdings sind Flaschen aus Plastik auch um einiges leichter – und angenehmer zu tragen als ihre Alternative aus Glas. Sind wir deshalb inzwischen vielleicht schon zu bequem geworden für die gute, alte Glasflasche?