Feuchter Flussarm, trockener Hang – Amphibien und Reptilien an der Ruhr

Ein alter Mann, der durch die Flussaue in Heisingen spaziert, bleibt erstaunt stehen und schüttelt den Kopf. „Die sind nicht echt, oder?“ So etwas hat er in freier Natur noch nicht gesehen, sagt er. Hier an der Ruhr sind sie allerdings gar nichts Ungewöhnliches: Schildkröten. Wer an einem sonnigen Tag am Stausee in Essen unterwegs ist, kann sie auf einem Baumstamm liegen sehen, manchmal ein ganzes Dutzend. Es handelt sich um eine illegal ausgesetzte Art – davon gibt es mehrere im Ruhrtal.

Auf Baumstämmen und Wurzeln an den Altwassern der Ruhr sonnen sie sich, auch wenn die Reptilien hier eigentlich nicht heimisch sind. Gleiches gilt für die Mauereidechsen aus dem Mittelmeergebiet, die ebenfalls an der Ruhr ausgesetzt worden sind. Ihre Verwandten, die Zauneidechsen, sind dagegen eine einheimische Art. Wie eine ganze Reihe von Reptilienarten fühlen sie sich ausgesprochen wohl an der Ruhr. Die Tiere lieben Trockenheit, etwa an den sonnigen Bahndämmen. Auch Blindschleichen, ebenfalls einheimische Reptilien, kann man dort finden. Die Schlangen sind ungiftig, nicht anders als die Ringelnattern, zu erkennen an ihrer schwarz-weiß gemusterten Bauchzeichnung. Zwar werden sie über einen Meter lang und an der Oberseite oft pechschwarz, aber gefährlich werden sie Menschen nicht. Mit Vorliebe halten sich Ringelnattern etwa in sumpfigen Nebentälern und an Altwassern der Ruhr auf, beispielsweise in der Mülheimer Ruhraue.

Nass und sumpfig mögen es auch die Amphibien. Im Ruhrtal, wo feuchte und trockene, kühle und heiße Zonen aneinandergrenzen, finden sie ebenso ihren Lebensraum wie die Reptilien. So gibt es beispielsweise in den Gewässern der Heisinger Aue in Essen verschiedene Amphibienarten. Die stillen Altwasser des Flusses nutzen eine ganze Reihe von ihnen, ob Kröten, Frösche oder Molche, zur Fortpflanzung. So paaren sich die Erdkröten an den Tümpeln der Auen und laichen auch dort, indem sie ihre Laichschnüre um die Wasserpflanzen wickeln. Trotz einiger geschützter Auengebiete sind die Amphibien durch diese Art der Fortpflanzung allerdings in Gefahr, denn den Winter verbringen sie in Verstecken an den Ruhrhängen und wandern erst anschließend über kilometerweite Strecken zu den Auen. Im dichtbesiedelten Ruhrgebiet führt dies die Kröten häufig über menschlich bebautes Terrain, darunter Verkehrswege, auf denen viele von ihnen zu Tode kommen. Der Schutz der Tiere ist deshalb in vielen Städten des Ruhrgebiets Anlass zur Auseinandersetzung wie zu ehrenamtlichem Engagement, etwa durch die Anlage neuer Laichgewässer oder von Krötenzäunen. Neben der Erdkröte kommen auch andere Krötenarten an der Ruhr vor, so etwa die Kreuzkröte, die zwar zerstreut über Deutschland verbreitet ist, aber gerade in Bergbaufolgelandschaften häufig zu finden ist, sodass sie sich hier in der Region besonders wohlfühlt. Auch der Grasfrosch ist heimisch an den stehenden wie fließenden Gewässern der Region.

Selten gewordene Amphibien sind an der Ruhr dagegen die Gelbbauchunken. In Nordrhein-Westfalen gelten sie heute als vom Aussterben bedroht. Und das obwohl sie eine enge Bindung an den Lebensraum Wasser pflegen – an den Flussauen des Ruhrgebiets, die durchsetzt waren von Tümpeln, gehörten sie ursprünglich zu den typischen Bewohnern. Als die natürlichen Auenlandschaften in den vergangenen Jahrhunderten mehr und mehr Baumaßnahmen weichen mussten, zogen sich die Gelbbauchunken in Pfützen als Ersatzlebensraum zurück, wie sie etwa in Traktorspuren oder Kiesgruben entstehen. Hier erwärmt sich das Wasser schnell und ermöglicht so ihrem Nachwuchs ein schnelles Wachstum. Einerseits zeigt sich die Amphibienart damit flexibel und passt sich an den menschlich geprägten Lebensraum an. Zum Nachteil für die Tiere kann bei der Besiedlung solcher Ausweichquartiere jedoch werden, dass die vom Menschen hinterlassenen und mit Wasser gefüllten Gruben oft nur zeitweise bestehen bleiben. Denn nicht selten verschwinden sie im Zuge von Baumaßnahmen und Bewirtschaftung so schnell wieder, wie sie entstanden sind.

Ähnlich wie die an Stauseen ausgesetzten Wasserschildkröten, deren Fortpflanzung in der fremden Umgebung eingeschränkt ist, finden heimische Gelbbauchunken daher nur noch zeitweise an der Ruhr ein Zuhause. Zu Wasserwirtschaft, Bau und Verkehr mitten im Ballungsgebiet steht die natürliche Lebensweise der Amphibien und Reptilien oftmals im Widerspruch. Für ein funktionierendes Ökosystem der heimischen Gewässer spielen sie allerdings ebenso ihre Rolle wie Fische und Wasservögel. Ihr Schutz als charakteristische Bewohner des Ruhrtals bleibt deshalb eine Zukunftsaufgabe, die es mit anderen Zwecken der Flussbewirtschaftung auszutarieren gilt. Gelingt dies, dürften die urzeitlich wirkenden Tiere noch manchen Spaziergänger am Ufer ins Staunen versetzen.

Die Wildtiere kehren zurück – auch an die Ruhr

Weißstorch. Foto: Zibolsky. NABU
Weißstorch. Foto: Zibolsky. NABU
Foto: S. Zibolsky, NABU

Was haben ein Lachs und ein Fischotter gemeinsam? Beide schwimmen selten in der Ruhr, denn in Nordrhein-Westfalen sind sie vom Aussterben bedroht. Die roten Listen gefährdeter Arten scheinen hierzulande immer länger zu werden. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings, dass es auch umgekehrt gehen kann: Manche bedrohten Tierbestände erholen sich europaweit, auch an Rhein und Ruhr. Gesetzlicher Schutz hat ihnen geholfen.

Die Studie „Wildlife Comeback in Europe“, die in Zusammenarbeit der Zoological Society of London mit dem Dachverband des deutschen Naturschutzbundes (BirdLife International) und den Vogelschützern vom European Bird Census Council durchgeführt wurde, listet 37 Rückkehrer nach Europa auf: Bekannte Tierarten, die stark gefährdet waren, deren Bestände sich aber inzwischen spürbar erholt haben. So prominente Vertreter wie der Grauwolf und der Seeadler sind darunter.

Zu den auch in Nordrhein-Westfalen beheimateten Tieren, die wieder zahlreicher geworden sind, gehören der Weißstorch, der Wanderfalke und der Biber. Letzterer breitet sich etwa im Rheinland wieder aus. Auch an der Ruhr freuen sich manche Spaziergänger, ihn wiedergesehen zu haben, jedoch wird er dabei meist mit der hier häufig vorkommenden Biberratte verwechselt. Der Biber ist auch ein Beispiel für die Probleme, die wir mit wilden Tieren haben, mit denen wir es nicht mehr gewöhnt sind zusammenzuleben. Dass Biber Bäume fällen, ist bekannt, aber wenn sie es dann tatsächlich tun, fühlt sich manch einer gestört. In Bayern ging das bereits soweit, dass Bibergegner die Dämme des Nagers angezündet oder mit dem Bagger planiert haben.

Damit es soweit nicht kommt, ist Aufklärung über die Verhaltensweisen wilder Tiere und über den richtigen Umgang mit ihnen gefragt. So sieht es auch Frans Schepers von der Initiative Rewilding Europe. Ihm ist wichtig, „dass wir die Toleranz für wildlebende Tiere erhöhen.“ Denn nur dann ist ihrem Comeback auch Erfolg vergönnt.  „Die Wildtiere kehren zurück, wenn wir es ihnen erlauben“, so Schepers, „dieser Report zeigt das.“ Auch würden noch weitere Arten folgen, glaubt der Naturschützer. Aber nur unter der Bedingung, dass wir die Tiere „weiterhin gesetzlich schützen, ihre Bestände aktiv pflegen und wiederansiedeln.“ Professor Jonathan Baillie von der Londoner Zoologischen Gesellschaft pflichtet ihm bei: „Die vorliegende Studie hilft uns zu verstehen, welche Schritte notwendig sind, um anderen Arten eine ähnliche Erholung ihrer Bestände zu ermöglichen.“

In der Studie zum Wildlife-Comeback werden als erfolgreiche Maßnahmen für die Rückkehr der Tiere unter anderem die Gründung des Netzwerks europäischer Schutzgebiete (Natura 2000) genannt sowie die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Denn die Qualität der Gewässer spielt für viele Tiere eine entscheidende Rolle.

Dennoch müssten sich die untersuchten Tierbestände noch weiter erholen, bevor sie als gesichert gelten könnten, so die Studie. Der Naturschutzbund merkt trotz aller Erfolge an, dass der Bestand anderer Arten weiterhin dramatisch abnähme. Dies gelte insbesondere für die Vögel der Agrarlandschaft. Dazu zählen solche wie die Grauammer, die weniger bekannt sind und unscheinbarer wirken als die Naturschutz-Aushängeschilder Adler oder Storch.  Der Präsident des Naturschutzbundes Olaf Tschimpke fordert deshalb, bestehendes Naturschutzrecht konsequenter umzusetzen: „Solange die deutschen Behörden bei der Zerstörung von artenreichem Grünland in Schutzgebieten alle Augen zudrücken, ist ein Comeback unserer Wiesenvögel in weiter Ferne“, kritisiert er.

Ein Beispiel für Maßnahmen zugunsten der Wiesenvögel ist die Heisinger Aue in Essen. Im Vogelschutzgebiet am Baldeneysee zeigen sich zudem Erfolge beim Schutz von Arten wie dem schillernden Eisvogel, für den sauberes Wasser und naturnahe Flüsse besonders wichtig sind. Letzteres benötigen auch der Fischotter und der Biber, wenn sie zurückkommen sollen. Es bleibt allerdings die Frage: Inwieweit sind wir bereit, uns auch mit ihnen zu arrangieren, wenn sie uns wirklich wieder begegnen?

Der Klimawandel und seine Folgen – Artenvielfalt und Pflanzen vor dem Aus?

Foto: Philflieger
Foto: Philflieger
Foto: Philflieger

Hochwasser und Dürre – Der Klimawandel hat nur eine Auswirkung auf das Wetter. Richtig? Nein.

Das Klima ändert sich weltweit und die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume lassen sich direkt vor unserer Haustür nachweisen. Im Vergleich mit vor dreißig Jahren lassen sich viele Veränderungen beobachten: Die Apfelblüte beginnt deutlich früher, manche Zugvögel verweilen deutlich länger, andere ziehen früher wieder fort und zahlreiche Arten wandern aus südlichen Gegenden bei uns ein. Diese Arten sind nicht immer als Anreicherung für die Artenvielfalt zu betrachten; sie bieten den heimischen Arten auch Konkurrenz und rauben ihre Lebensräume – so auch in den heimischen Gewässern.

Verlierer des Klimawandels ist beispielsweise die heimische Flussperlmuschel. Die jetzt schon stark bedrohte Muschelart lebt ausschließlich in klaren Gewässern. Steigt die Temperatur, ändert sich auch der Nährstoffgehalt in den Flüssen und Seen. Die Folge: Das Wasser wird trüb, die Artenvielfalt nimmt ab und Algen dominieren.

Was die Flussperlmuschel stark beeinträchtigt, kommt der Asiatischen Körbchenmuschel dagegen zu gute. Die eingeschleppte Muschelart verträgt Verschmutzungen sehr gut und profitiert davon, dass die Temperaturen in vielen Flüssen und Seen nicht mehr unter zwei Grad fallen. Mittlerweile findet sich die Asiatische Körbchenmuschel schon in vielen Gewässern Deutschlands.

Auch die Pazifische Auster verbreitet sich aufgrund der höheren Temperaturen im deutschen Wattenmeer und vertreibt die Miesmuschel. Diese kann sich zwar noch halten, benötigt bei der höheren Wassertemperatur jedoch einen größeren Teil ihres Körpers für den Stoffwechsel. Somit enthält die Muschel bei gleicher Schalengröße weniger Fleisch und ist damit als Nahrung für die Eiderente unzureichend.

Gewinner des Klimawandels sind dagegen beispielsweise die Wasserpflanzen Elodea nuttallii und Najas marina, bekannt als Schmalblättrige Wasserpest und Großes Nixenkraut, die sich seit einigen Jahren rasant ausgebreitet haben. Diese sind nicht nur glitschig und stören die Badenden; sie sind auch ein Indikator für die Beeinträchtigung des Wassers durch die steigende Temperatur. Breiten sie sich aus, beeinflussen sie dabei das sensible Ökosystem des Sees – und das langfristig. Sie verdrängen andere Arten und verändern den Lebensraum anderer Organismen, zum Beispiel den mancher Fische.

Von den in Deutschland lebenden Fischarten sind bereits 48 Prozent durch die Gewässerveränderung gefährdet. Besonders die Fischarten, die bevorzugt in kühlen, sauerstoffreichen Flüssen leben, können sich nur schwer an das wärmere und sauerstoffärmere Wasser anpassen.

Zudem wirken sich zurück gehende Niederschläge auf den Lebensraum der Fische aus. So trocknen kleinere Fließ- und Stillgewässer in heißen Sommern aus, wodurch sich Nähr- und Schadstoffe in dem Niedrigwasser konzentrieren – sie sind somit für viele Arten unbewohnbar. Nur 20 Prozent der Fischarten können sich an Wassertemperaturen von mehr als 20 Grad anpassen und diese zu ihrem Vorteil nutzen.

Häufige Regenfälle in den kalten Monaten schädigen außerdem die Fortpflanzung vieler Fischarten, so auch der Bachforelle. Bodenpartikel, die mit dem Regen ins Wasser getragen werden, stören die Entwicklung der Larven im Kiesbett.

Das Artensterben betrifft natürlich nicht nur die Gewässer. Bis 2050 werden, so sich der Ausstoß der Treibhausgase nicht erheblich ändert, circa eine Million der derzeit lebenden Arten aussterben.

Doch was kann gegen den Klimawandel und damit unter Anderem auch gegen den Anstieg der Wassertemperatur getan werden? Ist es überhaupt noch möglich, das Ganze noch aufzuhalten ?