Eine Straße auf dem Wasser – der Schiffsverkehr auf der Ruhr

Transportschiff
Transportschiff auf dem Rhein-Herne-Kanal
Foto: Arnold Paul

Für die Menschen in ihrem Einzugsgebiet erfüllt die Ruhr jede Menge nützlicher Zwecke. Aus ihrem Filtrat wird Trinkwasser gewonnen, der Fluss dient zur Kühlung in der regionalen Industrieproduktion und von Wassersportlern wird die Ruhr zur Erholung genutzt. Wie bei vielen Flüssen geht aber auch im Falle der Ruhr ihre Bedeutung über die Region hinaus. Ein besonders augenscheinliches Beispiel dafür ist der Transport. Denn ein Fluss ist sozusagen auch ein natürlicher Transportweg.

Das Wort „natürlich“ ist dabei jedoch mit Einschränkungen verbunden. Denn um Flüsse in größerem Umfang schiffbar zu machen, werden oft Eingriffe in ihren Verlauf genommen, die das Ökosystem des Flusses verändern. Auch für Hochwasser können diese Flussumbauten verantwortlich sein. Auf der anderen Seite gilt es als umweltfreundlich, Güter auf dem Wasser zu transportieren – zumindest im Hinblick auf die Klimabilanz im Vergleich zum Transport auf der Straße oder der Schiene. Denn der Schiffsverkehr benötigt viel weniger Energie und führt entsprechend zu einem deutlich geringeren Ausstoß an Kohlendioxid. Also doch lieber die Wasserstraße wählen?

Der Ruhr kommt die Rolle der Wasserstraße jedenfalls bereits seit vielen Jahrhunderten zu, auch wenn sich diese Rolle mit der Zeit stark gewandelt hat. Schon im Jahre 1033 erhielten die Benediktinermönche in Essen-Werden die königliche Erlaubnis, die Ruhr mit dem Schiff zu befahren. Den entscheidenden Schub bekam der Transport auf dem Fluss jedoch erst im 18. Jahrhundert. Ab 1774 wurde die Ruhr auf Veranlassung der preußischen Regierung so ausgebaut, dass sie für den Gütertransport, speziell den Kohlentransport, geeignet war. Denn in seinem natürlichen Zustand war der Fluss für die großen Aaken, wie die Kohleschiffe damals hießen, nur teilweise befahrbar. Darum wurden Buhnen und Schleusen errichtet, um Kohle, Salz und Getreide entsprechend verschiffen zu können. Außerdem war ein sogenannter Treidelpfad am Ufer notwendig. Darauf zogen Pferde die großen, schweren Schiffe an Seilen stromaufwärts. Bis zu 175 Tonnen Ware fanden Platz auf einer Ruhraake, die sich durch ihren geringen Tiefgang auszeichnete und dadurch für den Flusstransport geeignet war.

Mittelfristig sollte die Ruhr nach den ersten größeren Flussausbauten dieser Zeit durch den Kohletransport zu einem der meistbefahrenen Wasserwege Europas werden, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Der Duisburger Hafen wurde dabei zum Umschlagplatz nicht nur für Kohle, sondern ab etwa 1850 auch für großen Mengen an Eisen und Stahl aus dem Ruhrgebiet. Er stellte für diese Exportgüter, die von hier aus ihren Weg über den Rhein und das Meer nahmen, die Verbindung zum Weltmarkt her.

Die Flüsse im Ruhrgebiet reichten als Transportweg für das hohe Güteraufkommen jedoch bald nicht mehr aus. Sie wurden deshalb durch die Eisenbahn sowie durch künstliche Wasserstraßen, deren Wasserpegel sich leichter regulieren ließ, ergänzt – und später durch diese weitgehend ersetzt. So verlor die Ruhr als Transportweg für Kohle und Industriegüter mehr und mehr an Bedeutung und zum Ende des 19. Jahrhunderts kam hier der Schiffsverkehr vollständig zum Erliegen.

In Mülheim an der Ruhr wurde dieser Entwicklung entgegen allerdings ab 1913 der Rhein-Ruhr-Hafen errichtet sowie die Ruhr als Verbindung zum Rhein und dem Duisburger Hafen auf zwölf Kilometern zu einem Schifffahrtskanal ausgebaut, inklusive zweier Schleusen. Nur noch dieser untere, staugeregelte Bereich der Ruhr ist heute wie die Kanäle als Bundeswasserstraße für große Transportschiffe befahrbar. Ähnlich wie ihre Vorgänger zu Beginn der Ruhrschifffahrt verkehren diese Frachter also nur zwischen Mülheim und Duisburg.

Der Oberlauf des Flusses dagegen gibt heute wieder ein natürlicheres Bild ab. Er wird nur noch von Fahrgastschiffen genutzt. Hier und auf den fünf Stauseen der Ruhr sind Personenschiffe wie die der Weißen Flotte unterwegs und befördern Erholung Suchende. Daneben nutzen viele Segel- und Ruderboote den Fluss zu diesem Zweck. Aber große Kohleschiffe sieht man hier nicht mehr fahren. Für die Hoffnung vieler, dass man in der Ruhr bald wieder das Baden erlauben könnte, ist das sicher von Vorteil.

Projektpartner: Institut für Kommunikationswissenschaft – Klare Sicht auf die Ruhr

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

In der Universität Duisburg-Essen blickt Rania Lahdo aus dem Bürofenster. „Das sind ja schöne Aussichten“, sagt sie lächelnd, aber ganz ohne Ironie zu Lisa Debo, die gerade einen Zeitungsartikel über das Badeverbot an der Ruhr studiert. Auch ich schaue vom Bildschirm auf. Tatsächlich ist heute nicht eine Wolke am Himmel auszumachen. Eigentlich ein perfekter Tag, um nach der Arbeit zum Baldeneysee zu fahren.

Was dort beeindruckt ist die freie Sicht. Die Weite, die man in der Stadt so nirgends hat. An wolkenfreien Tagen wie heute genügt es am See, den Blick eine Weile über der ausgedehnten Wasseroberfläche schweifen zu lassen und man sieht auch andere Dinge gleich etwas klarer.

Eine andere Möglichkeit, klare Sicht auf etwas zu bekommen, ist, sich über Einzelheiten zu informieren. Im Projekt Sichere Ruhr hat das Institut für Kommunikationswissenschaft  an der Universität Duisburg-Essen genau diese Aufgabe. Es nimmt sie wahr, indem es offene Fragen rund um das Baden in Fluss und See öffentlich aufgreift – beispielsweise über diese Internetseite, die inhaltlich vom Kommunikationswissenschaftler Pascal Bovée betreut wird. Auch die Pressearbeit und die Organisation von Workshops gehören zu den Aufgaben, des Teams um den verantwortlichen Projektsupervisor, Prof. Dr. Jo Reichertz.

Das Team am Institut für Kommunikationswissenschaft informiert aber nicht nur über mögliche Risiken beim Flussbaden, es berichtet  auch über Inhalte und Forschungsergebnisse  des Projekts Sichere Ruhr, das diese Risiken untersucht. Außerdem forschen die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Rania Lahdo und Lisa Debo auch selbst aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive zu diesem Thema.

Wir wollten wissen, wie gut die Bevölkerung über die aktuelle Badesituation – also das Badeverbot – informiert wird und wie gut sie über die Risiken Bescheid wissen. Deshalb haben wir in den vergangenen zwei Jahren verschiedene Studien durchgeführt. Aktuell untersuchen wir die Berichterstattung zum Ruhrbaden in Print- und Online-Medien“, erklärt Lisa Debo, die politische Kommunikation studiert hat. Ein Ergebnis der Studie verrät sie schon: „In knapp 44% der Artikel steht, das es ein Badeverbot gibt. Aber in etwa der gleichen Anzahl der Artikel über das Ruhrbaden wird die rechtliche Situation überhaupt nicht thematisiert.“ Es sei ihr deshalb wichtig, die bei der Untersuchung entdeckten Informationslücken zu schließen, betont Lisa Debo. Rania Lahdo, die das Essener Projektteam leitet, pflichtet ihr bei. Gemeinsam entwickeln die beiden Wissenschaftlerinnen Strategien für eine Risikokommunikation, die der Bevölkerung im Ruhrgebiet die Gefahren beim Flussbaden  vermitteln soll. Unterstützt werden sie dabei von der Soziologiestudentin Lara Pellner, die als studentische Hilfskraft des Projekts Hintergründe zu anderen Badestellen in Deutschland und der EU recherchiert.

Als Jugendliche war mir nie bewusst, welche Gefahren das Baden in der Ruhr birgt, das ist mir selbst erst durch das Projekt bewusst geworden“, meint Rania Lahdo. „Deshalb finde ich das Projekt auch so wichtig – und dass man die Menschen über die unsichtbaren Gefahren beim Baden aufklärt, nicht nur über die sichtbaren wie den Schiffsverkehr.“ Die Vermittlung der Forschungsergebnisse dazu sei allerdings nicht immer ganz unkompliziert, meint die Kommunikationswissenschaftlerin. Einerseits ist es ihr sehr wichtig, dabei dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung nachzukommen und auch die Fragen der Presse zum Projekt Sichere Ruhr befriedigend zu beantworten. Aber zugleich sei das mit der Herausforderung verbunden, sensible Inhalte mit allen Projektpartnern abzustimmen. „Denn es sind nicht nur sehr viele Partner, die im Projekt mitarbeiten, sie arbeiten auch interdisziplinär zu verschiedenen Gesichtspunkten des Themas, weshalb jeder der Partner andere Aspekte als besonders wichtig ansieht“, erklärt Rania Lahdo. Da sei es bei der öffentlichen Vermittlung der Risiken und Forschungsergebnisse manchmal schwierig allen gerecht zu werden. „Außerdem darf man nichts vorwegnehmen, was noch nicht abschließend untersucht ist“, ergänzt sie.

Die Ruhr einmal als echtes Badegewässer zu sehen, ist für sie eine schöne Vorstellung. „Aus persönlicher Sicht fände ich es toll, wenn man in der Ruhr baden könnte“, meint die junge Doktorandin, „weil ich selbst hierher komme und in Essen lebe. Ich denke, das würde nicht nur einen hohen Freizeitwert bedeuten, sondern wäre auch ein großer Imagegewinn für die Region.“ Aus wissenschaftlicher Perspektive hält sie es aber auch für wichtig, dass die Forschungsergebnisse des Projekts nach dessen Abschluss noch Beachtung finden, „Was nun das konkrete Ergebnis ist, ist zunächst zweitrangig – wenn festgestellt wird, dass man Baden erlauben kann, dann sollte das auch geschehen – wenn am Ende herauskommt, dass Baden in der Ruhr aus hygienischer Sicht nicht möglich ist, dann sollte die Bevölkerung geschützt werden, indem man das Badeverbot strikt durchsetzt.“

Allerdings macht die Teamleiterin keinen Hehl daraus, dass sie bereits seit ihrer Jugend alljährlich im Sommer im Fluss schwimmen geht. „Heute mache ich das allerdings bedachter als früher“, berichtet sie. Auch Lisa Debo hat schon im Ruhrwasser gebadet. „Aber nicht im Fluss selbst, sondern im Kemnader See.“ Dort würde sie das auch gerne wieder machen. „Aber direkt im Fluss hätte ich ein bisschen Angst vor der Strömung.“ Die beiden Wissenschaftlerinnen bemühen sich eben um klare Sicht auf beides: Vorzüge und Risiken des Ruhrbadens.

Projektpartner: IHPH – Mit Landkarte und Leuchtmittel gegen Parasiten

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Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr.

In einem kleinen Häuschen im Grünen steht Stephan Luther und pinnt eine Karte an die Wand. „Ich hab da so einen Tick, wahrscheinlich von Berufs wegen – immer wenn es irgendwo eine Karte gibt, dann muss ich die mitnehmen.“ Diese hier kennt der Geograph an der Universität Bonn allerdings sehr gut. Es ist die Badegewässerkarte für Nordrhein-Westfalen.

Stephan Luther arbeitet für das Projekt Sichere Ruhr. Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit IHPH, an dem er zusammen mit fünf anderen Wissenschaftlern für das Projekt forscht, liegt umgeben von Bäumen auf dem Venusberg oberhalb der Bonner Innenstadt. Stephan Luthers Büro ist im ehemaligen Wohnhäuschen des Institutsgründers untergebracht. Im Garten vor seinem großen Fenster sieht man ein Eichhörnchen von Ast zu Ast springen, von der Mensa nebenan kann man das Stadtzentrum überblicken. Ein schöner Arbeitsplatz für einen Geographen. Aber was macht ein Geograph überhaupt an einem Institut für Hygiene?

„Wir sind medizinische Geographen“, meint Luthers Kollege Christian Timm. Am Computer öffnet er noch eine zweite Karte, um zu erklären, was das bedeutet. Es ist eine grafische Darstellung der Ruhr. Christian Timm legt nach und nach weitere Ebenen mit Informationen über die Landschaft. „Hier sieht man jetzt die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die an den Fluss angrenzen.“ Für einen medizinischen Geographen ist daran interessant: Man sieht auf den ersten Blick, von wo aus Düngemittel in den Fluss gelangen könnten – eine mögliche Quelle für Verunreinigungen des Ruhrwassers, die Christian Timm so einfach anhand seiner Karte eingrenzen kann. Dieselbe Ansicht mit den Agrarflächen kann ihm auch einen ersten Hinweis zum Auffinden der Krankheitserreger aus der Tierzucht geben, die im Fluss landen. Und um zu schauen, an welchen Stellen Schadstoffe aus der Industrie der Ruhr Probleme bereiten könnten, ergänzt Christian Timm die Karte einfach um die Darstellung der Industriegebiete.

Karten sind aber nicht die einzigen Hilfsmittel, mit denen Christian Timm und Stephan Luther arbeiten. Denn von ihren Kollegen im Projekt Sichere Ruhr – etwa an den Instituten in Mülheim und Bochum werden die Bonner Geographen mit Daten aus Untersuchungen des Ruhrwassers versorgt. Auch im Bonner Projektteam, das der Mediziner und Geograph Professor Thomas Kistemann leitet, sind ihre Kollegen damit beschäftigt Wasserproben auszuwerten. Biologin Uta Gayer, die biologisch-technische Assistentin Regina Brang-Lamprecht und der Bonner Laborleiter Christoph Koch analysieren das Wasser aus der Ruhr auf seinen Gehalt an Parasiten und Coliphagen hin. Dafür bedarf es guter Vorbereitung und zahlreicher Arbeitsschritte: das Ausspülen der Probenfilter, Konzentrieren der Probe durch Zentrifugation, Isolierung der Parasiten und Einfärben der gesuchten Bestandteile in den Proben mit fluoreszierenden Farbstoffen. Für Uta Gayer sind es so etwa sechs Stunden Vorarbeit, bis sie das kleine Tröpfchen unter dem Mikroskop hat, das sie gerade untersucht. Sie sucht darin nach Giardien und Cryptosporidien, Parasiten, die beim Menschen Durchfallerkrankungen auslösen können. Deren Strukturen sind allerdings nur schwer eindeutig zu erkennen. Hierfür ist ein geschultes Auge nötig. Um die Giardien aufzuspüren, verbringt Uta Gayer viele Stunden im abgedunkelten Labor. Das einzige, was dann leuchtet, sind die Membranen der eingefärbten Parasiten unter dem Mikroskop.

Ähnlich umfassend wie die Biologin – als Aufgabe von A bis Z – betrachten auch Christian Timm und Stepahn Luther ihre Arbeit im Projekt Sichere Ruhr. Die Geographen hoffen, dass ihre Forschungsergebnisse aus drei Jahren Projektarbeit auch danach noch Wirkung entfalten werden – am besten auf die praktische Ausgestaltung von Bademöglichkeiten genauso wie auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Flussbaden. „Schön wäre es, wenn man das Flussbaden dann rechtlich mal genauer fassen könnte“, meint Christian Timm. „Weil die Voraussetzungen bei einem Fluss eben andere sind als bei einem See oder Meer, sollte man auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen daran anpassen und einen rechtlich einwandfreien Raum zum Baden ermöglichen. Zum Beispiel so, dass auch ein temporäres Badeverbot möglich würde, das dann nicht gleich bedeutet, dass man ein Gewässer ganz von der Liste der Badegewässer streicht.“ Der Geograph spielt damit auf ein wichtiges Zwischenergebnis des Forschungsprojektes an: Dass es immer wieder Phasen gibt, in denen die Qualität des Ruhrwassers nicht zum Baden ausreicht – insbesondere nach Starkregen im Sommer – und andere Perioden, in denen das Baden aus hygienischer Sicht durchaus möglich wäre, weil die Wasserqualität des Flusses dann gut ist.

Auch Stephan Luther ist wichtig, dass man Konsequenzen aus den wissenschaftlichen Analysen zieht. „Dass man schaut: Was kann man tun, um die Wasserqualität zu verbessern, was, um die Sicherheit beim Baden zu gewährleisten – und dann eine konsequente Problembekämpfung unternimmt.“ Dafür haben sich die Bonner bemüht, ihre Arbeit für das Projekt gleich zu Beginn auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen. Sie haben eine Datenbank erstellt, die es ermöglicht, wissenschaftliche Artikel zum Thema gesundheitliche Gefährdungen beim Flussbaden zu finden – „als Grundstein für das Projekt und am besten auch darüber hinaus“, sagt Stephan Luther. „Wir haben dafür 40.000 Artikel gesammelt“, berichtet der Geograph, „sie sortiert, herausgefiltert, was mit Oberflächengewässern zu tun hat und gemeinsam mit den Projektpartnern geschaut, was für das Flussbaden relevant ist – jeder Partner mit seiner Expertise.“ Darüber hinaus haben die Bonner Experteninterviews geführt, um die unterschiedlichen Perspektiven derjenigen zu ergründen, die über das Baden in der Ruhr mitentscheiden – Interviews mit Vertretern aus Behörden wie dem Umweltbundesamt, aus der Politik, der Wirtschaft und Umweltverbänden. Diese Befragungen ergänzen sich aber erst mit der Bevölkerungsumfrage, die das IWW in Mülheim im Rahmen des Projekts durchgeführt hat zu einem umfassenden Meinungsbild. Christian Timm betont deshalb, dass man immer auch die Einbindung der Bevölkerung im Auge haben und diese über die Forschungsergebnisse informieren müsse.

Im Moment arbeiten er und Stephan Luther an der Risikobewertung des Ruhrbadens. Dabei haben sie, auf Basis der Messungen aus dem Projekt, eine Erkrankungswahrscheinlichkeit für Badende errechnet – für jeden Tag der Badesaison, die in Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai bis 15. September dauert. Mithilfe des so genannten DALY-Maßes (Disease Adjusted Life Years) wollen die Forscher es erleichtern zu beurteilen, wie hoch das Risiko des Badens im Fluss ist und wie erfolgreich verschiedene Gegenmaßnahmen es verringern können. Die Weltgesundheitsorganisation verwendet so ein DALY-Maß etwa für die Einschätzung von Trinkwasser. Aber Stephan Luther zufolge ist es auch für Badegewässer zu gebrauchen: „Wir nutzen das DALY-Maß, um die Auswirkungen einer Erkrankung, die durch das Ruhrbaden entsteht, in Zahlen fassen zu können“, erklärt er. Christian Timm ergänzt: „Man kann so die Gefahr des Schwimmens in einem Fluss mit anderen Gefahren vergleichen – zum Beispiel mit Autounfällen.“

Würde er denn selbst hineinspringen in die Ruhr, nachdem er diese Vergleichswerte kennt? „Ja, klar“, sagt der 41-jährige Vater. „Ich weiß aber nicht, ob ich auch mit meinen Kindern dort am Strand planschen würde.“ Auch Stephan Luther würde in der Ruhr baden gehen, obwohl er eigentlich das Meer vorzieht. „Aber ich würde es jetzt überlegter tun als vor dem Projekt“, ergänzt er. „Zum Beispiel würde ich vorher kurz nachdenken – hat es eigentlich in den letzten drei Tagen geregnet?“ Als Wissenschaftler betrachten die beiden es eben gerne differenziert.

Sichere-Ruhr-Workshop bringt Ergebnisse – Interessengemeinschaft „Baden in der Ruhr“ will sich gründen

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr.
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr.

Am 16. und 17. Mai 2014 fand in Essen-Werden im Rahmen des Projekts Sichere Ruhr ein erneuter Workshop zum Thema „Baden in der Ruhr“ statt, an dem jeder Interessierte teilnehmen konnte. Im Regattahaus am Baldeneysee hatten sich bei sonnigem Wetter zahlreiche engagierte Bürger sowie Vertreter verschiedener Organisationen versammelt, um gemeinsam auszuloten, wie eine Bademöglichkeit in Fluss und See im Detail aussehen könnte. Dabei gab es konkrete Ergebnisse.

Der Workshop im Regattahaus war die Fortsetzung einer ersten Zusammenkunft von 2013, bei der sich die Teilnehmer bereits mit den allgemeinen Gegebenheiten des Badens in Fließgewässern vertraut gemacht hatten sowie erste Vorschläge, Wünsche und Anregungen für das Ruhrbaden zusammengetragen hatten. Auch am vergangenen Wochenende begann das Arbeitstreffen mit einer Einarbeitung in die Thematik: Zunächst brachten sich die Anwesenden auf den neuesten Stand der Untersuchungen des Projekts Sichere Ruhr. Das Forschungsprojekt, an dem Wissenschaftler mehrerer Universitäten beteiligt sind, widmet sich seit 2012 der Frage, ob bzw. inwieweit die Ruhr künftig als Badegewässer genutzt werden kann.

Die Workshop-Teilnehmer im Regattahaus informierten sich in Kleingruppen bei den Mitarbeitern des Projekts über die Zwischenergebnisse der Forschung zu den verschiedenen Aspekten des Ruhrbadens. Dies geschah anhand der vier Themeninseln „Hygiene“, „Recht“, „Kosten, Nutzen und Finanzierung“ sowie „Information und Kommunikation“. Nacheinander durchliefen die Kleingruppen diese Themeninseln, wobei die Teilnehmenden bereits rege Fragen stellten und ihre Anmerkungen einbrachten. Darüber hinaus gab es bei einer fünften Themeninsel zu „Prozess und Kooperation“ dann die Gelegenheit, eigene Ideen zur Fortführung des Anliegens Baden in der Ruhr über die Laufzeit des Projekts Sichere Ruhr hinaus einzubringen. Die Themeninseln dienten in erster Linie als Grundlage für die Arbeitsgruppen und die gemeinsame Diskussionsrunde, die tags darauf folgten.

Das Angebot des Workshops zum Mitreden und Mitgestalten wurde von den teilnehmenden Bürgern und Interessenvertretern sehr aktiv genutzt. „Seit 15 Jahren setze ich mich dafür ein, hier wieder baden zu dürfen“, meint eine engagierte Teilnehmerin. „Ich bin froh, dass ich jetzt hier sitzen und mitreden darf.“ Schon beim Durchlaufen der Themeninseln am ersten Workshop-Tag wurden viele Fragen gestellt: „Warum kann man nicht sagen, wir baden auf eigene Gefahr?“, wollte eine Bürgerin wissen und ließ sich an der Themeninsel „Recht“ über die juristischen Voraussetzungen einer Badeerlaubnis informieren. „Wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, sich in der Ruhr tatsächlich eine Durchfallerkrankung zuzuziehen?“, wollte ein Teilnehmer von den Hygienikern wissen und wurde über die unterschiedlichen Gefahren abhängig vom Zeitpunkt des Badens aufgeklärt. An der Station „Kosten, Nutzen und Finanzierung“ wurde unter anderem die Frage nach der Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für eine Bademöglichkeit im Fluss erörtert, die das Projekt Sichere Ruhr in einer Umfrage erhoben hat. Die Themeninsel „Information und Kommunikation“ beschäftigte man sich etwa mit der Frage, was man eigentlich inhaltlich darunter versteht, wenn eine Ampel grünes Licht fürs Baden gibt – dass es für die eigene Sicherheit bedenkenlos ist dort zu schwimmen oder nur, dass im Moment bestimmte gesetzliche Hygienebedingungen eingehalten werden?

Der Themenschwerpunkt „Prozess und Kooperation“ förderte eine Vielzahl konkreter Überlegungen der Bürger und Interessenvertreter zur Zukunft des Badens in der Ruhr zutage und setzte außerdem Impulse für ein gemeinsames Weitermachen. Dabei war die Atmosphäre insgesamt ausgesprochen konstruktiv. „Kein Zerreden“ lautete die Devise, die seitens der Teilnehmer geäußert wurde. „Nicht bloß ein langes Planverfahren, sondern auch anfangen“ wollte man, gerne in Form eines „Pilotprojekts“. Deutlich wurde außerdem der Wunsch, eine gemeinsame Plattform für den Austausch zum Thema Ruhrbaden zu schaffen. Dabei wurde dafür plädiert, alle relevanten Akteure mit einzubinden, auf Vereinsebene wie auch in den betroffenen Behörden und politischen Gremien, die interessierten Bürger ebenso wie die Experten aus der Wissenschaft.

Am Samstag, dem zweiten Workshop-Tag, sollte diese Vorarbeit in konkrete Ergebnisse münden. Nachdem zunächst im Plenum zusammentragen worden war, was der Vortag an Zwischenergebnissen geliefert hatte, teilte man sich in zwei größere Arbeitsgruppen auf. Dabei legte die erste Gruppe den Fokus auf die nächsten Schritte, die unternommen werden müssten, um den Prozess zur Fortführung des gemeinsamen Anliegens Baden in der Ruhr in Gang zu halten. Die zweite Gruppe setzte sich mit der konkreten Ausgestaltung einer Badestelle auseinander, beispielsweise bezüglich deren Infrastruktur und Kosten.

Zum Abschluss kamen die Workshop-Teilnehmer noch einmal im Plenum zusammen. Dabei wurde festgehalten, wie der weitere Fahrplan für 2014 aussehen soll. Die Teilnehmer planten die nächsten Schritte, um das Projekt nachhaltig weiterzubringen. Zunächst wurde vereinbart, dass in der diesjährigen Badesaison eine Überprüfung der Einhaltung der EU-Badegewässerrichtlinie an drei verschiedenen Standorten stattfinden soll: An zwei Stellen der Ruhr in Essen und an einer Stelle in Mülheim soll so festgestellt werden, ob die Bedingungen für eine Zulassung als EU-Badegewässer in naher Zukunft erfüllt werden können.

Ein weiteres sehr konkretes Ergebnis des Workshops ist das Vorhaben, die Interessengemeinschaft „Baden in der Ruhr“ zu gründen. In die Gemeinschaft sollen verschiedene Akteursgruppen einbezogen werden, die ihre jeweiligen Positionen, Interessen und Perspektiven einbringen können. Neben der Gruppe der Bürger, Vereine und Verbände sollen dabei auch Vertreter der Stadt, Behördenmitarbeiter, Fachexperten, Betreiber und Politiker in der Interessengemeinschaft vertreten sein. Der erste Schritt in Richtung Interessengemeinschaft ist bereits vollzogen, denn einige Teilnehmer des Workshops haben sich schon bereiterklärt aktiv daran mitzuwirken. Nun will man die Gründung voranbringen und eine Sitzung vorbereiten, in der alle Akteure über Pläne und Prozesse zum Ruhrbaden diskutieren können.

Die Projektmitarbeiter von Sichere Ruhr verstehen sich als Teil dieser Idee zu einer Interessengemeinschaft und möchten ihre Expertise einbringen, damit das Baden in der Ruhr auch über die Projektlaufzeit hinaus als Thema verfolgt wird. Deshalb wollen sie für die Interessengemeinschaft Informationen recherchieren und aufbereiten, damit Aussagen darüber gemacht werden können, welche Kosten in naher Zukunft anfallen würden. Dabei geht es sowohl um eine konkrete Bezifferung der Kosten für die Einrichtung einer Badestelle als auch um eine Abschätzung der Kosten für eine Anhebung der Wasserqualität.

Ein Fahrplan für 2014, die Initiative für eine Kostenabschätzung  und neue Wasseruntersuchungen an möglichen Badestellen und schließlich eine neue Interessengemeinschaft – es lässt sich  sagen, dass die Teilnehmer am Workshop „Baden in der Ruhr“ konkrete Ergebnisse hervorgebracht haben.

 

 

 

 

 

 

Pressekonferenz am Baldeneysee – Zwischenergebnisse des Projekts Sichere Ruhr

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Am heutigen Mittwoch kamen Wissenschaftler und Journalisten im Regattahaus am Ufer des Baldeneysees zusammen, um sich mit dem Thema Baden in der Ruhr zu beschäftigen. Auf der Veranstaltung wurden die Zwischenergebnisse des BMBF-Projekts Sichere Ruhr präsentiert und diskutiert:

Zurzeit besteht im Ruhrgebiet ein Badeverbot für die Ruhr und ihre Stauseen. Das Projekt Sichere Ruhr, das vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2014 läuft, überprüft, ob das Baden in der Ruhr hinsichtlich der hygienischen Bedingungen in Zukunft möglich sein könnte. Eine aktuell vom Projekt durchgeführte Bevölkerungsumfrage zeigt, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung eine solche Bademöglichkeit wünscht – und bereit ist, sich finanziell an der Umsetzung zu beteiligen.

Nach zwei Jahren intensiver Forschung können nun erste Aussagen zu den Ergebnissen und zukünftigen Bademöglichkeiten gemacht werden. „Die hygienische Bewertung zeigt, dass Baden in der Ruhr grundsätzlich realisiert werden könnte, wenn auch nicht immer und überall“, sagt Projektsprecher Wolf Merkel. Unter den heutigen Bedingungen wäre die Badenutzung nur an einigen Tagen im Jahr möglich. Um die Zahl möglicher Badetage in der Ruhr zu erhöhen, müsste die Qualität des Wassers noch weiter verbessert werden.

Als Problematisch für den Status eines offiziellen Badegewässers erweisen sich bei natürlichen Gewässern die strengen europaweiten Anforderungen. Eine Einstufung der Ruhr als Badegewässer kann daher zunächst nicht vorgenommen werden, denn, dass das Ziel einer dauerhaften Bademöglichkeit erreicht werden kann ist eher unwahrscheinlich. Allerdings bieten die bereits heute an verschiedenen Abschnitten der Ruhr günstigen hygienischen Bedingungen die Chance, eine rechtliche Basis zu finden, damit der Badespaß bei Trockenwetter geduldet werden kann.

Die beim Baden in der Ruhr bestehenden Gesundheitsgefahren gehen in erster Linie von Krankheitserregern aus. Diese können unter anderem Durchfälle hervorrufen. Erkrankungsrisiken bestehen vor allem für ältere Menschen und Kleinkinder mit einem schwachen Immunsystem. Da die Wasserqualität in natürlichen Gewässern durch Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel das Wetter, jederzeit natürlichen Schwankungen unterliegt, ist ein völlig risikofreies Baden grundsätzlich nicht möglich. Natürlich gibt es beim Baden in Flüssen stets auch Gefahren wie Strömungen oder Treibgut. „Eigentlich sieht es ganz gut aus. Aber Baden in der Ruhr wird immer auch mit Restrisiken verbunden sein“, gibt Merkel zu bedenken. Da jeder selbst entscheiden muss, ob er sich diesen Gefahren aussetzen möchte, würde die Verantwortung, in der Ruhr zu baden, letztlich bei jedem Badegast selbst liegen.

Die hygienische Qualität der Ruhr wird ganz wesentlich durch starken Regen und daraus resultierendes Hochwasser beeinträchtigt. Dabei gelangen Krankheitserreger durch Abschwemmungen von landwirtschaftlichen Flächen, durch Überläufe aus der städtischen Kanalisation und durch Kläranlagenabläufe in den Fluss. Aus diesem Grund wäre die weitere Verbesserung und stetige Kontrolle der hygienischen Wasserwerte in der Ruhr eine Voraussetzung für die künftige Bademöglichkeit.

Hierzu wären zusätzliche technische und organisatorische Maßnahmen notwendig, die den Keimeintrag verringern. Zum Schutz der Badegäste wird derzeit im Projekt auch ein engmaschiges Überwachungssystem erarbeitet. Dieses würde frühzeitig anzeigen, wann das Wasser zum Baden geeignet wäre.

Auch mit der Ausgestaltung von Badestellen beschäftigt sich das Projektteam. Dazu wurden unter Bürgerbeteiligung drei Szenarien zum Baden in der Ruhr entworfen: „Naturnahes Baden“, „Baden an ausgewiesenen Badestellen“, und „Baden in Flussbädern“. Diese Szenarien werden nun als Grundlage für die weitere Planung der Bademöglichkeiten im Gewässer genutzt.  Am 16. und 17. Mai findet ein weiterer Workshop mit Bürgerbeteiligung am Baldeneysee statt. In diesem soll ein Badeszenario im Detail ausgearbeitet werden.

Ob die dabei entworfenen Realisierungsvorschläge, wie eine Bademöglichkeit aussehen kann, aber letztendlich umgesetzt werden, liegt dann an den einzelnen Städten und Kommunen. Derzeit ist zudem noch offen, auf welcher rechtlichen Basis ein Baden in der Ruhr möglich werden könnte. Hierzu analysiert das Projektteam auch die Erfahrungen mit dem Baden in Fließgewässern in anderen Bundesländern und in Europa.

Auf die Endergebnisse des Forschungsprojekts müssen wir noch ein wenig warten – dabei dürfen wir gespannt sein, ob und inwiefern sich die jetzt präsentierten Zwischenergebnisse noch verändern werden.

Sorgloses Plantschen im Badeparadies – Szenario Flussbäder

Foto: Sichere Ruhr
Foto: Sichere Ruhr
Foto: Sichere Ruhr

Im dritten Szenario des zweiten Workshop-Tages ließen die Bürger und Experten ihren Gedanken freien Lauf und überlegten gemeinsam, wie die Vision eines Flussbads an der Ruhr aussehen könnte. Sie waren sich einig, dass freies Baden an der Ruhr nicht erlaubt werden könne, denn die Fragen der Müllentsorgung und Sicherheit könnten in diesem Fall nicht eindeutig geklärt werden. Also müsse ein festes Flussbad her – doch wo?

Zunächst kam der Baldeneysee zur Sprache, der sich als Badesee anbietet: Er ist verkehrstechnisch gut angeschlossen, es gibt Parkplätze, Toilettenanlagen und für das leibliche Wohl vor Ort ist auch gesorgt. Allerdings – so kam der Einwand auf – müssten sich Badewillige den See und das Ufer mit Wassersportlern, der Weißen Flotte, Campingplätzen und Cafés teilen. Das Ufer sei begehrt und daher gebe es kaum Platz für einen ausladenden Badestrand. Möglich wäre hingegen ein kleiner, begrenzter Badebereich am Seaside Beach, in dem man sich an heißen Tagen erfrischen könne und wo nicht das ausgiebige Schwimmen im Vordergrund stehe. Dann müsse es jedoch für Wasserratten eine Alternative geben. Als mögliche weitere Stellen wurden Badeorte in Essen Steele und im Werdener Löwental diskutiert. In Steele betreibt derzeit der Steeler Schwimmverein ein Bad am Ufer der Ruhr, sodass dieser eventuell auch als Betreiber des Flussbads in Frage käme. Beide Orte seien weitgehend verkehrstechnisch erschlossen, sodass keine ganz neue Infrastruktur geschaffen werden müsste. Relativ schnell kristallisierte sich aus der Gruppendiskussion ein gemeinsames Konzept heraus: Ein einziges Flussbad an der Ruhr machte für die Teilnehmer keinen Sinn. Stattdessen solle es drei verschiedene Flussbäder mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten geben. Ein zahlungsbereites Publikum, dem ein Event- und Lifestylecharakter wichtig sei, könne sich am Seaside Beach im Baldeneysee erfrischen. Im Löwental könne darüber hinaus ein einfach ausgestattetes Flussbad eröffnen, das aufgrund eines niedrigen Eintrittspreisniveaus beispielsweise für Jugendliche interessant wäre. Familien hingegen könnten im Steeler Bad das naturnahe Baden genießen. Auf diese Weise würden sich die verschiedenen Besuchergruppen auf die Flussbäder verteilen und es käme nicht zum Massenansturm auf ein einziges Bad. Eine Konkurrenz für die bestehenden Freibäder sahen die Teilnehmer nicht, da diese im Sommer ohnehin überfüllt seien und nicht alle Besucher eines Freibads das naturnahe Baden vorziehen würden.

Im Gegensatz zu den anderen beiden Szenarien würden die Flussbäder durch eine Badeaufsicht ständig überwacht werden. Die Frage der Sicherheit beim unmittelbaren Baden sei somit geklärt, so die Teilnehmer. Darüber hinaus spiele in diesem Szenario eine gut ausgebaute Infrastruktur eine wichtige Rolle. Zum Teil könne die bereits bestehende Infrastruktur genutzt werden. Falls nötig, könnte die Stadt zusätzlich in einen weitergehenden Ausbau investieren. Diskutiert wurde so beispielsweise ein Parkleitsystem oder der Einsatz von Shuttlebussen, welche die Besucher vom Bahnhof und umliegenden Parkplätzen zum jeweiligen Bad bringen könnten. Auch über ein gastronomisches Angebot oder Sitzmöglichkeiten könne beispielsweise nachgedacht werden.

Ein weiterer zentraler Punkt der Diskussion war die Entwicklung eines ausgefeilten Kommunikationssystems. Die drei Flussbäder müssten kommunikativ vernetzt werden, denn es seien schließlich nicht drei getrennte Badeorte sondern Bäder in demselben Fluss, in derselben Region. Außerdem sei ein anderer Umgang mit einem Flussbad als mit einem Freibad notwendig. Die Besucher müssten die Ruhr als Ökosystem und Naturgewässer wahrnehmen, um verantwortungsvoll mit ihr umgehen zu können. Die Entwicklung eines entsprechenden Bewusstseins und einer Badekultur sei daher wesentlich. Dazu wurde vorgeschlagen, Schilder aufzustellen, die über Flora und Fauna des heimischen Gewässers informierten.

Darüber hinaus waren Bürger und Experten sich einig, dass der Begriff „Badeanstalt“ veraltet sei. Ein neuer, frischer Name, der frei von rechtlichen Bestimmungen ist, wurde gewünscht.

Die Teilnehmer erarbeiteten in diesem Szenario ein allgemeines Konzept, um ein Flussbad an der Ruhr möglich zu machen. Dabei hatten sie die konkreten Gegebenheiten und Rahmenbedingungen der Region genau vor Augen und wägten die Möglichkeiten der Umsetzung ab. So entwickelten sie die Idee von einer Region mit drei vernetzten aber unterschiedlichen Flussbädern, die infrastrukturell sehr gut angebunden sind. Stimmen gegen die Umsetzung der Idee wurden innerhalb der Gruppe nicht laut, Erinnerungen an die früher bestehenden Flussbäder und der Wunsch, bald wieder in der Ruhr baden zu können, wurden hingegen geteilt.

Badeoasen für das Revier – Szenario Ausgewiesene Badestellen

Foto: Sichere Ruhr
Foto: Sichere Ruhr
Foto: Sichere Ruhr

Das zweite Szenario, das im Rahmen des Workshops zum Thema “Baden in der Ruhr” am 20. April in Essen-Werden von den Teilnehmern entwickelt wurde trägt den Titel “Ausgewiesene Badestellen”. Dieses Szenario beschreibt die Zwischenlösung, zwischen den beiden Szenarien “Freies Baden” und “Flussbäder”.

Das Szenario “Ausgewiesene Badestellen” fand großen Anklang unter den Beteiligten, die dank ihrer Ortskundigkeit und zum Teil dank ihrer beruflichen Auseinandersetzung mit dem Thema Ruhr viel wertvolles und konstruktives Wissen in die offene Diskussion einbringen konnten.

Zunächst einigten sich die Teilnehmer auf ein gemeinsames Verständnis des Szenarios “Ausgewiesene Badestellen”. Diese wurden definiert als offiziell freigegebene Badestellen, die sich an Orten befinden, an denen die Ruhr problemlos für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Die erste konkrete Frage war die nach den Orten der angedachten Badestellen. Schnelle Einigung gab es in einem Punkt: Die Ruhr eigne sich grundsätzlich besser für das Szenario als der Baldeneysee, da hier bereits viele Einschränkungen durch die derzeitige Nutzung von Wassersportlern, Anglern und der Weißen Flotte gegeben seien. Solle jedoch eine Badestelle am See entstehen, so würden sich nach Meinung der Runde primär die derzeitigen Messstellen des Projekts an der Nordseite des Sees anbieten. Entlang der Ruhr solle man Orte auswählen, an denen trotz des bestehenden Badeverbots jeden Sommer gebadet wird, da sich diese anscheinend zum Baden eignen. Mögliche Badestellen seien: Haus Scheppen, Mülheimer Ruhrstrand, Seaside Beach Baldeney, Zeche Carl Funke, Rote Mühle, Strandbad Spillenburg Essen-Steele, Haus am See, Löwental. Weiterhin wurden einige Einschränkungen genannt: Die Badestellen sollten nicht in der Nähe von Schifffahrtswegen und Anlegestellen der Weißen Flotte und nahe Natur- und Vogelschutzgebieten etabliert werden. Weiterhin solle aus Lärmschutzgründen über eine Nutzungserlaubnis bis maximal 22 Uhr nachgedacht werden.

Auch über die Ausgestaltung der Badestellen wurde rege phantasiert. Klar war schnell, dass die Badestellen verschieden arrangiert werden könnten. So könne Sand aufgeschüttet werden oder eine grüne Wiese gepflanzt werden. Allen Stellen gleich solle hingegen eine klare Kennzeichnung als Badestelle sein. Hierdurch könne sowohl vermieden werden, dass zu viel außerhalb der freigegebenen Stellen gebadet würde, als auch, dass die Stellen im Wasser durch Wassersportler genutzt würden. Ebenso solle jede der Badestellen über eine Infotafel verfügen, auf der aktuelle Werte zur Wasserqualität angezeigt würden und auf der eine Notrufnummer notiert wäre.

Ein weiterer Diskussionspunkt waren die Mindestanforderungen an die Infrastruktur, über die jede Badestelle verfügen solle. Um die Kosten möglichst gering zu halten, einigte sich die Runde auf eine minimale Ausstattung. Es wurde zudem der Vorschlag gemacht, bereits vorhandene Infrastuktur anderer Nutzergruppen, wie z.B. Sanitäranalgen von Vereinsheimen oder der ansässigen Gastronomie, in die Badestellen zu integrieren. Als unentbehrliche infrastrukturelle Maßnahmen legten die Teilnehmer die folgenden Kriterien fest: eine gute verkehrstechnische Anbindung, Sanitäranlagen, regelmäßige Wartung der Badestellen, Müllentsorgung sowie ein befestigter Zugang zum Wasser, beispielsweise in Form eines Steges.

Um ausreichende Sicherheit für die Badenden zu gewährleisten, machte sich die Gruppe auch hierzu Gedanken. Eine kontinuierliche Überwachung der Wasserqualität sowie deren Kommunikation war eine der erarbeiteten Maßnahmen. Um Sicherheit beim unmittelbaren Baden zu garantieren, solle der Schwimmbereich durch Bojen im Wasser abgegrenzt werden – so sei zum Beispiel ausgeschlossen, dass die Schwimmer versehentlich in die Fahrrinne der Weißen Flotte schwimmen könnten. Eine Badeaufsicht solle es an den einzelnen Badestellen nicht geben. Stattdessen kam die Idee auf, an jeder der Badestellen eine solarbetriebene Notrufsäule in Verbindung mit einer gut sichtbaren Kilometrierung des Flusses zur Durchgabe des Standortes zu installieren. Diese Säule solle den Nutzer mit dem bestehenden Sicherheitssystem der DLRG, Feuerwehr, etc. verbinden.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die anfallende Kommunikation im Zusammenhang mit den Badestellen. Informationen über die Wasserqualität sollten dabei regelmäßig über die gängigen Medien verbreitet werden. Ein Ampelsystem vor Ort solle zudem eine Badeempfehlung geben oder aber vom Baden abraten. Zudem wurde diskutiert, ob im Sinne einer Sensibilisierung für die Ruhr als schützenswertes Gut bereits in der Schule und via Internet aufgeklärt werden könne. So könnte auch vermittelt werden, dass die Badestellen nur aufrechterhalten werden könnten, wenn jeder einen Beitrag zu ihrem Erhalt leiste und die Natur zu schützen versuche.

Schließlich widmete sich die Runde der Finanzierungsfrage, bei der sie zu keinem Konsens kam. Es wurden jedoch verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten durchdacht. Eine Idee sah vor, die Kosten anteilig zwischen den beteiligten Institutionen, beispielsweise der Stadt, den Kommunen, dem Ruhrverband, etc. aufzuteilen. Eine andere Möglichkeit sei es, die Nutznießer des Projekts, z.B. die Gastronomie, die Campingplätze, etc. an den entstehenden Kosten zu beteiligen. Ein weiterer Gedanke lag in der möglichen Anwerbung von Sponsoren, nach deren Name die verschiedenen Badestellen benannt werden könnten. Ein für alle Beteiligten zufriedenstellender Finanzierungsplan konnte in der Kürze der Zeit allerdings nicht gefunden werden.

Die Planungen für das Szenario “Badestellen” sind damit weitgehend im Detail beschrieben worden. Kritisch wurde betrachtet, dass bei diesem Szenario womöglich eine große Anzahl Menschen eine kleine Anzahl von Badestellen überlaufen könnten. Weiterhin müsse der Nutzungskonflikt zwischen Badenden und anderen Nutzergruppen bedacht werden, gegenseitige Rücksichtnahme wäre bei diesem Szenario sicher unerlässlich. Eine offene Frage, die unbeantwortet im Raum stand, war die der Benennung der Badestelle. Fraglich war, ob die Stellen offiziell als “Badestelle” tituliert werden dürften oder ob dies aus rechtlicher Sicht eine Badeaufsicht vorschreiben würde. Auch die Frage nach der allgemeinen Sicherheit und Verletzungsgefahr ließ sich nicht abschließend klären. Es blieb offen, ob jegliche Sicherheitslücken bedacht wurden und ob sich eine Verletzungsgefahr durch die regelmäßige Wartung der Badestellen ausreichend ausschließen lasse. Letztlich wurde noch angemerkt, dass bei der möglichen Einbindung der vorhandenen Infrastruktur insbesondere in den ländlicheren Gegenden an der Ruhr Probleme aufkommen könnten. Denn im Szenario wurden zwar Badestellen rund um Essen benannt, das Szenario beziehe sich jedoch auf den Gesamtverlauf der Ruhr. Gerade in den ländlicheren Gegenden würden sich daher nicht immer Stellen finden lassen, an denen eine nötige Infrastruktur bereits vorhanden ist.

Naturnahes Baden entlang der Ruhr – Szenario Freies Baden

Foto: Sichere Ruhr
Foto: Sichere Ruhr
Foto: Sichere Ruhr

Der zweite Tag des Workshops „Baden im Baldeneysee“, der am 19. und 20. April 2013 stattfand, befasste sich mit den möglichen Szenarien unter denen das Baden in der Ruhr möglich wäre. Drei Szenarien wurden hierbei entworfen. Freies Baden in der Ruhr, festgelegte Badestellen oder eine Badeanstalt an der Ruhr – so die denkbaren Szenarien. Hierbei wurden verschiedene Gesichtspunkte genannt unter denen das jeweilige Szenario näher beleuchtet wurde. Die hygienische Qualität, der rechtliche Status mit seinen Konsequenzen, die Kosten und Finanzierung, der gesellschaftliche Nutzen, die Kommunikation, die Infrastruktur, das Thema Sicherheit und der Aspekt der Müllentsorgung wurden dabei in den jeweiligen Szenarienentwurf mit eingebracht.

Das Szenario „Freies Baden in der Ruhr“ stieß auf viele Interessenten und Befürworter. Diese fanden sich an einem Arbeitstisch zusammen und legten zunächst fest, was für sie das freie Baden denn überhaupt bedeutet; ob ein Baden ohne Regeln oder ein Baden mit uneingeschränkter Zugänglichkeit hiermit gemeint sei. Dabei einigten sich die Teilnehmer auf das Verständnis von einem freien Baden, das auf eigene Gefahr dort, wo die Ruhr zugänglich ist, ohne Regeln geschehen solle. Und frei hieß für die Teilnehmer auch, dass sie sich ihren Badeplatz selbst suchen dürften und nicht an offizielle Badestellen gebunden sein müssten. Ausnahmen: Naturschutzgebiete und Privatgrund. Diese müssten dann mit einer entsprechenden Beschilderung versehen werden. Ein Baden auf eigene Gefahr bedeutete für die Teilnehmer jedoch nicht ein Unwissen über mögliche Gefahren, sondern ein geteiltes Wissen über diese. Nur dann sei ein Baden auf eigene Verantwortung möglich. Eine entsprechende Beschilderung sei somit unverzichtbar.

Zum Thema Sicherheit stellten sich die interessierten Bürger die Frage, welche Sicherheitsmaßnahmen es bei einem freien Baden überhaupt geben müsse. Benötige dieses Szenario nicht auch eine Badeaufsicht? Ein freies Baden berge stets ein Restrisiko und dieses Risiko solle auch ein eigenes Risiko bleiben, so der allgemeine Tenor. Eine Wasseraufsicht und –rettung sei mit hohen Folgekosten verbunden. Daher widersprachen die Teilnehmer der ständigen Badeaufsicht entlang der gesamten Ruhr als Voraussetzung für das freie Baden im Fluss. Hierbei wurde dann die Frage aufgeworfen, ob der Ruhrverband als Betreiber des Flusses dann in der Pflicht wäre, über die Wasserqualität zu informieren oder ob das Nichtvorhandensein von Informationen auch in das eigene Risiko mit einfließe. Die Teilnehmer sahen den Betreiber des Gewässers in der Pflicht, die Hygiene herzustellen und diese auch im Rahmen der EU-Richtlinie zu überprüfen und zu kommunizieren. Die hygienischen Informationen und Prognosen über die Wasserqualität sollten dann per Internet verbreitet werden. Zusammengefasst wurde der Punkt unter dem Begriff des „intelligenten Restrisikos“ mit der Möglichkeit an Informationen zu gelangen, jedoch ohne auferlegte Informationspflicht oder gar Verbote. Lediglich Empfehlungen zum Nicht-Baden nach einem Gewitter empfanden die Teilnehmer als sinnvoll. Ob der Empfehlung Folge geleistet würde, müsse nicht kontrolliert werden und ließe damit auch keinen Raum für Rechtsansprüche im Falle eines Unfalls.

Zum Thema Müll äußerten sich die Teilnehmer sehr beschwichtigend. Sie räumten ein, dass an den Stellen, wo heute schon gebadet wird – so besonders bei den Sportvereinen und Campingplätzen – keine Müllproblematik entstehe. Hier seien Mülleimer aufgestellt worden und der Müll würde von den Badenden fachgerecht entsorgt. Der Müll, der an der Ruhr zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich vorhanden sei, würde vor allem durch Angler verursacht. Diese angelten an ganz verschiedenen Stellen an der Ruhr, die nicht mit Mülleimern bestückt sind und an diesen Stellen sei ein erhöhtes Müllvorkommen zu beobachten.

Den positiven Nutzen des Badeszenarios sahen die Teilnehmer vor allem in der Zunahme der Lebensqualität, Negatives in möglichen Interessenskonflikten mit derzeitigen Nutzern der Ruhr und des Baldeneysees. Vorstellen konnten sich die Teilnehmer unter diesem Aspekt auch, die Ruhr generell freizugeben, aber den Baldeneysee mit Badestellen zu bestücken um diesen möglichen Nutzungskonflikten vorzubeugen. Die Gleichberechtigung solle hierbei jedoch auch nicht zu kurz kommen.

Ein weiterer Nutzen vor allem für das Image der Region und damit für das Image aller anliegenden Kommunen wurde darüber hinaus genannt. Diese könnten daher – gleich dem Beispiel des Ruhrtalradwegs – auch die entstehenden Kosten für das freie Baden tragen.

Mögliche Kosten sahen die Diskutierenden vor allem in der Beschilderung, der Informationsbereitstellung per Internet sowie einer App.

Das Ergebnis des Szenarios „Freies Baden in der Ruhr“ lässt sich demnach wie folgt zusammenfassen.  Freies Baden soll nicht ein Baden ohne Zugangsbeschränkung, sondern ein legales Baden, da wo die Ruhr frei zugänglich ist, sein. Hier bedarf es einer niedrigen Form der Infrastruktur in Form von Müllentsorgungsanlagen und Beschilderungen über Gefahren, Wasserqualität und dem Hinweis auf Zusatzinformationen im Internet oder per App. Die Kosten für diese geringe Infrastruktur soll dabei von den Anrainerkommunen getragen werden, da diese auch die Möglichkeit zur Vermarktung haben und damit auch einen kommerziellen Nutzen. Alles in allem war eine schöne und konstruktive Diskussion zu beobachten.

Anforderungen an das Baden in der Ruhr

Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Am 19. und 20. April 2013 fand der im Vorfeld angekündigte Szenarien-Workshop zum Thema „Baden im Baldeneysee“ statt. Zahlreiche engagierte Bürger sowie Interessensvertreter verschiedener Organisationen folgten dem Aufruf, sich aktiv in die Planungen des Projekts Sichere Ruhr einzubringen und es mit ihrem Wissen, ihrem Anregungen und ihrer Kritik zu bereichern.

Am ersten Workshop-Tag setzten sich die Teilnehmer zunächst gemeinsam mit Experten in zufällig ausgelosten Gruppen mit den unterschiedlichen An- und Herausforderungen des Badens in natürlichen Fließgewässern auseinander. Die inhaltlichen Schwerpunkte der fünf Themeninseln teilten sich dabei in Hygiene, Recht, gesellschaftlicher Nutzen, Finanzierung sowie Information/Kommunikation. Rotierend durchlief jede Gruppe alle fünf Themeninseln, um sich unter verschiedenen Fragestellungen den jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkten anzunähern. Das Projekt profitierte dabei von den verschiedenen Betrachtungsweisen und dem fachlichen Know-How der Teilnehmer, die in den regen Diskussionen viele wertvolle Hinweise gaben.

Themeninsel „Hygiene“
Eingeleitet in das Thema Hygiene wurde unter der Fragestellung, wie viele der Teilnehmer bereits in der Ruhr gebadet haben. Das Ergebnis war sehr eindeutig. Nahezu alle Teilnehmer sind trotz des bestehenden Badeverbots bereits in der Ruhr geschwommen, meist ohne gesundheitliche Folgen.

Aufgeklärt wurde in dieser Themeninseln darüber, dass diese gesundheitlichen Folgen jedoch nicht von der Hand zu weisen sind. Durchfallerkrankungen, Erkrankungen der Gehörgänge sowie Badedermatitis sind unangenehme Folgen, die ein Ruhrbad zum Status Quo mit sich bringen kann. Doch wie kommen diese Krankheitserreger in das Ruhrwasser? Die überwiegende Meinung der Teilnehmer war, dass Einleitungen aus der Industrie eine negative Rolle für die Wasserqualität spielen. Der Experte klärte jedoch darüber auf, dass Einträge aus der Landwirtschaft, Verunreinigungen von Straßen und Häusern sowie Ausscheidungen von Vögeln einen wesentlich höheren Einfluss auf die Verunreinigung des Wassers haben. Starkregen spült diese verschiedenen Einträge in die Ruhr, so dass zum derzeitigen Zeitpunkt keine konstante Wasserqualität des Flusses gegeben ist. Sollte also das Baden offiziell oder auf eigene Gefahr erlaubt werden, muss der Verstand mit baden. Weitere Fragen aus dem Kreis der Bürger kamen auf: Warum erkranken die Wassersportler nicht regelmäßig an den genannten Krankheiten? Sind diese nicht ein guter Indikator für eine gute Wasserqualität der Ruhr? Aufschluss über das tatsächliche Risiko, das vom Ruhrwasser ausgeht, könnten Untersuchungen der Wassersportler bringen. Hierzu mangelt es jedoch an Datenmaterial, denn Untersuchungen solcher Art sind bislang nicht durchgeführt worden.

Darüber hinaus wurden von den Teilnehmern Bedenken bezüglich möglicher hygienischer Einschränkungen durch Badende, wie zum Beispiel durch Sonnencreme oder Hautschüppchen, geäußert. Diese Sorge konnten die Experten jedoch schnell nehmen. Diese Mikroverunreinigungen  werden in so großem Maße verdünnt, dass sie für die Wasserqualität keinerlei Beeinträchtigung darstellen.

Generell fiel auf, dass der Wunsch nach Wissen über die Wasserqualität der Ruhr in verständlich aufbereiteter Form groß ist. Für das Projektteam bedeutet dies: Ein Frühwarnsystem muss entwickelt werden, das nicht-wissenschaftlich aufbereitete, verständliche Informationen bereithält. Vielmehr sollte den Badenden hingegen vermittelt werden, was die wissenschaftlichen Fakten konkret für sie bedeuten. Nach reger Diskussion und Aufklärung über mögliche hygienische Risiken beim Baden in der Ruhr verließen die Teilnehmer diese Themeninsel. Das vermittelte Wissen bremste die Bürger jedoch nicht in ihrem Wunsch, auch weiterhin in der Ruhr zu baden.

Themeninsel „Recht“
Ein Schild mit der Aufschrift „Baden verboten“ lud provozierend zur Diskussion in der Themeninsel „Recht“ ein. Die begleitende Fragestellung lautete: Ist es überhaupt erlaubt, ein generelles Badeverbot auszusprechen oder hat nicht vielmehr jeder Bürger ein Recht auf uneingeschränkten Zugang zu öffentlichen Gewässern und damit zum Baden? Der Unmut der Teilnehmer über dieses Badeverbot war deutlich. Sie berichteten von Bußgeldern, die vom Ordnungsamt für die zuweilen illegalen Badegänge gefordert wurden. Aber gleichzeitig erzählten sie voller Trotz vom eigenen Hinwegsetzen über dieses scheinbar sinnlose Badeverbot. Ganz im Unrecht waren die Bürger mit dieser Missachtung der Gesetzeslage nicht. Denn, so die Experten, ein generelles Badeverbot ist nicht aufrecht zu halten. Jedem EU-Bürger steht das Recht zu, in Flüssen und Seen zu baden, ausgenommen davon sind Natur- und Wasserschutzgebiete. Hier gilt ein generelles Badeverbot. Zudem sind Kommunen dazu verpflichtet, sobald mehrere Bürger an einer bestimmten Stelle ins Wasser gehen, die Wasserqualität dieser Stelle zu untersuchen. Geht hiervon keine Gefahr aus, ist diese Stelle laut Badegewässerrichtlinie als offizielle Badestelle auszuweisen. Eine Vorgabe, die in der Ruhr nicht umzusetzen ist, denn die Wasserqualität schwankt, wie die Bürger bereits in der vorangegangenen Themeninsel gehört hatten.

Doch unter welchen Voraussetzungen könnte das Baden in der Ruhr dennoch legalisiert werden? Die Teilnehmer einigten sich unter Berücksichtigung verschiedener Möglichkeiten darauf, dass es rechtlich nur als Baden auf eigene Gefahr möglich wäre. Offizielles Baden benötigt eine Infrastruktur mit Aufsicht, Parkplätzen und Müllentsorgung sowie die Beachtung der Verkehrssicherheitspflicht. Alle diese Punkte werden für die anliegenden Kommunen kaum zu tragen sein. Daher fand die Idee des Badens auf eigenes Risiko in Verbindung mit offiziellen Frühwarnsystemen zur Wasserqualität großen Zuspruch.

Themeninsel „Gesellschaftlicher Nutzen“
Die Fragestellung, der sich die Teilnehmer dieser Themeninsel widmeten, lautete: Welchen Nutzen bringt das Baden in der Ruhr für die Region und die Bewohner mit sich? Der Fokus sollte dabei nicht auf dem kommerziellen Nutzen für Gastronomie, Hotellerie und weitere Freizeitangebote liegen, sondern explizit auf die Bürger an sich bezogen werden.

Sofortigen Konsens unter den Teilnehmern fand das Thema Imagewandel. Das Ruhrgebiet als Industrie- und Kohleabbaugebiet ist vielen ein Begriff, doch der Wandel hin zu Kultur und grünen Großstädten ist im vollen Gange. Das Baden in der Ruhr würde diesen Wandel positiv unterstützen. Das Image der Region und ihrer Bewohner würde damit verbessert. Neben dem positiven Ansehen würde dies natürlich auch einen Standortvorteil mit sich bringen.

Darüber hinaus bedeutet die Möglichkeit des Badens für die Bewohner selbst mehr Lebensqualität und Freizeitwert. Die Ruhr würde ein Ort der Begegnung und Entspannung. Zusätzlich könnten die Bürger von der naturnahen Erfahrungswelt profitieren, die besonders für Kinder ein erhebliches spielerisches Lernmoment mitbringt. Sie könnten Erfahrungen im Umgang mit der Natur sammeln und diese als ihr zu Hause kennen und wertschätzen lernen.

Die Aufhebung des allgemeinen Badeverbotes würde für die Menschen an und um die Ruhr weiterhin mehr Freiheit bedeuten. Die Bewohner könnten sich ihr Gewässer, die Ruhr und den Baldeneysee zurück erobern und diese nach Belieben nutzen. Hier kam jedoch schnell der Einwand auf, dass ein Nutzen nach Belieben natürlich auch Nachteile mit sich bringen könnte. Der Nutzerkonflikt mit Anwohnern, Wassersportlern und Schifffahrt könnte neben möglichem Unmut auch Sicherheitsrisiken bergen. Darüber hinaus könnte eine massive Nutzung der Ruhr auch Umweltrisiken zur Folge haben, die durch Aufklärung und Prävention minimiert werden müssten. Auch hier kristallisiert sich demzufolge eine Aufgabe an die Kommunikation durch das Projektteam heraus, denn nur durch eine verantwortungsvolle Nutzung der Ruhr können Folgeschäden vermieden werden.

Themeninsel „Finanzierung“
Die zentrale Fragestellung beim Thema Finanzierung ist natürlich die Frage danach, wer das Geld für mögliche Maßnahmen zur Verfügung stellen soll. Damit ist auch verbunden, welche „Verlierer“ und Gewinner“ es  im Falle einer Badeerlaubnis geben wird. Konsens in der Diskussion war, dass legales Baden in der Ruhr oder im Baldeneysee „sein Geld wert“ ist. Unter den Teilnehmern waren eine Reihe verschiedener Finanzierungsmöglichkeiten denkbar. Im Ergebnis waren die Überlegungen immer von der Art der Nutzung  und damit des eigenen Vorteils, den die Teilnehmer erwarten, abhängig.

Die Rolle der Stadt oder des Ruhrverbands wurden unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung des Badens genannt, da die Ruhr als öffentliches Gut gesehen wird, das jedem Bürger zur freien Verfügung stehen sollte. Zusätzlich könnten diejenigen Personen/Institutionen zur Kasse gebeten werden, die für die schlechte Wasserqualität verantwortlich sind. Aufgelistet haben die Bürger zum Beispiel die Landwirtschaft, die Schifffahrt oder die Industrie. Es stellte sich heraus, dass die öffentliche Hand die Grundvoraussetzungen (Toiletten, Parklätze) beispielsweise über indirekte Steuereinnahmen finanzieren sollte, sofern etwa einzelne Badestellen ausgewiesen würden.

Unter allen Teilnehmern kristallisierte sich eine Bereitschaft heraus, für etwas Schönes und Nutzenbringendes auch selber zahlen wollen. Hier wurden ganz unterschiedliche Überlegungen angestellt: von Eintrittsgeldern für bestimmte Stellen am Baldeneysee und der Ruhr, Badescheine analog zum Anglerschein oder eine Kurtaxe. Auch Seepatenschaften, die das Verhältnis zum See positiv beeinflussen könnten, wurden genannt. Mit diesen verschiedenen bürgergetragenen Finanzierungsinstrumenten könnte sich eine mögliche Infrastruktur an angedachten Badestellen errichten und aufrechterhalten, so der Gedankengang der engagierten Bürger.

Themeninsel „Information und Kommunikation“
Das Themeninsel „Information und Kommunikation“ behandelte die zentrale Fragestellung: Welche Informationen wünschen sich die Teilnehmer zum Baden in der Ruhr und in welcher Form sollten diese Informationen weitergegeben werden?

Die Teilnehmer äußerten den Wunsch, möglichst klare und einfache Aussagen zu erhalten. Entscheidend ist dabei die Beantwortung der Frage „Kann ich heute baden? Ja oder Nein?“. Tiefergehende Informationen rund um Schadstoffkonzentrationen und genauere Wasserwerte waren hierbei mehrheitlich nicht gewünscht. Wer jedoch Interesse an diesen hätte, sollte in der Lage sein, diese auf einer Website oder mittels mobiler App abrufen zu können. Langzeitwerte über einen Zeitraum von einem Jahr sollten auf diesem Weg ebenfalls übermittelt werden.

Sollte tatsächlich ein Badeverbot für einen bestimmten Tag ausgesprochen werden, müsse dieses jedoch mit Begründung angegeben werden, sodass es nicht willkürlich wirkt sondern für alle Bürger nachvollziehbar erscheint.

Die Antwort auf die zentrale Frage und alle relevanten Informationen sollten dabei mit Bedacht auf älteres Publikum nicht nur per Internet vermittelt werden, sondern auch per Zeitung und Radio für die Nutzer zur Verfügung stehen. Unmittelbar am Badeort könnten sich die Teilnehmer ein Ampelsystem in Kombination mit einer Tafel, die Informationen zu einer App oder Internetseite angibt, vorstellen. Eine Webcam könnte darüber hinaus per Internet Auskunft über die Badestellen geben. Doch wie soll ein solches Ampel- bzw. Frühwarnsystem aussehen? Von Ampeln über Fahnen bis hin zu fünfstufigen Skalen war für die Teilnehmer vieles denkbar. Hierzu wurde noch angemerkt, dass mehrere Skalenstufen zwar zu mehr Entscheidungsfreiheit für den Bürger führen würden. Allgemeiner Konsens war jedoch, dass der Bürger die Verantwortung über eine Badebeurteilung lieber den Experten überlassen würde. Doch können ernannte Experten überhaupt die Verantwortung für mögliche Risiken tragen? Dies wurde eindeutig abgewiesen. Für das Baden in der freien Natur bleiben immer Restrisiken bestehen, daher müsste jeder Bürger lernen, eigenverantwortlich mit einem Ampelsystem umzugehen.

Der Traum vom Baden in der Ruhr
Zusammenfassend zeigte der erste Workshop-Tag ein deutliches Meinungsbild zu Gunsten des Badens in der Ruhr. Baden sei hier allerdings nicht im Sinne einer Vollkaskomentalität zu verstehen, bei dem die Stadt oder andere Institutionen die Verantwortung tragen. Vielmehr wurde der Wunsch nach Baden in Eigenverantwortung geäußert. Die Teilnehmer merkten an, dass eine Infrastruktur hierfür wünschenswert wäre, sie aber auch bereit wären, eine solche zum Teil mit zu finanzieren. Das offiziell erlaubte Baden entlang der Ruhr ohne Einschränkungen fördert zwar Probleme zu Tage, die nicht ohne weiteres zu stemmen sind. Das Stimmungsbild ist dennoch eindeutig: Das Baden auf eigene Gefahr bzw. auf eigenes Risiko ist für alle Beteiligten denkbar und wünschenswert.

Flussbaden – ein neuer alter Trend

Hafenbecken Kopenhagen Quelle: Rania Lahdo

 

Hafenbecken Kopenhagen Quelle: Rania Lahdo
Hafenbecken Kopenhagen
Foto: Rania Lahdo

Gestern begann offiziell der Frühling und damit ist auch der Sommer nicht mehr weit. Und was ist bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und heißen Temperaturen schöner, als sich im kühlen Nass zu erfrischen? Jedes Jahr zieht es im Sommer Scharen in die Freibäder und an die Badeseen Deutschlands. Doch gerade in Großstädten ist die Entfernung zum nächsten Baggersee oft groß und die Freibäder überfüllt.

In den letzten Jahren wurde ein Trend wieder belebt, der Abhilfe schafft: das Flussbaden (Geschichte des Flussbadens). Während das Projekt Sichere Ruhr noch untersucht, ob das Baden in der Ruhr überhaupt möglich ist, haben andere Städte ihre Flüsse als natürliche Badegewässer längst wieder entdeckt.

So ist es etwa in der Münchner Innenstadt möglich, sich in gekennzeichneten Bereichen der Isar zu erfrischen. Sogar Surfen ist stellenweise erlaubt. Es ist außerdem geplant, den freigegebenen Badebereich in der Innenstadt auszuweiten. Während der Badesaison wird das Wasser vorsorglich mit Ultraviolett-Licht behandelt, um Keime zu reduzieren. Eine gleichbleibend hohe Wasserqualität kann jedoch nicht garantiert werden. An anderen Stellen des Flusses machen Schleusen, Triebwerkanlagen und Wehre das Baden gefährlich. Entsprechende Schilder warnen die Badelustigen vor dieser Gefahr.

Auch in unserer Hauptstadt wird daran gearbeitet, das urbane Flussbaden möglich zu machen. Das Projekt SPREE2011 hat es sich auf die Fahne geschrieben, den Hauptstadtfluss zu bereinigen, damit die Berliner wieder bedenkenlos in ihre Spree springen können. Schwimmende Tanks fangen dort die Mischung aus Regen- und Abwasser auf, die sonst bei starkem Regen ungefiltert in den Fluss gelangt und ihn verunreinigt. Die Oberfläche der Tanks kann vielfältig genutzt werden, ob als Café, Freilichtkino oder Liegewiese.

Auch international setzt sich dieser Trend fort: In Bern, Kopenhagen und Zürich profitieren die Bürger von ihren Flüssen und erleben bereits den urbanen Trend, der sich positiv auf ihre Lebensqualität  und den Freizeitwert der Stadt auswirkt. Sogar auf politischer Ebene erfährt das Flussbaden Unterstützung. So schreibt die Europäische Wasserrahmenrichtlinie vor, dass bis 2015 alle Gewässer eine „gute Wasserqualität“ aufweisen müssen. Ob das Ruhrgebiet sich dem Trend des Flussbadens anschließen kann, ist noch fraglich. Dies hängt von einer Reihe von Faktoren ab, ob rechtlich, hygienisch, finanziell oder im Hinblick auf die Infrastruktur, die eingehend untersucht werden müssen. Genau diesen Untersuchungen widmet sich das Projekt Sichere Ruhr.