
Die Heve ist heute ein ganzes Stück breiter als sonst. In den vergangenen Tagen hat es hier im Sauerland viel geregnet und der kleine Fluss führt jetzt jede Menge Wasser mit sich. An manchen Stellen tritt er schon über die Ufer. Es klingt zunächst etwas weit hergeholt, aber auch für die viele Kilometer entfernt wohnenden Menschen in Essen kann das noch wichtig werden. Durch Essen fließt die Ruhr und die Heve ist einer der vielen Bäche und Flüsse, deren Wasserströme sich in der Ruhr treffen. Ähnlich ist es auch mit den Daten über Strömung und Pegelstand dieser Gewässer. In Essen fließen sie zusammen.
Das Sammeln von Daten zu Wasserstand und Fließgeschwindigkeit der zahlreichen Zuströme im Einzugsgebiet der Ruhr hilft dabei, die Gefahr von Hochwasser im Ruhrgebiet einschätzen zu können. Ebenso zeigen die Daten an, wann das zufließende Wasser knapp wird – etwa wenn es im Sommer lange trocken bleibt. Weil aus dem Ruhrfiltrat Trinkwasser für Millionen Menschen gewonnen wird, ist das eine ebenso wichtige Information. Zunutze macht man sich solche Informationen unter anderem beim Ruhrverband: In der Talsperrenleitzentrale in Essen werden sie gesammelt und verarbeitet.
Die Talsperrenleitzentrale ist verantwortlich für acht Talsperren entlang der Ruhr. Mit ihrer Hilfe kann Wasser zurückgehalten oder dem Fluss zugeführt werden – je nachdem welche Pegel an der Ruhr und ihren Zuflüssen gemessen wurden. So lassen sich einerseits Hochwasserspitzen verringern und andererseits die Trinkwasserversorgung garantieren.
Dass dieser Vorgang zentral gesteuert wird, ermöglicht ein schnelles Eingreifen und koordiniertes Handeln, wenn die Wassermenge problematisch wird. Die Talsperrenleitzentrale ist deshalb auch rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst. Etwa 50 Gewässerpegel entlang der Ruhr und ihrer Nebenflüsse werden ständig automatisch aufgezeichnet und an die Zentrale übermittelt. Hinzu kommen die Fließgeschwindigkeiten, die von den Mitarbeitern des Ruhrverbands meistens von Hand gemessen werden. Niederschlagsstationen ermitteln außerdem die Mengen an Regen und Schnee, die dem Fluss neues Wasser zuführen. Aus den Daten der vielen Messungen werden in der Leitzentrale dann Vorhersagemodelle errechnet und die Informationen grafisch veranschaulicht. Nicht nur im Rahmen der Wasserwirtschaft finden diese Informationen anschließend Anwendung. Sie sind auch öffentlich online zugänglich. Hier ist der Wasserstand nach Ort abrufbar, ebenso die aktuelle Stauhöhe der Talsperren. Ein Niederschlagsradar zeigt, wieviel Regen und Schnee im Einzugsgebiet der Ruhr fällt und mithilfe von Webcams kann man sich ein aktuelles Bild von der Ruhr machen, was zum Beispiel für Freizeitkapitäne interessant ist.
Hauptzweck der Messungen bleibt aber, dass die Talsperrenleitzentrale Wasserversorgung und Hochwasserschutz sicherstellen kann. Da verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen davon ausgehen, dass durch den Klimawandel extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und lange Trockenzeiten auch im Einzugsgebiet der Ruhr zunehmen werden, gewinnt diese Aufgabe in Zukunft voraussichtlich an Bedeutung. Der Klimawandel ist jedoch nicht die einzige Herausforderung, vor der die Wasserwirtschaft an der Ruhr steht. Die Sicherheit ihrer technisch anspruchsvollen Anlagen zu gewährleisten gehört ebenfalls dazu. So ist durch Talsperrenbauten das natürliche Fließgewässersystem erheblich verändert, was nicht nur ökologische Auswirkungen hat. Je größer eine Talsperre, desto größer ist auch das Risiko für den Fall, dass sie Schaden nimmt, denn dort wird eine enorme Menge an Wasser und potentieller Energie gespeichert. So muss das Bauwerk immer wieder überprüft werden, um die Gefahr von Verformungen oder einer Veränderung des Untergrunds, beispielsweise durch Sickerströmung, im Auge zu behalten. Auch Erdrutsche und –beben können eine Gefahr sein, etwa wenn ein Hang ins Wasser rutscht und eine plötzliche Welle auslöst. Ebenso belastet extremes Hochwasser das Bauwerk. Wird dadurch eine Talsperre beschädigt oder zerstört, kann das regelrechte Verwüstungen nach sich ziehen, wie das Beispiel der zerstörten Möhnetalsperre im Zweiten Weltkrieg zeigt. Es ist beim Betrieb eines Talsperrensytems also entscheidend, dass seine Vorbereitung auf künftige Ereignisse wie ein verändertes Klima, seine Wartung und Überprüfung mit großer Sorgfalt durchgeführt werden – inklusive der Koordination der einzelnen Talsperren in der Zentrale. Den Wasserstand an kleinen Flüssen wie der Heve zu messen gehört dazu.