Der Weg des Wassers – das Wasserleitungsnetz

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Foto: Friedrich Böhringer

So einfach und so alltäglich das Duschwasser sprudelt – es steckt ein ziemlich ausgeklügeltes System dahinter, ein ganzes Netz von Rohren und Leitungen, die das Wasser zu uns bringen und es wieder forttragen, nachdem wir es benutzt haben. Das System muss leistungsfähig sein, besonders in Städten, wo es jeden Tag viele tausend Menschen mit Trinkwasser ver- und ihr schmutziges Abwasser entsorgt.

Schon vor über 3000 Jahren bauten Menschen Leitungssysteme zur Wasserversorgung größerer Siedlungen. Die ältesten Überlieferungen dazu stammen aus der Zeit des ägyptischen Pharaos Ramses II aus dem Jahre 1300 vor Christus. Systeme zum Abführen des Schmutzwassers sind sogar noch 700 Jahre früher aus Pakistan bekannt. Mit der Entstehung von Städten wurde eine gesicherte Wasserver- wie entsorgung für die Menschen dort lebensnotwendig. So sind die Römer bekannt für ihre umfangreichen Leitungsnetze, für die sie zahlreiche Aquädukte bauten, um ihre Städte mit Wasser zu versorgen. In Rom selbst führte die berühmte Cloaca Maxima das benutzte dreckige Wasser wieder ab – für das Leben in einer Großstadt eine existenzielle hygienische Voraussetzung. In den Pest- und Cholera-Epidemien des Mittelalters zeigte sich, was geschehen kann, wenn eine geordnete Abwasserentsorgung nicht stattfindet.

Heute ist das zum Glück Geschichte und die modernen europäischen Städte sind in dieser Hinsicht deutlich besser ausgestattet. Immer noch nutzt man aber wie damals Bäche und Flüsse zur Abwasserentsorgung und in einigen Fällen auch zur Trinkwasserversorgung, so im Fall der Uferfiltration an der Ruhr. Das aufbereitete Trinkwasser passiert auf dem Weg in unsere Wohnungen viele Rohre. Vom Wasserwerk aus gelangt es über eine Hauptwasserleitung, deren Durchmesser über einen Meter betragen kann und die sich schließlich immer weiter verzweigt, in die Stadt. Um in Stoßzeiten – vor allem morgens und abends – genügend Wasser bereitstellen zu können, kommen Zwischenspeicher zum Einsatz. Diese befinden sich sinnvoller Weise an geographisch höher liegenden Punkten, so dass das Wasser mit dem nötigen Druck ins Rohrnetz eintreten kann, um zu seinem Ziel zu gelangen. Zur Überwindung von Höhenunterschieden im Versorgungsgebiet werden aber vielerorts auch Pumpen eingesetzt. Die Leitungen, die uns das Trinkwasser bringen, liegen zum Schutz gegen Frost bis zu anderthalb Meter tief im Boden. Sie werden laufend überwacht und repariert, was hilft den Wasserverlust in Deutschland vergleichsweise gering zu halten – etwa 6,5% des Trinkwassers geht im Rohrleitungsnetz verloren, in Europa der niedrigste Wert. Nach den öffentlichen Leitungen durchströmt das Trinkwasser noch die privaten in unseren Häusern, was aufgrund weniger lückenloser Kontrollen eine Quelle von Verunreinigungen sein kann.

Unabhängig vom Netz der Versorgung mit frischem Wasser findet der umgekehrte Weg statt: die Entsorgung des Schmutzwassers, für die Städte eine Kanalisation besitzen. Das Schmutzwasser beinhaltet die anfallenden Abwässer und Fäkalien aus Bad und Küche und ist mit Keimen belastet, weshalb es in der Kläranlage aufbereitet werden muss, bevor es dem Wasserkreislauf wieder zugeführt werden kann. Es muss dringend zuverlässig und separat vom Trinkwasserkreislauf entsorgt werden, um hygienische Risiken für die Stadt zu vermeiden.

Nicht getrennt wird das Schmutzwasser aber im Entsorgungsnetz häufig vom Regenwasser. Um Überflutungen zu vermeiden, wird auch dieses Wasser aus den Städten abgeleitet. Denn aufgrund der vielen bebauten Flächen in einer Stadt, kann der Regen häufig nicht einfach versickern wie auf dem Land, auch wenn gegenwärtig in der Stadtplanung wieder verstärkt versucht wird, Möglichkeiten für ein ortsnahes Versickern zu schaffen. Werden Schmutz- und Regenwasser in einer Stadt über denselben Kanal entsorgt, spricht man von einem Mischwassersytem. Wo beide auf ihrem eigenen Weg abfließen, liegt ein Trennsystem vor.

Die Abwasserkanäle sind in der Regel nur in Ausnahmefällen wie nach starkem Regen komplett mit Wasser gefüllt und im Vergleich zu Trinkwasserleitungen breiter angelegt. Ein Kanalisationsnetz kann dennoch kaum die gesamte anfallende Menge an Schmutz- und Regenwasser allein ableiten, weshalb auch Entlastungsbauwerke Teil der Wasserentsorgung sind, zum Beispiel Regenüberlaufbecken. Eine umweltschonende Variante der Wasserentsorgung ist die Kanalnetzsteuerung, die beispielsweise in Leipzig zum Einsatz kommt – dabei wird Schmutzwasser in den nur teilweise gefüllten Kanälen zwischengespeichert und erst nach und nach an die Klärwerke abgegeben, die dann seltener überlaufen – eine Entlastung für die natürlichen Fließgewässer.

Doch für eine gute städtische Wasserentsorgung sind noch weitere Hürden zu nehmen: Zum Teil gelangen auch Industrieabwässer in die Kanalisation. Da diese sehr spezielle Verunreinigungen wie Chemikalien oder Salze enthalten können, ist es nötig sie in firmeneigenen Anlagen vorzuklären, bevor sie in öffentliche Systeme geleitet werden dürfen.

Viele Wege durch unterschiedliche Rohre und Bauwerke muss das Wasser also gehen, damit wir uns bedenkenlos nach dem Sport duschen können.

Projektpartner: Xylem – Bei Regen auf Bakterienfang

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Foto: Julia Eifert, Xylem Water Solutions.

Das gute Wetter vom Wochenende hält an. Jens Gebhardt schaut aus dem Fenster und runzelt die Stirn. Ein paar vereinzelte Wolken sind zu sehen, aber so richtig regnen will es auch an diesem Montag nicht. Anders als die meisten Menschen würde der 28-jährige sich das heute wünschen. Zumindest beruflich.

Der Ingenieur für Wasser- und Abwassertechnik untersucht für das Projekt Sichere Ruhr eine Kläranlage. Genauer gesagt: Er untersucht das Wasser, das aus ihrem Regenüberlaufbecken austritt, auf gesundheitsschädliche Mikroorganismen. Er will wissen, wie groß die Menge an Bakterien ist, die bei schlechtem Wetter durch Überlaufen des Beckens unbehandelt in den Fluss gelangt. Wenn es aber nicht regnet, dann läuft das Becken der Kläranlage Essen-Süd gar nicht über und Jens Gebhardt kann auch nichts messen. „Im letzten Jahr hat es überhaupt nicht genug geregnet für die Messung“, meint der Abwasserexperte. „Deshalb mussten wir ein künstliches Regenereignis simulieren und das Wasser selbst aufstauen.“

Was Jens Gebhardt bei der Untersuchung besonders interessiert, ist, welchen Unterschied die neuen Geräte zur Bakterienbekämpfung machen, die an der Kläranlage testweise installiert sind. Dabei geht es um die Anlagen zur sogenannten Ozonierung sowie zur UV-Bestrahlung des Wassers. Bei der Ozonierung wird Luft beziehungsweise Sauerstoff genutzt, um den unerwünschten Mikroorganismen im Wasser zu Leibe zu rücken. Mithilfe von Elektroden wird aus dem Sauerstoff Ozon erzeugt, das dann mit den organischen und anorganischen Verbindungen im Wasser reagiert und es so schließlich von Bakterien und Schadstoffen befreit. Die UV-Bestrahlung arbeitet dagegen mit Licht, dem ultravioletten Licht einer bestimmten Wellenlänge, das die Erbsubstanz der Bakterien angreift. Die Kleinstorganismen werden von UV-Lampen bestrahlt, bis sie nicht mehr fähig sind sich zu vermehren. „Wir überprüfen das Wasser im Zulauf zur UV-Anlage und schauen, wie viele Mikroorganismen sich darin befinden. Danach messen wir ihre Anzahl noch ein zweites Mal im Ablauf der UV-Anlage“, erläutert Jens Gebhardt. So kann er feststellen, welchen Erfolg die Methode bei der Bakterienbekämpfung hat.

Die an der Kläranlage eingesetzten technischen Vorrichtungen zur Ozonierung und UV-Bestrahlung stammen von der Xylem Water Solutions Deutschland GmbH. In der Firma, die Produkte für die Förderung und Behandlung von Wasser und Abwasser unter den Markennamen WEDECO herstellt und als Projektpartner am Projekt Sichere Ruhr beteiligt ist, arbeitet der junge Ingenieur, seit er dort 2011 seine Masterarbeit geschrieben hat. Neben Jens Gebhardt sind bei Xylem auch noch Diplom-Biologe Jürgen Vogt als Fachmann für die UV-Auswertung sowie Diplom-Ingenieur Arne Wieland mit dem Projekt Sichere Ruhr betraut. Ihre Aufgabe ist neben der Wasserprobenahme und -bewertung auch eine Kostendarstellung. „Wir berechnen für die beiden verschiedenen Techniken Ozonierung und UV-Bestrahlung, was es kosten würde, die Kläranlagen in der Region Essen damit auszustatten“, beschreibt der Xylem-Mitarbeiter ihre Aufgabe im Projekt. „Wir beurteilen, welche der beiden Methoden für den Fall der einzelnen Kläranlagen sinnvoller ist, um die Abtötung der Viren und Bakterien zu erreichen und schauen dabei auch, welches jeweils die kostengünstigere Lösung ist.“

Jens Gebhardt wünscht sich am Ende seiner Kosten-Nutzen-Prognosen und Wasseranalysen so eindeutige Ergebnisse zu haben, dass er eine klare Empfehlung an die Stadt Essen abgeben kann, denn: „Es wäre sicher eine positive Entwicklung für Essen, wenn man den Baldeneysee zum Schwimmen freigeben könnte. Als Freizeitaktivität könnte er dann noch stärker genutzt werden und das wäre bestimmt gut für die Region“, meint der Ostwestfale, der zuhause selbst meist im Frei- oder Hallendbad schwimmt. „Seen oder Flüsse zum Schwimmen gibt es bei uns in Ostwestfalen leider nicht so viele.“ Den hohen Wert einer natürlichen Badeumgebung weiß Jens Gebhardt deshalb zu schätzen. Als Umweltingenieur kennt er aber auch die Schwierigkeiten, die damit verbunden sein können und meint: „Ich kenne die aktuellen Wasserwerte von Ruhr und Baldeneysee nicht genau. Aber unter den jetzigen Bedingungen – da sie nicht als Badegewässer freigegeben sind – würde ich selbst lieber nicht reinspringen.“

Vielleicht können Techniken wie Ozonierung oder UV-Bestrahlung in Zukunft dazu beitragen, die Wasserwerte der Ruhr zu verbessern, auch nach Regenwetter, das sich immer wieder negativ auf die Wasserqualität auswirkt. Deshalb nimmt Jens Gebhardt weiterhin sorgfältig Wasserproben an der Kläranlage. Heute hat er dazu Praktikantin Julia Eifert mit nach Essen genommen, denn für die Probenahme müssen die Xylem-Mitarbeiter immer zu zweit sein. Im weiteren Verlauf der Untersuchung sind dann noch eine ganze Reihe anderer Leute beteiligt, darunter Wissenschaftler vom IWW in Mülheim und der RWTH Aachen. Dass die Wasseruntersuchung in ihren verschiedenen Arbeitsschritten eine Reihe von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Städten involviert, die sich koordinieren müssen, macht es nicht leichter, schnell auf einen Regenfall zu reagieren. „Die Labore müssen zum Beispiel zum passenden Zeitpunkt frei und besetzt sein, wenn wir eine Wasserprobe nehmen, weil dort die Proben aufbereitet werden“, erklärt Jens Gebhardt. Denn das Essener Überlaufwasser muss zeitnah analysiert werden, damit die Ergebnisse aussagekräftig sind. „Wenn es zum Beispiel am Freitagnachmittag regnet und wir danach hier an der Kläranlage Proben ziehen, wird es natürlich schwierig, denn dann sind die Labormitarbeiter schon bald im Wochenende.“ Gebhardt muss lachen: „Deshalb ist es für uns wünschenswert, dass es in der Nacht von Sonntag auf Montag regnet.“ Dass die Natur bei der Untersuchung mitspielt, ist für ihn daher eigentlich die größte Herausforderung bei seiner Arbeit im Projekt Sichere Ruhr.