Die Aufgabenteilung zwischen Ruhr, Emscher und Lippe

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Foto: Stefan Kunzmann

Dass es im Ruhrgebiet heute ein Forschungsprojekt zum öffentlichen Baden im Fluss gibt, ist auch eine Folge des Strukturwandels in der Industrieregion. Mit dem Niedergang des Tagebaus und der Abnahme der Schwerindustrie an der Ruhr, sind die Möglichkeiten gestiegen, vor Ort die Natur zu genießen. Das gilt auch für die Gewässer. Allerdings nicht für alle gleichermaßen. Denn sie haben traditionell unterschiedliche Aufgaben.

Dazu gehört die Versorgung der Industrie mit Kühlwasser, mit Wasser, um Turbinen anzutreiben und mit Wasser als Rohstoff für die Produktion. Eine Aufgabe, die die Ruhr auch heute noch wahrnimmt. Doch nicht nur um den Durst der Industrie zu löschen, werden große Wassermengen aus dem Fluss entnommen. Auch Trinkwasser wird benötigt und das nicht zu knapp, denn schließlich ist die Region dicht besiedelt. Die Aufgabe der Trinkwasserversorgung kommt dabei traditionell ebenfalls der Ruhr zu. Dass das Wasser aus dem Fluss Millionen Menschen jederzeit aufbereitet im Haushalt zur Verfügung steht, wird mit Hilfe von Technik sichergestellt. Zahlreiche Wasserwerke an der Ruhr besorgen die Aufbereitung des Wassers, hinzu kommt eine Reihe von Flussausbauten, die zur Wasserversorgung beitragen: Talsperren an den Zuflüssen machen möglich, dass auch in trockenen Perioden genügend Wasser vorhanden ist und Stauseen reinigen das Wasser vorab.

Aber die Menschen im Ruhrgebiet trinken das Wasser nicht nur, sie duschen, spülen und waschen auch damit – sehr viel Abwasser gibt es danach zu entsorgen und in den Kläranlagen wieder zu reinigen. Den Transport des Abwassers aus den Haushalten, aber auch aus der Industrie übernimmt zu einem großen Teil die Emscher. Auch das Grubenwasser, das in die alten Bergwerksstollen noch heute eintritt, wird ihr traditionell zugeleitet. Als offener Abwasserkanal trug die Emscher zeitweise den Beinamen „Kloake des Ruhrgebiets“ und wurde zu einem ökologisch toten Fluss. Aufgrund des Bergbaus und der Senkungen des Bodens, die dieser zufolge hatte, schien es lange Zeit unmöglich, das Abwasser im Ruhrgebiet unterirdisch abzuführen. Dass die Ruhr im Gegensatz zur Emscher auch zu Hochzeiten der Industrieproduktion noch Wasser führte, das man zum Trinken aufbereiten konnte, lag auch daran, dass die Emscher buchstäblich die Drecksaufgabe übernehmen musste. Um dort die Folgen der offenen Abwasserentsorgung im Fluss einzudämmen, insbesondere Überschwemmungen der angrenzenden Städte mit Schmutzwasser und mögliche dadurch ausgelöste Seuchen, wurde der natürliche Flusslauf der Emscher im großen Stil verändert, inklusive der Eindeichung erheblicher Teile des Flusses und der Verlegung seiner Mündung.

Als dritter Fluss mit wichtiger Aufgabe für das Ruhrgebiet steht neben Ruhr und Emscher seit den Zeiten des industriellen Booms die Lippe. Ihr Wasser war zum Trinken zu salzhaltig, jedoch dient es bis heute dazu, das westdeutsche Kanalnetz zu speisen. Durch Zuführen von Wasser aus der Lippe – oder durch Zurückpumpen in diese – kann der Wasserstand der Kanäle so reguliert werden, dass dort die Binnenschiffe ungehindert fahren können. Auch zur Kühlung von Kraftwerken wird Lippewasser eingesetzt.

Inzwischen hat sich die klassische Aufgabenteilung der Flüsse im Ruhrgebiet jedoch gewandelt – einhergehend mit dem Wandel der wirtschaftlichen Struktur der Region. Die Nutzung der Flüsse gleicht sich einander wieder an. Schon in der Vergangenheit gab es dabei Überschneidungen, wenn man genau hinsieht. So wurde nicht nur in die Emscher, sondern auch in die Lippe Grubenwasser geleitet und auch über die Ruhr urteilte die „Zeitschrift für Fischerei und deren Hilfswissenschaften“ im Jahre 1912, ihr Wasser sei eine „eine braunschwarze Brühe“ und „absolut tot“. Glücklicherweise verläuft die Angleichung der Flüsse aneinander heute in umgekehrter Richtung – hin zu saubererem Wasser. Auf das Zechenschließen folgte der Wunsch, an den Gewässern einen naturnahen Lebensraum wiederherzustellen. Die „Kloake“ Emscher wird heute im großen Stil ökologisch umgebaut, neue unterirdische Abwasserkanäle und ein zentrales Klärsystem für das Ruhrgebiet sollen helfen, ihr wieder ein natürlicheres Antlitz zu geben, auch wenn der Fluss dabei eingedeicht bleiben wird. Auch die Lippe hat sogenannte naturnahe Uferbereiche zurückbekommen.

Mit der gewünschten Rückkehr der Flüsse zur Natur rückt auch die Erholung an den Gewässern im Ruhrgebiet wieder stärker in den Vordergrund. Das zeigt der Emscher-Radweg entlang des Flussufers ebenso wie die Tatsache, dass an der Ruhr intensiv über das Flussbaden diskutiert wird. Für die Menschen in der Region ist dieser neue Erholungswert eine positive Entwicklung. Ein grundsätzlicher Nutzungskonflikt um die Flüsse bleibt dabei jedoch bestehen. Das zeigt das Beispiel des umstrittenen Vorhabens Lippesee in Hamm. Seine Gegner werfen ihm vor, dass es zugunsten eines Großprojektes für die städtische Erholung die natürlichen Lippeauen zerstören würde. Naturnahe Erholung und natürlicher Lebensraum müssen nicht das Gleiche sein. Die Frage bleibt also bestehen: Inwieweit sollen wir den Flüssen Zwecke zuteilen und sie nach unseren Vorstellungen umgestalten – und inwieweit ihnen ihren Raum lassen?

Professor schwimmt 1.231 Kilometer durch den Fluss – für den Gewässerschutz

 

Foto: Hochschule Furtwangen, Projekt Rheines Wasser.
Foto: Hochschule Furtwangen, Projekt Rheines Wasser.

Wassersport ist im Sommer eine schöne Sache. In vielen Seen und Flüssen kann man rudern, surfen oder schwimmen. Aber gleich 1.231 Kilometer durch einen Fluss schwimmen, von der Quelle bis zur Mündung – warum sollte man sowas Verrücktes machen?

Andreas Fath ist Langstreckenschwimmer. Schon seit er neun Jahre alt ist, springt der mittlerweile 49-jährige mit Vorliebe in Seen und sucht dabei gern die Herausforderung. Den Bodensee hat er deshalb bereits durchquert. Diesmal ist ein Fluss dran. Aber nicht irgendeiner, sondern gleich ein Strom, der von den Schweizer Alpen bis zur niederländischen Nordsee reicht, eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt: der Rhein. Dabei geht es dem Wassersportler Fath allerdings nicht in erster Linie ums Schwimmen.

Denn Andreas Fath ist nicht nur Sportler, er ist auch Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen im Schwarzwald. Als Wissenschaftler interessiert er sich für die Stoffe in den Gewässern, in denen er schwimmt. Denn einige Stoffe finden sich darin, die dort eigentlich nicht sein sollten. Im Rhein etwa Rückstände von Antibiotika, Pestiziden und Düngemitteln, Hormonen (unter anderem von der Anti-Baby-Pille) und sogar von Drogen. „Die Kläranlagen sind nicht in der Lage, all diese Stoffe abzubauen,“ erklärt Andreas Fath.

Vor seiner Hochschultätigkeit hat der Chemiker in der Industrie gearbeitet und Abwasserforschung betrieben. Dabei entwickelte er eine Technik, um bestimmte Schadstoffe zu zersetzen, die bis dahin als nicht zersetzbar galten. „Daran möchte ich weiterforschen“, so der Wissenschaftler. Bloß könne sich seine Hochschule die dafür erforderliche, teure Anlage nicht leisten.

Aus diesem Grund greift Andreas Fath zu außergewöhnlichen Mitteln. Mit seiner Extremsport-Schwimmaktion durch den gesamten Fluss sammelt er Sponsorengelder für das Wasseranalyse-Gerät. Den Rhein schwimmend zu durchqueren – und das wohlgemerkt der Länge nach – ist allerdings keine Aufgabe für untrainierte Schwimmer. Im Schnitt 50 Kilometer am Tag muss Andreas Fath zurücklegen, wenn er wie geplant am 24. August am Ziel in Rotterdam angelangt sein will, wo der Strom am Hoek van Holland in die Nordsee mündet. Deshalb hat sich der Schwimmer ein Jahr lang auf die Mammut-Aufgabe vorbereitet, bevor er am vergangenen Montag endlich in den Rhein sprang. Insgesamt 25 Schwimm-Etappen muss Fath nun bewältigen – und es geht gleich anspruchsvoll los. Denn schon am Vorderrhein in der Schweiz, kurz nach der Quelle des Flusses, kann man in den Rhein nicht so einfach hineinspringen und locker hindurchkraulen. Hier stellt eine Schlucht mit schroffen Felsen eine ernstzunehmende Gefahr dar. Echtes Schwimmen ist deshalb nur schwer möglich – die Etappe wird wohl eher ein Waten mit Schutzhelm durch die schwierigen Strömungen – und das unter Begleitung eines erfahrenen Kajakfahrers, der die Route weist. Interessant für alle Interessierten im Ruhrgebiet wird es besonders bei Etappe 20, die Andreas Fath voraussichtlich am 19. August zurücklegt – hier passiert er in Duisburg die Mündung der Ruhr in den Rhein. Da auf diesem Abschnitt des Flusses viele Frachtschiffe unterwegs sind, von denen der Schwimmer nicht überfahren werden möchte, wird ihn ein Motorboot nach hinten absichern. Enden soll Faths Aktion fünf Tage später bei Rotterdam, wo schließlich der Rhein selbst mündet – in die Nordsee.

Andreas Fath ist aber zu sehr Wissenschaftler, um die 1.231 Rheinkilometer nur mit Schwimmen zu verbringen. Deshalb krault der Chemiker nicht nur durch den Fluss, er untersucht ihn gleichzeitig auch. Begleitet von seinen Studenten nimmt er täglich Wasserproben, deren Ergebnis er nach Ende der Aktion bei einem Wassersymposium vorstellen möchte. Neben den oben genannten Wasserverunreinigungen wie Hormonen oder Antibiotika, stehen dabei auch noch weitere Stoffe auf seiner Untersuchungsliste, etwa kleine Plastikteilchen. „Wir erwarten uns neue wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zur Frage, ob das Problem der Verschmutzung der Ozeane durch Mikroplastik-Abfälle einen Ursprung bereits in unseren Flüssen hat“, erklärt der Professor.

Aber auch, ob sich die Gewässergüte in den letzten Jahren insgesamt positiv entwickelt hat, möchte er herausfinden. Schließlich beziehen allein 22 Millionen Menschen aus dem Rhein ihr Trinkwasser. In diesem Video erklärt Andreas Fath den Hintergrund zu seinem Vorhaben. Es geht ihm auch darum, das Bewusstsein für die Kostbarkeit des Wassers und den Gewässerschutz zu stärken. Wenn ein „verrückter Professor“ durch den Rhein schwimmt, glaubt er, hören die Leute dabei eher hin.

Wie aus Ruhrwasser Trinkwasser wird – die Trinkwasseraufbereitung

Foto: Frank Vincentz.
Foto: Frank Vincentz.

Damit wir Wasser aus der Leitung im Alltag verwenden können, muss es zuvor für den menschlichen Gebrauch aufbereitet werden. Schließlich soll es bedenkenlos getrunken werden können.

Diese Trinkwasseraufbereitung ist ein komplizierter Vorgang, den wir einmal genauer unter die Lupe nehmen wollen. Wie schwierig es ist, Trinkwasser zu gewinnen, hängt natürlich zuerst von der Qualität des Rohwassers ab, das man dafür heranzieht. Im Ruhrgebiet ist es meist das Wasser aus dem Fluss, also aus der Ruhr, das dafür verwendet wird. So wird etwa in Essen das Uferfiltrat des Flusses zur Trinkwassergewinnung genutzt. Die Ruhr gilt zwar heute wieder als sauberer Fluss, aber um den strengen deutschen Vorgaben an Trinkwasser zu genügen, sind einige Arbeitsschritte notwendig, bis aus dem Ruhrwasser schließlich Trinkwasser werden kann.

Grundsätzlich gilt dabei, dass mit dem Verlauf des Flusses von seiner Quelle bis zur Mündung durch den menschlichen Einfluss auch die Gewässerbelastung zunimmt – und somit auch der Aufwand für die Aufbereitung des Wassers. Rein natürliche oder naturnahe Aufbereitungsmethoden reichen bei stärkerer Belastung nicht mehr aus, sondern müssen durch komplexere Verfahren und Verfahrenskombinationen ergänzt werden.

Dabei kommen physikalische, chemische und biologische Wirkungsmechanismen zum Einsatz. Im Wesentlichen kann man die Behandlung des Wassers dabei in zwei Teile gliedern: Die Entfernung von Stoffen, die im Trinkwasser unerwünscht sind – beispielsweise durch eine Enteisenung oder Entsalzung des Wassers. Und die Ergänzung von Stoffen, die im Trinkwasser vorkommen sollen beziehungsweise die „Einstellung“ des Wassers auf die gewünschten Eigenschaften für Trinkwasser – hierunter fällt etwa eine gezielte Veränderung des pH-Wertes.

In Deutschland muss zunächst das Umweltbundesamt die verschiedenen Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren genehmigen, bevor eine Trinkwassergewinnung erfolgen kann. Typische solche Verfahren sind die Wasseraufbereitung durch Zufuhr von Luft (unter anderem zum Austreiben von Kohlendioxid aus dem Wasser und zur chemischen Aufbereitung von unerwünschtem Eisen) sowie das Durchlaufen verschiedener Filter. Dazu gehört in der Regel die sogenannte Juraperle, ein kalziumkarbonhaltiges Filtermaterial, das die vorher aufbereiteten Eisenflocken herausfiltern und den Härtegrad des Wassers beeinflussen kann. Bei stärkerer Belastung des Wassers kann ein Aktivkohlefilter hinzukommen, der hilft Schwermetalle und giftige Chemikalien zu entfernen. Eine gut veranschaulichte Darstellung dieser Verfahren bietet das virtuelle Wasserwerk, das die Trinkwasseraufbereitung in Form einer interaktiven Grafik erklärt.

An der Ruhr werden verschiedene Ressourcen für das Trinkwasser herangezogen – je nach Einzelfall gehören Grundwasser, Uferfiltrat des Flusses und Regenwasser dazu. Da die natürliche Selbsterneuerung dieses Wassers jedoch heute durch die Verschmutzung von Luft und Böden empfindlich gestört ist, sind teilweise aufwendige Verfahrensschritte notwendig, um Trinkwasser daraus zu gewinnen.

Hauptsächlich geschieht die Aufbereitung an der Ruhr durch die Methode der sogenannten Grundwasseranreicherung. Dabei wird das Oberflächenwasser direkt aus dem Fluss entnommen und in Versickerungsbecken geleitet, wo sich unerwünschte Stoffe absetzen sollen. Zum Einsatz kommt dann nach einer Belüftung die Langsamsandfiltration des Wassers. Die Langsamsandfilter halten Verunreinigungen an der Oberfläche zurück oder bauen sie in mikrobiologischen Reaktionen ab. Häufig genügt dies jedoch noch nicht, um die gesetzlichen Anforderungen an Trinkwasser zu erreichen, die vorschreiben, dass es kühl, klar, geruchslos, geschmacksneutral und frei von Schadstoffen sein muss. Um das zu erreichen, sind dann Verfahrenskombinationen nötig, bei denen weitere Aufbereitungsmethoden zum Einsatz kommen, beispielsweise eine Ozonbehandlung zur Beseitigung von Keimen oder die Zugabe einer Lösung zur Algenbekämpfung.

Wie komplex die Wasseraufbereitung so letztlich werden kann, zeigt diese Broschüre für das Beispiel der Stadt Essen. Damit der Aufwand bei der Aufbereitung nicht zu groß wird, macht es Sinn Schadstoffeinträge in das Wasser möglichst schon im Voraus zu vermeiden. Ein Punkt an dem jeder mithelfen kann, damit wir sauberes Wasser zum Trinken haben.

Projektpartner: IHPH – Mit Landkarte und Leuchtmittel gegen Parasiten

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Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr.

In einem kleinen Häuschen im Grünen steht Stephan Luther und pinnt eine Karte an die Wand. „Ich hab da so einen Tick, wahrscheinlich von Berufs wegen – immer wenn es irgendwo eine Karte gibt, dann muss ich die mitnehmen.“ Diese hier kennt der Geograph an der Universität Bonn allerdings sehr gut. Es ist die Badegewässerkarte für Nordrhein-Westfalen.

Stephan Luther arbeitet für das Projekt Sichere Ruhr. Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit IHPH, an dem er zusammen mit fünf anderen Wissenschaftlern für das Projekt forscht, liegt umgeben von Bäumen auf dem Venusberg oberhalb der Bonner Innenstadt. Stephan Luthers Büro ist im ehemaligen Wohnhäuschen des Institutsgründers untergebracht. Im Garten vor seinem großen Fenster sieht man ein Eichhörnchen von Ast zu Ast springen, von der Mensa nebenan kann man das Stadtzentrum überblicken. Ein schöner Arbeitsplatz für einen Geographen. Aber was macht ein Geograph überhaupt an einem Institut für Hygiene?

„Wir sind medizinische Geographen“, meint Luthers Kollege Christian Timm. Am Computer öffnet er noch eine zweite Karte, um zu erklären, was das bedeutet. Es ist eine grafische Darstellung der Ruhr. Christian Timm legt nach und nach weitere Ebenen mit Informationen über die Landschaft. „Hier sieht man jetzt die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die an den Fluss angrenzen.“ Für einen medizinischen Geographen ist daran interessant: Man sieht auf den ersten Blick, von wo aus Düngemittel in den Fluss gelangen könnten – eine mögliche Quelle für Verunreinigungen des Ruhrwassers, die Christian Timm so einfach anhand seiner Karte eingrenzen kann. Dieselbe Ansicht mit den Agrarflächen kann ihm auch einen ersten Hinweis zum Auffinden der Krankheitserreger aus der Tierzucht geben, die im Fluss landen. Und um zu schauen, an welchen Stellen Schadstoffe aus der Industrie der Ruhr Probleme bereiten könnten, ergänzt Christian Timm die Karte einfach um die Darstellung der Industriegebiete.

Karten sind aber nicht die einzigen Hilfsmittel, mit denen Christian Timm und Stephan Luther arbeiten. Denn von ihren Kollegen im Projekt Sichere Ruhr – etwa an den Instituten in Mülheim und Bochum werden die Bonner Geographen mit Daten aus Untersuchungen des Ruhrwassers versorgt. Auch im Bonner Projektteam, das der Mediziner und Geograph Professor Thomas Kistemann leitet, sind ihre Kollegen damit beschäftigt Wasserproben auszuwerten. Biologin Uta Gayer, die biologisch-technische Assistentin Regina Brang-Lamprecht und der Bonner Laborleiter Christoph Koch analysieren das Wasser aus der Ruhr auf seinen Gehalt an Parasiten und Coliphagen hin. Dafür bedarf es guter Vorbereitung und zahlreicher Arbeitsschritte: das Ausspülen der Probenfilter, Konzentrieren der Probe durch Zentrifugation, Isolierung der Parasiten und Einfärben der gesuchten Bestandteile in den Proben mit fluoreszierenden Farbstoffen. Für Uta Gayer sind es so etwa sechs Stunden Vorarbeit, bis sie das kleine Tröpfchen unter dem Mikroskop hat, das sie gerade untersucht. Sie sucht darin nach Giardien und Cryptosporidien, Parasiten, die beim Menschen Durchfallerkrankungen auslösen können. Deren Strukturen sind allerdings nur schwer eindeutig zu erkennen. Hierfür ist ein geschultes Auge nötig. Um die Giardien aufzuspüren, verbringt Uta Gayer viele Stunden im abgedunkelten Labor. Das einzige, was dann leuchtet, sind die Membranen der eingefärbten Parasiten unter dem Mikroskop.

Ähnlich umfassend wie die Biologin – als Aufgabe von A bis Z – betrachten auch Christian Timm und Stepahn Luther ihre Arbeit im Projekt Sichere Ruhr. Die Geographen hoffen, dass ihre Forschungsergebnisse aus drei Jahren Projektarbeit auch danach noch Wirkung entfalten werden – am besten auf die praktische Ausgestaltung von Bademöglichkeiten genauso wie auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Flussbaden. „Schön wäre es, wenn man das Flussbaden dann rechtlich mal genauer fassen könnte“, meint Christian Timm. „Weil die Voraussetzungen bei einem Fluss eben andere sind als bei einem See oder Meer, sollte man auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen daran anpassen und einen rechtlich einwandfreien Raum zum Baden ermöglichen. Zum Beispiel so, dass auch ein temporäres Badeverbot möglich würde, das dann nicht gleich bedeutet, dass man ein Gewässer ganz von der Liste der Badegewässer streicht.“ Der Geograph spielt damit auf ein wichtiges Zwischenergebnis des Forschungsprojektes an: Dass es immer wieder Phasen gibt, in denen die Qualität des Ruhrwassers nicht zum Baden ausreicht – insbesondere nach Starkregen im Sommer – und andere Perioden, in denen das Baden aus hygienischer Sicht durchaus möglich wäre, weil die Wasserqualität des Flusses dann gut ist.

Auch Stephan Luther ist wichtig, dass man Konsequenzen aus den wissenschaftlichen Analysen zieht. „Dass man schaut: Was kann man tun, um die Wasserqualität zu verbessern, was, um die Sicherheit beim Baden zu gewährleisten – und dann eine konsequente Problembekämpfung unternimmt.“ Dafür haben sich die Bonner bemüht, ihre Arbeit für das Projekt gleich zu Beginn auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen. Sie haben eine Datenbank erstellt, die es ermöglicht, wissenschaftliche Artikel zum Thema gesundheitliche Gefährdungen beim Flussbaden zu finden – „als Grundstein für das Projekt und am besten auch darüber hinaus“, sagt Stephan Luther. „Wir haben dafür 40.000 Artikel gesammelt“, berichtet der Geograph, „sie sortiert, herausgefiltert, was mit Oberflächengewässern zu tun hat und gemeinsam mit den Projektpartnern geschaut, was für das Flussbaden relevant ist – jeder Partner mit seiner Expertise.“ Darüber hinaus haben die Bonner Experteninterviews geführt, um die unterschiedlichen Perspektiven derjenigen zu ergründen, die über das Baden in der Ruhr mitentscheiden – Interviews mit Vertretern aus Behörden wie dem Umweltbundesamt, aus der Politik, der Wirtschaft und Umweltverbänden. Diese Befragungen ergänzen sich aber erst mit der Bevölkerungsumfrage, die das IWW in Mülheim im Rahmen des Projekts durchgeführt hat zu einem umfassenden Meinungsbild. Christian Timm betont deshalb, dass man immer auch die Einbindung der Bevölkerung im Auge haben und diese über die Forschungsergebnisse informieren müsse.

Im Moment arbeiten er und Stephan Luther an der Risikobewertung des Ruhrbadens. Dabei haben sie, auf Basis der Messungen aus dem Projekt, eine Erkrankungswahrscheinlichkeit für Badende errechnet – für jeden Tag der Badesaison, die in Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai bis 15. September dauert. Mithilfe des so genannten DALY-Maßes (Disease Adjusted Life Years) wollen die Forscher es erleichtern zu beurteilen, wie hoch das Risiko des Badens im Fluss ist und wie erfolgreich verschiedene Gegenmaßnahmen es verringern können. Die Weltgesundheitsorganisation verwendet so ein DALY-Maß etwa für die Einschätzung von Trinkwasser. Aber Stephan Luther zufolge ist es auch für Badegewässer zu gebrauchen: „Wir nutzen das DALY-Maß, um die Auswirkungen einer Erkrankung, die durch das Ruhrbaden entsteht, in Zahlen fassen zu können“, erklärt er. Christian Timm ergänzt: „Man kann so die Gefahr des Schwimmens in einem Fluss mit anderen Gefahren vergleichen – zum Beispiel mit Autounfällen.“

Würde er denn selbst hineinspringen in die Ruhr, nachdem er diese Vergleichswerte kennt? „Ja, klar“, sagt der 41-jährige Vater. „Ich weiß aber nicht, ob ich auch mit meinen Kindern dort am Strand planschen würde.“ Auch Stephan Luther würde in der Ruhr baden gehen, obwohl er eigentlich das Meer vorzieht. „Aber ich würde es jetzt überlegter tun als vor dem Projekt“, ergänzt er. „Zum Beispiel würde ich vorher kurz nachdenken – hat es eigentlich in den letzten drei Tagen geregnet?“ Als Wissenschaftler betrachten die beiden es eben gerne differenziert.

Projektpartner: Xylem – Bei Regen auf Bakterienfang

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Foto: Julia Eifert, Xylem Water Solutions.

Das gute Wetter vom Wochenende hält an. Jens Gebhardt schaut aus dem Fenster und runzelt die Stirn. Ein paar vereinzelte Wolken sind zu sehen, aber so richtig regnen will es auch an diesem Montag nicht. Anders als die meisten Menschen würde der 28-jährige sich das heute wünschen. Zumindest beruflich.

Der Ingenieur für Wasser- und Abwassertechnik untersucht für das Projekt Sichere Ruhr eine Kläranlage. Genauer gesagt: Er untersucht das Wasser, das aus ihrem Regenüberlaufbecken austritt, auf gesundheitsschädliche Mikroorganismen. Er will wissen, wie groß die Menge an Bakterien ist, die bei schlechtem Wetter durch Überlaufen des Beckens unbehandelt in den Fluss gelangt. Wenn es aber nicht regnet, dann läuft das Becken der Kläranlage Essen-Süd gar nicht über und Jens Gebhardt kann auch nichts messen. „Im letzten Jahr hat es überhaupt nicht genug geregnet für die Messung“, meint der Abwasserexperte. „Deshalb mussten wir ein künstliches Regenereignis simulieren und das Wasser selbst aufstauen.“

Was Jens Gebhardt bei der Untersuchung besonders interessiert, ist, welchen Unterschied die neuen Geräte zur Bakterienbekämpfung machen, die an der Kläranlage testweise installiert sind. Dabei geht es um die Anlagen zur sogenannten Ozonierung sowie zur UV-Bestrahlung des Wassers. Bei der Ozonierung wird Luft beziehungsweise Sauerstoff genutzt, um den unerwünschten Mikroorganismen im Wasser zu Leibe zu rücken. Mithilfe von Elektroden wird aus dem Sauerstoff Ozon erzeugt, das dann mit den organischen und anorganischen Verbindungen im Wasser reagiert und es so schließlich von Bakterien und Schadstoffen befreit. Die UV-Bestrahlung arbeitet dagegen mit Licht, dem ultravioletten Licht einer bestimmten Wellenlänge, das die Erbsubstanz der Bakterien angreift. Die Kleinstorganismen werden von UV-Lampen bestrahlt, bis sie nicht mehr fähig sind sich zu vermehren. „Wir überprüfen das Wasser im Zulauf zur UV-Anlage und schauen, wie viele Mikroorganismen sich darin befinden. Danach messen wir ihre Anzahl noch ein zweites Mal im Ablauf der UV-Anlage“, erläutert Jens Gebhardt. So kann er feststellen, welchen Erfolg die Methode bei der Bakterienbekämpfung hat.

Die an der Kläranlage eingesetzten technischen Vorrichtungen zur Ozonierung und UV-Bestrahlung stammen von der Xylem Water Solutions Deutschland GmbH. In der Firma, die Produkte für die Förderung und Behandlung von Wasser und Abwasser unter den Markennamen WEDECO herstellt und als Projektpartner am Projekt Sichere Ruhr beteiligt ist, arbeitet der junge Ingenieur, seit er dort 2011 seine Masterarbeit geschrieben hat. Neben Jens Gebhardt sind bei Xylem auch noch Diplom-Biologe Jürgen Vogt als Fachmann für die UV-Auswertung sowie Diplom-Ingenieur Arne Wieland mit dem Projekt Sichere Ruhr betraut. Ihre Aufgabe ist neben der Wasserprobenahme und -bewertung auch eine Kostendarstellung. „Wir berechnen für die beiden verschiedenen Techniken Ozonierung und UV-Bestrahlung, was es kosten würde, die Kläranlagen in der Region Essen damit auszustatten“, beschreibt der Xylem-Mitarbeiter ihre Aufgabe im Projekt. „Wir beurteilen, welche der beiden Methoden für den Fall der einzelnen Kläranlagen sinnvoller ist, um die Abtötung der Viren und Bakterien zu erreichen und schauen dabei auch, welches jeweils die kostengünstigere Lösung ist.“

Jens Gebhardt wünscht sich am Ende seiner Kosten-Nutzen-Prognosen und Wasseranalysen so eindeutige Ergebnisse zu haben, dass er eine klare Empfehlung an die Stadt Essen abgeben kann, denn: „Es wäre sicher eine positive Entwicklung für Essen, wenn man den Baldeneysee zum Schwimmen freigeben könnte. Als Freizeitaktivität könnte er dann noch stärker genutzt werden und das wäre bestimmt gut für die Region“, meint der Ostwestfale, der zuhause selbst meist im Frei- oder Hallendbad schwimmt. „Seen oder Flüsse zum Schwimmen gibt es bei uns in Ostwestfalen leider nicht so viele.“ Den hohen Wert einer natürlichen Badeumgebung weiß Jens Gebhardt deshalb zu schätzen. Als Umweltingenieur kennt er aber auch die Schwierigkeiten, die damit verbunden sein können und meint: „Ich kenne die aktuellen Wasserwerte von Ruhr und Baldeneysee nicht genau. Aber unter den jetzigen Bedingungen – da sie nicht als Badegewässer freigegeben sind – würde ich selbst lieber nicht reinspringen.“

Vielleicht können Techniken wie Ozonierung oder UV-Bestrahlung in Zukunft dazu beitragen, die Wasserwerte der Ruhr zu verbessern, auch nach Regenwetter, das sich immer wieder negativ auf die Wasserqualität auswirkt. Deshalb nimmt Jens Gebhardt weiterhin sorgfältig Wasserproben an der Kläranlage. Heute hat er dazu Praktikantin Julia Eifert mit nach Essen genommen, denn für die Probenahme müssen die Xylem-Mitarbeiter immer zu zweit sein. Im weiteren Verlauf der Untersuchung sind dann noch eine ganze Reihe anderer Leute beteiligt, darunter Wissenschaftler vom IWW in Mülheim und der RWTH Aachen. Dass die Wasseruntersuchung in ihren verschiedenen Arbeitsschritten eine Reihe von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Städten involviert, die sich koordinieren müssen, macht es nicht leichter, schnell auf einen Regenfall zu reagieren. „Die Labore müssen zum Beispiel zum passenden Zeitpunkt frei und besetzt sein, wenn wir eine Wasserprobe nehmen, weil dort die Proben aufbereitet werden“, erklärt Jens Gebhardt. Denn das Essener Überlaufwasser muss zeitnah analysiert werden, damit die Ergebnisse aussagekräftig sind. „Wenn es zum Beispiel am Freitagnachmittag regnet und wir danach hier an der Kläranlage Proben ziehen, wird es natürlich schwierig, denn dann sind die Labormitarbeiter schon bald im Wochenende.“ Gebhardt muss lachen: „Deshalb ist es für uns wünschenswert, dass es in der Nacht von Sonntag auf Montag regnet.“ Dass die Natur bei der Untersuchung mitspielt, ist für ihn daher eigentlich die größte Herausforderung bei seiner Arbeit im Projekt Sichere Ruhr.

Pressekonferenz am Baldeneysee – Zwischenergebnisse des Projekts Sichere Ruhr

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Am heutigen Mittwoch kamen Wissenschaftler und Journalisten im Regattahaus am Ufer des Baldeneysees zusammen, um sich mit dem Thema Baden in der Ruhr zu beschäftigen. Auf der Veranstaltung wurden die Zwischenergebnisse des BMBF-Projekts Sichere Ruhr präsentiert und diskutiert:

Zurzeit besteht im Ruhrgebiet ein Badeverbot für die Ruhr und ihre Stauseen. Das Projekt Sichere Ruhr, das vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2014 läuft, überprüft, ob das Baden in der Ruhr hinsichtlich der hygienischen Bedingungen in Zukunft möglich sein könnte. Eine aktuell vom Projekt durchgeführte Bevölkerungsumfrage zeigt, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung eine solche Bademöglichkeit wünscht – und bereit ist, sich finanziell an der Umsetzung zu beteiligen.

Nach zwei Jahren intensiver Forschung können nun erste Aussagen zu den Ergebnissen und zukünftigen Bademöglichkeiten gemacht werden. „Die hygienische Bewertung zeigt, dass Baden in der Ruhr grundsätzlich realisiert werden könnte, wenn auch nicht immer und überall“, sagt Projektsprecher Wolf Merkel. Unter den heutigen Bedingungen wäre die Badenutzung nur an einigen Tagen im Jahr möglich. Um die Zahl möglicher Badetage in der Ruhr zu erhöhen, müsste die Qualität des Wassers noch weiter verbessert werden.

Als Problematisch für den Status eines offiziellen Badegewässers erweisen sich bei natürlichen Gewässern die strengen europaweiten Anforderungen. Eine Einstufung der Ruhr als Badegewässer kann daher zunächst nicht vorgenommen werden, denn, dass das Ziel einer dauerhaften Bademöglichkeit erreicht werden kann ist eher unwahrscheinlich. Allerdings bieten die bereits heute an verschiedenen Abschnitten der Ruhr günstigen hygienischen Bedingungen die Chance, eine rechtliche Basis zu finden, damit der Badespaß bei Trockenwetter geduldet werden kann.

Die beim Baden in der Ruhr bestehenden Gesundheitsgefahren gehen in erster Linie von Krankheitserregern aus. Diese können unter anderem Durchfälle hervorrufen. Erkrankungsrisiken bestehen vor allem für ältere Menschen und Kleinkinder mit einem schwachen Immunsystem. Da die Wasserqualität in natürlichen Gewässern durch Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel das Wetter, jederzeit natürlichen Schwankungen unterliegt, ist ein völlig risikofreies Baden grundsätzlich nicht möglich. Natürlich gibt es beim Baden in Flüssen stets auch Gefahren wie Strömungen oder Treibgut. „Eigentlich sieht es ganz gut aus. Aber Baden in der Ruhr wird immer auch mit Restrisiken verbunden sein“, gibt Merkel zu bedenken. Da jeder selbst entscheiden muss, ob er sich diesen Gefahren aussetzen möchte, würde die Verantwortung, in der Ruhr zu baden, letztlich bei jedem Badegast selbst liegen.

Die hygienische Qualität der Ruhr wird ganz wesentlich durch starken Regen und daraus resultierendes Hochwasser beeinträchtigt. Dabei gelangen Krankheitserreger durch Abschwemmungen von landwirtschaftlichen Flächen, durch Überläufe aus der städtischen Kanalisation und durch Kläranlagenabläufe in den Fluss. Aus diesem Grund wäre die weitere Verbesserung und stetige Kontrolle der hygienischen Wasserwerte in der Ruhr eine Voraussetzung für die künftige Bademöglichkeit.

Hierzu wären zusätzliche technische und organisatorische Maßnahmen notwendig, die den Keimeintrag verringern. Zum Schutz der Badegäste wird derzeit im Projekt auch ein engmaschiges Überwachungssystem erarbeitet. Dieses würde frühzeitig anzeigen, wann das Wasser zum Baden geeignet wäre.

Auch mit der Ausgestaltung von Badestellen beschäftigt sich das Projektteam. Dazu wurden unter Bürgerbeteiligung drei Szenarien zum Baden in der Ruhr entworfen: „Naturnahes Baden“, „Baden an ausgewiesenen Badestellen“, und „Baden in Flussbädern“. Diese Szenarien werden nun als Grundlage für die weitere Planung der Bademöglichkeiten im Gewässer genutzt.  Am 16. und 17. Mai findet ein weiterer Workshop mit Bürgerbeteiligung am Baldeneysee statt. In diesem soll ein Badeszenario im Detail ausgearbeitet werden.

Ob die dabei entworfenen Realisierungsvorschläge, wie eine Bademöglichkeit aussehen kann, aber letztendlich umgesetzt werden, liegt dann an den einzelnen Städten und Kommunen. Derzeit ist zudem noch offen, auf welcher rechtlichen Basis ein Baden in der Ruhr möglich werden könnte. Hierzu analysiert das Projektteam auch die Erfahrungen mit dem Baden in Fließgewässern in anderen Bundesländern und in Europa.

Auf die Endergebnisse des Forschungsprojekts müssen wir noch ein wenig warten – dabei dürfen wir gespannt sein, ob und inwiefern sich die jetzt präsentierten Zwischenergebnisse noch verändern werden.

Vielfalt erhalten am Baldeneysee – das Vogelschutzgebiet Heisinger Bogen

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Foto: Christian Selbach, Sichere Ruhr.

Ein Graureiher landet mit Zweigen im Schnabel auf einem Ast am Ufer des Baldeneysees und senkt seine Schwingen. Sorgfältig bessert das dazugehörige Weibchen bereits das gemeinsame Nest aus. Bald wird das Vogelpaar hier seinen Nachwuchs aufziehen. Auch in diesem Frühjahr kann man ihnen am Baldeneysee wieder dabei zusehen. Etwa 90 Graureiher-Brutpaare nisten hier an der Südspitze der Heisinger Halbinsel. Neben Vögeln leben auch viele Amphibien, Libellen, Falter und Wasserpflanzen im sogenannten Schutzgebiet Heisinger Bogen.

Ein schmaler Wanderweg führt an der Grenze des Schutzgebiets entlang, das von Erlen, Ahorn und Buchen gesäumt ist. Hier bietet sich die Gelegenheit, zahlreiche Vögel zu beobachten, manche davon das ganze Jahr über, denn einige Arten überwintern in Heisingen. Für andere dagegen ist der Heisinger Bogen nur ein Zwischenstopp. Scharen von Wasservögeln nutzen ihn zum Rasten vor ihrem Weiterflug.

Beim Spaziergang am Rande des Schutzgebiets zeigen sich viele Vögel, die den Kontakt mit Menschen gewöhnt sind und kaum Scheu an den Tag legen, darunter Haubentaucher oder Stockenten. Aber auch seltenere Arten kann man hier mit etwas Glück zu Gesicht bekommen, beispielsweise den Eisvogel. Er jagt im Baldeneysee mit Vorliebe nach Fischen. Darin tut es ihm der Kormoran gleich, der schon beinahe ausgerottet war und unter Schutz gestellt wurde. Mittlerweile hat sich der Bestand dieser Vogelart erholt und sie sorgt nun mancherorts für Meinungsverschiedenheiten. Vor allem einige Fischer, die um ihre Erträge bangen, klagen über jagende Kormorane. Am Baldeneysee wurde für dieses Problem jedoch ein Kompromiss gefunden, wie der Naturschutzbund berichtet: Während der Fischaufzucht werden die dafür vorgesehenen Teiche sechs Wochen lang mit Netzen überspannt, um die Kormorane vom Fressen der Jungfische abzuhalten.

Neben der Fischaufzucht ergeben sich auch für die Gewässerhygiene Herausforderungen durch das Vogelschutzgebiet. Mit den Ausscheidungen von Vögeln können etwa Bakterien ins Wasser gelangen. Ein Beispiel hierfür ist Campylobacter, der Erreger der Magen-Darm-Entzündung. „Die Vögel sind hier häufig mit dem Bakterium infiziert, ohne Symptome aufzuweisen“, erläutert Marina Horstkott von der Universität Duisburg-Essen. Die Vermehrungsbedingungen im Wirt Wasservogel seien für den Krankheitserreger sehr günstig, meint die Doktorandin, unter anderem aufgrund der Körpertemperatur der Vögel. „So können hohe Konzentrationen mit dem Vogelkot ausgeschieden werden und ins Wasser gelangen.“ Das Forschungsprojekt Sichere Ruhr hat deshalb direkt am Heisinger Bogen eine seiner Messstellen eingerichtet, um die Auswirkungen der Einträge von Vögeln auf die Wasserqualität zu untersuchen.

Dabei haben die Wissenschaftler eine weitere mögliche „Nebenwirkung“ des für Vögel idealen Schutzraums im Blick: die Badedermatitis. Sie wird von sogenannten Vogelschistosomen ausgelöst, Parasiten, die sich normalerweise Schnecken und Enten als Wirt aussuchen. Christian Selbach, Biologe in der Abteilung für Aquatische Ökologie an der Universität Duisburg-Essen, erklärt: „Das Risiko der Badedermatitis entsteht durch die freischwimmenden Larven der Parasiten, die versehentlich den Menschen befallen und dort einen juckenden Hautausschlag verursachen können.“ Da das Vogelschutzgebiet Heisinger Bogen sowohl für Entenvögel als auch Schneckenarten gute Bedingungen biete, könnten hier auch deren Parasiten vorkommen. „Ein Infektionsrisiko ist allerdings nicht auf dieses Gebiet beschränkt,“ führt der Wissenschaftler aus, „weil geeignete Enten- und Schneckenwirte auch an anderen Stellen im Baldeneysee anzutreffen sind.“

Außer diesen möglichen Nebenwirkungen für Menschen ergeben sich aber auch für die zum Teil bedrohten Tiere im Schutzgebiet Probleme aus dem gegenseitigen Kontakt. Die Fachinformation des Landesumweltministeriums führt Müll, freilaufende Hunde sowie Beeinträchtigungen durch unachtsame Wassersportler als Herausforderungen für das Schutzziel des Gebiets Heisinger Bogen auf. Auch das Füttern der Wasservögel durch Spaziergänger greift in das Ökosystem ein, weshalb davon abzuraten ist. Es kann beispielsweise zu einer Überbevölkerung mancher Vogelarten beitragen – und damit indirekt auch die Wasserqualität negativ beeinflussen, weil ein Überschuss an Vogelkot in den See gelangt.

Im Interesse der Vögel kann man aufs Füttern verzichten und Hunde anleinen. Auf der anderen Seite ist die Badedermatitis für die betroffenen Menschen zwar unangenehm, gilt aber nicht als gefährlich. Was jedoch klar wird: Falls man in Zukunft im Baldeneysee wieder schwimmen könnte, bliebe es wichtig, den Schutz von Badenden und Tieren miteinander in Einklang zu halten.

Projektpartner: IWW – Was die Ampel morgen sagt

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

Jedes Kind lernt früh: Eine grüne Ampel heißt noch nicht, dass tatsächlich alle Autos anhalten. Und jeder Erwachsene weiß: Eine rote bedeutet nicht, dass überhaupt eins kommt.

Dass man also immer noch am besten selbst nach links und rechts schaut, ist im Straßenverkehr jedem klar. Beim Baden in Seen und Flüssen macht sich dies dagegen nicht jeder bewusst. Ein Ort, wo man sich bemüht, dafür ein Bewusstsein zu schaffen, ist das IWW Zentrum Wasser in Mülheim.

Am IWW, wo das Projekt Sichere Ruhr koordiniert wird, beschäftigen sich eine Vielzahl von Mitarbeitern mit dem Ruhrwasser. Dort arbeiten unter anderem Mikrobiologen, Technologen, Ökonomen oder Statistiker an dem Projekt.

Laut Projektkoordinator Dr. Wolf Merkel ist eine wesentliche Aufgabe der Forscher dabei, wissenschaftliche Fakten für die Diskussion um die Frage ‚Könnte die Ruhr künftig zum Baden genutzt werden?’ bereitzustellen. „Im aktuellen Rechtsrahmen ist dies nicht möglich, weil die schwankende Wasserqualität bei Regen in der EU-Badegewässerrichtlinie nicht berücksichtigt wird“, meint der Ingenieur. „Teil der Arbeiten im Projekt ist es daher, Lösungswege hierfür aufzuzeigen.“

Martin Strathmann, Andreas Hein und Hans-Joachim Mälzer sind drei Mülheimer Kollegen, die an diesen Lösungswegen arbeiten. Im Interview mit ihnen wird schnell klar, dass sie eng zusammenarbeiten. Die Daten, die Martin Strathmann und seine Kollegen aus der mikrobiologischen Abteilung sammeln, wenn sie Wasserproben an der Ruhr nehmen, helfen beispielweise Hans-Joachim Mälzer bei der Entwicklung einer aussagekräftigen Vorhersage zur Wasserqualität. Und für Andreas Hein spielt beides eine Rolle, wenn er mögliche Badeszenarien am Baldeneysee miteinander vergleicht. „Im Projekt Sichere Ruhr sind wir nicht nur bei uns im Haus eng vernetzt“, erläutert der Mikrobiologe Martin Strathmann. „Wenn wir an der Ruhr oder am Baldeneysee Wasserproben nehmen sind beispielsweise auch die Kollegen vom Essener Biofilmcenter und Wissenschaftler aus Bonn und Bochum mit dabei.“

„Mit mehreren Kühltaschen bepackt kommen wir dann vom Fluss zurück ins Labor“, beschreibt der 40-jährige die Mühen in der Projektarbeit. Im Labor untersucht er die Proben dann zusammen mit seinen Kollegen Dietmar Pütz, Kathrin Bemmann, Susanne Grobe und Gabriela Schaule.

Das IWW arbeitet breit gefächert und besitzt für den gesamten Wasserkreislauf Experten. Dass Martin Strathmann, der an der Universität Duisburg-Essen promoviert hat, trotzdem auch mit anderen Instituten so häufig in Verbindung steht, zeigt, welche große Menge an Daten und Untersuchungen für das Projekt Sichere Ruhr bearbeitet werden muss.

„Für meine Arbeit kann es eigentlich nicht genug solcher Daten geben“, meint Kollege Hans-Joachim Mälzer, der gemeinsam mit Tim aus der Beek und Frank-Andreas Weber an der Entwicklung einer Vorhersage der Ruhrwasserqualität arbeitet. An seinem Computer im Büro des IWW bastelt er an für Laien nur schwer verständlichen Graphen. Die Berechnungen, die der Ingenieur mit historischen und aktuellen Daten speist, sollen irgendwann helfen, Badende im Voraus vor Wasserverunreinigungen zu warnen. Dafür nutzt der Wissenschaftler, der selbst passionierter Schwimmer ist, statistische Verfahren, physikalisch-chemische Modellrechnungen und zusammen mit dem Projektpartner aquatune auch künstliche neuronale Netze, die er beispielsweise mit Wetterdaten und den Ergebnissen von den Wasseruntersuchungen seiner Kollegen versorgt.

„Es wäre mal interessant, wie viele Daten im ganzen Projekt Sichere Ruhr insgesamt wohl bearbeitet werden müssen“, meint sein Kollege Andreas Hein. „Allein bei unserer Bevölkerungsumfrage haben wir ja schon über 220.000 Einzelantworten bekommen“, erklärt der diplomierte Volkswirt. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziologie, dem Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Duisburg-Essen und dem Ruhrverband haben er und seine Kollegin Marina Neskovic ermittelt, was die Bürger in der Region über das Baden in der Ruhr und dem Baldeneysee denken. Zum Beispiel wurde gefragt, wie viel Geld es den Bürgern wert wäre, dort unter verschiedenen möglichen Bedingungen baden gehen zu können. Nun ist das Team um Andreas Hein damit beschäftigt, anhand der Antworten der Bevölkerung das Verhältnis von Kosten und Nutzen für die verschiedenen Badeszenarien zu bewerten. Die Kosten sind dabei noch nicht vollständig kalkulierbar, weil sie auch von den Ergebnissen anderer Arbeitsbereiche im Projekt Sichere Ruhr abhängen. Aber ein Ergebnis aus der Umfrage verrät der Ökonom schon: „Nur wenige der Bürger, die wir befragt haben, wollen, dass die Badesituation so bleibt, wie sie im Moment ist. Die meisten wünschen sich einen Wasserzugang in Form einer oder mehrerer ausgewiesener Badestellen.“

So eine speziell zum Baden ausgewiesene Uferstelle könnte helfen, Risiken wie einen unebenen Grund oder den Schiffsverkehr auf dem Fluss übersichtlich zu halten. „Ob man auf einem glatten Stein ausrutschen kann oder die vorbeifahrenden Schiffe – das würde mir persönlich mehr Sorgen bereiten als ein möglicher Durchfall“, sagt Mikrobiologe Martin Strathmann. Er weiß aber, dass „auch für die Sicherheit von Kindern oder gesundheitlich angeschlagenen Bürgern mit schwachem Immunsystem gesorgt werden muss und daher eine Bewertung im Rahmen des geltenden Rechts erfolgen muss.“ Sein Kollege Hans-Joachim Mälzer würde gerne eines Tages auch in der Ruhr schwimmen, wenn die rechtliche Situation geklärt ist – so lange geht er weiterhin lieber zum Baggersee.

Andreas Hein findet, dass es wichtig ist, die Bevölkerung über mögliche Risiken und Sicherheitsmaßnahmen zu informieren. „Wenn ich mir etwas wünschen würde, das mindestens überbleiben soll aus dem Projekt Sichere Ruhr, dann wäre das eine höhere Sensibilisierung und besseres Verständnis zu diesem Thema, bei den Badenden selbst, aber auch bei Badebetreibern, Verwaltungen und allen, die es angeht.“ Dabei hofft der Volkswirt, dass aus dem Projekt eine öffentliche Informationsmöglichkeit über den Gewässerzustand hervorgeht, die immer aktuell verfügbar wäre, „also eine Hilfe für denjenigen, der für sich entscheidet, gehe ich rein oder gehe ich nicht rein ins Wasser.“

Eine Ampel könnte das sein, die Grün oder Rot zeigt, je nachdem, ob zu große Sicherheitsrisiken zum Baden bestehen oder nicht. Der passionierte Schwimmer und Verfahrensingenieur Hans-Joachim Mälzer arbeitet mithilfe seiner Modellvorhersagen an so einem Ampel-System. „Die Herausforderung dabei ist, alle Daten richtig auf einfache Aussagen wie ‚Rot’ oder ‚Grün’ oder auf einfache Risikostufen zu reduzieren“, erklärt der Wissenschaftler. Außerdem weiß er natürlich, dass selbst eine solche wissenschaftliche Vorhersage ihre Grenzen hat. Es gilt, wie beim Straßenverkehr, den Verstand sollte man nie ganz ausschalten. Deshalb sind sich die IWW-Mitarbeiter einig, dass sich jeder, der in der Ruhr baden möchte, über die Risiken und seine Eigenverantwortung im Klaren sein müsse. Ob die Ampel schließlich Grün oder Rot zeigt, mag in Zukunft vielleicht nicht nur an der Straßenkreuzung, sondern auch beim Baden in Seen und Flüssen ein nützliches Hilfsmittel sein. Es kann einem aber nicht die Entscheidung abnehmen, ob man schließlich ins Wasser springt.

Roter Planet Ruhr – Das MARS-Projekt erforscht unsere Flüsse

Foto: Benjamin Kupilas.
Foto: Benjamin Kupilas.

Dass es auf unserem Nachbarplaneten einmal Wasser gegeben hat – und damit früher eine wichtige Grundlage für organisches Leben dort existierte – ist ein bedeutendes Zwischenergebnis, das uns amerikanische Roboterfahrzeuge vom Mars geliefert haben. Auch die Europäer haben inzwischen ihr MARS-Projekt und damit haben sie es ebenfalls aufs Wasser abgesehen. Allerdings erforschen Europas Wissenschaftler den lebensspendenden Stoff nicht auf fernen Gestirnen, sondern etwas bodenständiger – vor der eigenen Haustür, zum Beispiel an der Ruhr.

MARS steht in diesem Fall daher nicht für den Planeten sondern für „Managing Aquatic ecosystems and water Ressources under multiple Stress“ und beschäftigt sich mit der Frage, wie mehrere gleichzeitige Belastungen auf ein Gewässer wirken. Als Belastungen – oder sogenannte „Stressoren“, wie die beteiligten Wissenschaftler sagen – gelten beispielsweise Schadstoffe, die durch Industrie oder Landwirtschaft ins Wasser gelangt sind, aber auch klimatische Extrembedingungen wie Hitzewellen oder der Einfluss, den Wasserkraftanlagen auf die betroffenen Gewässer haben. Diese Stressoren haben gemeinsam, dass sie häufig direkt und negativ auf im Wasser lebende Pflanzen, Fische, Insekten oder Mikroorganismen einwirken.

Die MARS-Studie hat sich nun zum Ziel gemacht, speziell das Zusammenwirken solcher Stressfaktoren zu ergründen, weil diese eben nicht mehr nur einzeln, sondern gerade in Kombination auftreten und unsere Flüsse und Seen gemeinsam belasten. Eine Vielzahl von Instituten auf dem ganzen Kontinent ist an der internationalen Studie beteiligt. Mithilfe europaweit gesammelter Daten und deren Vergleich ergründen die beteiligten Forscher, wie die „multiplen Stressoren“ zusammenwirken, wie sie sich gegenseitig verstärken oder auch abschwächen. Dabei erhoffen die sich die MARS-Forscher auch Erkenntnisse über den Effekt, den mehrere gleichzeitige Belastungen auf die Lebensräume bzw. Ökosysteme der europäischen Flüsse und Seen haben.

Auch die Ruhr ist als einer von 16 europäischen Flüssen Gegenstand der Untersuchungen des MARS-Projekts. „Hier werden die Auswirkungen des Eintrags von Feinsedimenten auf den ökologischen Zustand des Flusses untersucht“, erläutert Professor Daniel Hering vom Institut für Aquatische Ökologie der Universität Duisburg-Essen. „Wir analysieren Daten, um die Frage zu beantworten, welche Stressoren-Kombinationen den derzeitigen Zustand der Ruhr bedingen.“ Ziel sei es dabei, eine Vorhersage zu erstellen, wie sich das Ökosystem Ruhr unter verschiedenen Szenarien entwickelt. Genauere Angaben zum Projekt macht Professor Hering in diesem Video-Interview.

Als mögliche Zukunftsszenarien geht das MARS-Projekt etwa von einem zunehmenden Klimawandel aus oder von einer Veränderung der Landwirtschaft hin zu ökologischen Anbaumethoden. Mithilfe von Simulationen soll vorhergesagt werden, welche Konsequenzen diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf den Gewässerlebensraum haben. Dabei geht es dem MARS-Projekt auch darum,  sinnvolle Strategien für den Umgang mit den betroffenen Gewässern zu erarbeiten und so europäische Umweltschutzvorgaben umsetzen zu helfen.

Auf diesem Weg gewinnt das Projekt auch Bedeutung für die Menschen, die an Europas Flüssen und Seen leben, denn diese werden häufig als Quelle für Trinkwasser und Nahrung oder zum Baden genutzt. MARS-Forschung spielt sich also nicht immer weit weg ab, sondern betrifft manchmal auch die Bevölkerung direkt an der Ruhr.

Fische wissen es zuerst – Flusstiere als Indikator für die Wasserqualität

Foto: Dr Bernd Stemmer
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Foto: Bernd Stemmer

Den Spaziergängern verdarb es gründlich ihren Samstagnachmittag: Sie sahen immer mehr tote Fische auf dem Wasser treiben. Tausende Tiere waren es, die Ende 2011 im Essener Stadtteil Kupferdreh ans Ufer der Ruhr gespült wurden und damit für einen Großeinsatz von Behörden und Wissenschaftlern am Fluss sorgten. Wasserproben nach dem Fischunglück wiesen auf eine illegale Schadstoffeinleitung hin, so dass Polizei und Forscher sich auf die Spur der Wasserverschmutzer zu machen begannen.

Das Ereignis liegt inzwischen mehrere Jahre zurück, doch es macht noch immer deutlich: Wenn Fische auf Schwankungen der Wasserqualität reagieren, kann das auch für den Menschen zum wichtigen Hinweis werden, dass etwas mit dem Wasser nicht stimmt.

In München beispielsweise setzen die Stadtwerke deshalb nicht ohne Grund gezielt Bachforellen und Saiblinge ein, um die Trinkwasserqualität in der Großstadt zu überprüfen. Schon auf kleinste Verunreinigungen des Wassers reagieren die Fische meist unmittelbar. Sie zeigen dann zum Beispiel eine eingeschränkte Beweglichkeit oder weichen bei der Nahrungsaufnahme von ihrem üblichen Verhalten ab. Auf diese Weise stellen die Flussbewohner sozusagen ein Frühwarnsystem für Probleme in der  Trinkwasserversorgung dar.

Es verwundert nicht, dass Fische als Wasserlebewesen auch besonders sensibel für  Veränderungen in Gewässern sind. Ein Beispiel ist die Temperatur. So bevorzugen viele Fischarten kühle, sauerstoffreiche Flüsse und können sich nur schwer an wärmeres und sauerstoffärmeres Wasser.  Nur etwa ein Fünftel der Fischarten kann sich an Wassertemperaturen von mehr als 20 Grad anpassen. Wenn Bäche oder kleinere Seen in heißen Sommern durch Verdunstung stark an Wasser verlieren, konzentrieren sich Nähr- und Schadstoffe im verbleibenden Niedrigwasser – worauf wiederum die Fische reagieren.

Derartige Reaktionen von Wasserlebewesen auf Umweltbelastungen besser einschätzen zu können, helfen Forschungsprojekte wie etwa das Projekt MARS, das in 16 Ländern die Auswirkungen verschiedener „Stressfaktoren“ wie Klimawandel oder Landwirtschaft auf die europäischen Gewässer untersucht. In Experimenten wird dabei simuliert, wie wirbellose Tiere, Fische, Wasserpflanzen und Plankton auf mehrere gleichzeitige Belastungen wie die genannten reagieren. Auch in renaturierten Gewässerbereichen wird dies untersucht. „Denn hierzu wissen wir bislang nur wenig“, erklärt Professor Daniel Hering von der Abteilung für Aquatische Ökologie der Universität Duisburg-Essen, die das Projekt koordiniert.

Neben der wissenschaftlichen Untersuchung und Frühwarnung können Fische aber umgekehrt auch gezielt zur Verbesserung der Wasserqualität eingesetzt werden. An den Ruhrtalsperren etwa werden Raubfische eingesetzt, um das gestörte ökologische Gleichgewicht zu korrigieren und so das Algenwachstum einzudämmen. Und am Baldeneysee zeigen Fraßspuren an Elodea-Pflanzen, wie Fische – in diesem Fall Rotfedern – helfen können, schädlichem Pflanzenwuchs zu begrenzen. Die Elodea, auch Wasserpest genannt,  hatte in einigen Ruhrstauseen wie dem Hengsteysee oder dem Kemnader See in den vergangenen Jahrzehnten zum Teil problematische Ausmaße angenommen. Ihr Massenvorkommen hatte zum Verstopfen von Schleusen und Laufwasserkraftwerken geführt sowie die Schifffahrt und den Wassersport behindert.

Der Einsatz von Fischen bei der Eindämmung solcher Probleme zeigt: Die Süßwasserbewohner sind von Bedeutung dafür, wie sich unsere Flüsse und Seen entwickeln und ob wir sie bedenkenlos zum Trinken und Baden, zum Transport und zur Energiegewinnung  nutzen können. Laut Weltnaturschutzorganisation (IUCN) sind allerdings von den 522 Arten der europäischen Süßwasserfische mehr als ein Drittel bedroht.

Gründe für das großflächige Artensterben sind unter anderem die Regulierung von Flüssen, die Entwässerung von Feuchtgebieten, die Wasserentnahme durch den Menschen und der Klimawandel. Auch Wehre und Staumauern von Kraftwerken können besonders die wandernden Fischarten gefährden.

Zwar werden Süßwasserfische erfolgreich zur Pflanzeneindämmung und in Wasseruntersuchungen eingesetzt, aber vielleicht müsste man fragen: Nehmen wir die Fische als Hinweis auf unsere Gewässerqualität wirklich ernst genug?

 

Die Industrie hat Durst

Foto: Hans-Jürgen Wiese
Foto: Hans-Jürgen Wiese
Foto: Hans-Jürgen Wiese

Das Ruhrgebiet ist bekannt als eine der ehemals größten Industrieregionen Europas. Der Grund für den Boom der Region als industrielle Hochburg liegt tief verborgen unter der Erde: Kohle, der Brennstoff der Industrie. So wurde in der Region lange Zeit Kohle gefördert, Koks erzeugt und Stahl gegossen. Doch das Kohlevorkommen allein ist kein Garant für das industrielle Wachstum einer Region. Wo Brennstoff ist muss auch ein Löschmittel sein. Damit ist Wasser eine ebenso unverzichtbare Voraussetzung für die Produktion von Waren. In erster Linie löscht das Wasser allerdings nicht Brennstoffe sondern den allgemeinen Durst der Industrie, und der ist groß. Durch das Ruhrgebiet fließt mit der Ruhr eine Quelle, die den Durst der Industrie mit ihrem Wasservorrat stillen kann. In dem Fluss liegt damit ein zweiter Schlüssel für das damals starke Wachstum der Industrie im Westen Deutschlands. Aber warum ist der Durst der Industrie so groß und welche Auswirkung hat das auf die Flüsse?

Von dem Süßwasser, das uns weltweit zur Verfügung steht, werden bis zu 20 Prozent für die Produktion verschiedenster Güter genutzt. Nach Angaben der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz toppt Deutschland diesen Durchschnittswert sogar. Hier ist es rund ein Drittel des Süßwassers, das auf Produktionsprozesse entfällt. Dabei verbraucht die chemischen Industrie mit der Hälfte des Wassers, das in der gesamten deutschen Industrie genutzt wird, den Löwenanteil. Doch auch die Metall- und die Papierindustrie benötigen viel Wasser für die Produktion ihrer Güter. Für die Herstellung von einer einzigen Tonne Stahl werden zum Beispiel ganze 200.000 Liter Wasser benötigt. In einer Tonne Papier steckt sogar die doppelte Menge Wasser. Doch den Preis für den höchsten Wasserverbrauch pro Tonne gewinnt Plastik: Für diesen Produktionsprozess wird sage und schreibe eine halbe Million Liter des kostbaren Guts benötigt.

Das Wasser wird in den industriellen Prozessen auf vielfältige Art eingesetzt. Natürlich dient es als Rohstoff, der in die Produkte mit einfließt. Es wird aber auch in verschiedenen Bereichen der vielen Produktionsschritte eingesetzt, etwa als Kühlwasser, oder als sogenanntes Kesselwasser, um Dampfturbinen zu betreiben.

Diese großen Mengen an Wasser werden zum großen Teil aus Oberflächengewässern in der Nähe der Industriestandorte gewonnen – also aus Seen oder Flüssen. So auch aus der Ruhr. Natürliche Gewässer verfügen allerdings nicht immer über die gleiche Menge an Wasser, sie unterliegen natürlichen Schwankungen. Vor allem in sehr heißen und trockenen Sommern kann daher der Wasserstand eines Flusses in großen Industrieregionen nicht ausreichend sein, um den Bedarf zu decken. Damit im Ruhrgebiet im heißen Sommer die Industrieanlagen jedoch nicht still stehen, werden Schwankungen des Wasserstandes in der Ruhr mit Hilfe von Talsperren ausgeglichen. So kann zum einen die Versorgung der Industrie mit ausreichend Wasser sichergestellt werden, zum anderen wird so aber auch die Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung gewährleistet. Insgesamt gibt es im Versorgungsgebiet des Ruhrverbandes, der die Ruhr bewirtschaftet, acht solcher Talsperren. Diese betreibt der Verband gemeinsam mit allen Unternehmen, die im Jahr mehr als 30.000 Kubikmeter Wasser  aus der Ruhr entnehmen. So kann der Durst der Industrie im Ruhrgebiet täglich gestillt werden.

Der hohe Wasserverbrauch, der für die Herstellung der vielen Güter anfällt, ist allerdings nicht der einzige Wehmutstropfen unseres täglichen Konsums. Eine weitere Schwierigkeit, die sich aus dem hohen Wasserverbrauch der Industrie ergibt, ist das viele Abwasser, das bei der Produktion entsteht. Das Wasser, das in den Herstellungsprozess einfließt und nicht direkt in den Gütern verarbeitet wird, muss schließlich irgendwo bleiben. Das Problem ist dabei, dass das Abwasser meist mit vielen Stoffen wie zum Beispiel Schwermetallen, Ölen oder Säuren belastet ist. Es kann also nicht einfach wieder in die Flüsse zurückgeleitet werden, sondern muss zunächst vorbehandelt werden. In der Vorbehandlung müssen die verschiedenen Schadstoffe wieder aus dem Wasser herausgefiltert werden, bevor es dann in die öffentlichen Kläranlagen zurückgeführt wird. Diese Kläranlagen übernehmen dann den restlichen Reinigungsprozess des Wassers.

Um den Industriefluss Ruhr sauber zu halten, unterhält der Ruhrverband fast hundert Kläranlagen. Außerdem gibt es an der Ruhr fünf Stauseen, die den Fluss durch Sedimentierung auf natürliche Art reinigen. Der Baldeneysee hält beispielsweise mehrere zehntausend Tonnen verunreinigten Schlamm pro Jahr zurück. So konnte erreicht werden, dass die Ruhr, trotz ihrer turbulenten Vergangenheit, heute auf dem größten Teil ihrer Strecke nur noch mäßig belastet ist.

Ganz schön viel, was wir der Ruhr schon alles zugemutet haben. Aber Verbrauch und Verunreinigung von Wasser sind nun mal unvermeidliche Nebenwirkungen von Industrieproduktion. Oder lässt sich Industrie auch wasserfreundlich denken? Zumindest ein paar Ansätze gibt es schon: So wird in vielen Produktionskreisläufen das Wasser mehrmals hintereinander benutzt. Das spart nicht nur Wasser, sondern senkt auch die Wasserkosten für die Unternehmen. Auch werden heutzutage zum Beispiel Verunreinigungen wie Metalle so aus dem Wasser herausgefiltert, dass sie als Wertstoffe zurückgewonnen und recycelt werden können. An neuen Verfahren zum Schutz der Gewässer wird stetig weiter geforscht. Vielleicht sind wir eines Tages so weit, dass die industrielle Produktion von Konsumgütern nicht mehr zu Lasten der Gewässer geht?

Selbst ran an die Suppe – Bürgerinitiativen für sauberes Wasser

Foto: Henry Herkula
Foto: Henry Herkula
Foto: Henry Herkula

„Nicht so schnell, nicht so schnell, du musst das mit Gefühl machen!“ Zwei Jugendliche zerkleinern Weißfische für einen großen Topf. „Das ist Fisch, den man sonst nicht so gut verwenden kann“, erklären sie. „Damit der nicht weggeschmissen wird, verwenden wir den jetzt für die Suppe.“

Nicht nur von den Zutaten her ist es keine ganz gewöhnliche Suppe, die die Jugendlichen zubereiten. Sie kochen die Fischsuppe für Bundestagsabgeordnete. Beim „Flussparlament“ werden sie später mit den Politikern über Gewässerschutz sprechen. Denn da gibt es einiges auszulöffeln: Hochwasser und Überschwemmungen, bedrohte Wassertiere, die Verschmutzung von Trinkwasser, Gefahren beim Schwimmen in Flüssen und Seen – alles wichtige Probleme, die gelöst werden müssen, wie die jungen Gewässerschützer finden.

Das Flussparlament ist eine Idee der Big Jump Challenge, einer Initiative, in der sich Jugendliche mit kreativen Aktionen für Gewässerschutz engagieren. Die Big Jump Challenge ist ein Beispiel für den freiwilligen Einsatz rund ums Thema Wasser. Denn der tut Not, meinen die großen deutschen Naturschutzverbände einhellig.

Etwa in Nordrhein-Westfalen: Hier seien über achtzig Prozent der Flüsse und Seen sowie vierzig Prozent der Grundwasserkörper in einem Besorgnis erregenden Zustand, merken sie an. „Unseren Gewässern geht es schlecht“, kritisiert Holger Sticht vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Große Teile des Grundwassers und viele kleinere Flüsse in Nordrhein-Westfalen sind durch eine unverantwortlich wirtschaftende Agrarindustrie übermäßig mit Nitraten oder Pestiziden verunreinigt.“

Besonders für die Wassertiere ist das ein Problem, aber natürlich stellt es auch die Trinkwasserversorgung und die Badesicherheit vor Herausforderungen. Beim Naturschutzbund (NABU) sorgt sich Josef Tumbrinck noch um etwas anderes: „Gewässerschutz ist auch vorsorgender Hochwasserschutz“, erklärt er und fordert mehr Initiative bei der Entwicklung von Auen und Gewässerschutzstreifen, um ungewollte Überschwemmungen zu vermeiden.

Solche Initiativen zum Gewässerschutz entstehen jedoch nicht von selbst. Bei der Landesgemeinschaft Natur und Umweltschutz Nordrhein-Westfalen wirbt man deshalb für ehrenamtlichen Einsatz. Freiwillige könnten „selbst Hand anlegen, um unsere natürlichen Lebensadern zu verbessern“, etwa bei Projekten zur Renaturierung oder der Übernahme von Bachpatenschaften.

Unter anderem fürs Selbst-Handanlegen wurde das „Wassernetz NRW“ gegründet, über das Vereine und Helfer aktiv werden und sich engagieren können. Das Wassernetz soll die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie unterstützen und fördert dazu im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums die Beteiligung der Öffentlichkeit.

Eine Reihe von Vereinen kann man hierzulande finden, um sich selbst für sauberes Wasser stark zu machen. Dazu gehören beispielsweise die BürgerInitiative für Sauberes Trinkwasser, die Stiftung Wasserlauf, die insbesondere Wanderfischen helfen und die Gewässer schützen und renaturieren möchte oder die Initiative Amphibienschutz am Angelgewässer, in der Angelvereine sich gemeinsam für Frösche, Kröten und Molche einsetzen, die als besonders bedroht gelten.

Wer sich mehr für die größeren Zusammenhänge interessiert, ist bei Kampagnen wie right2water an der richtigen Adresse, das gerade mit einer europäischen Bürgerinitiative einen Erfolg gegen die Trinkwasserprivatisierung verbucht hat oder kann bei viva con agua mitmachen, das deutschlandweit an Kindergärten, Schulen und Universitäten über das globale Thema Wasser aufklärt und sich für Zugang zu sauberem Trinkwasser weltweit einsetzt.

Möglichkeiten gibt es also einige, die Verantwortung für unser Wasser selbst in die Hand zu nehmen. Bleibt vor allem die Frage: Wie viel eigenen Einsatz ist es uns wert, die Suppe auszulöffeln?

Projektpartner: Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin – Viren, die faszinieren

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr

Im Redaktionsbüro der Website www.sichere-ruhr.de an der Universität Duisburg-Essen wird kein Kaffee mehr gekocht. „Bis auf weiteres darf das Wasser nur zum Händewaschen verwendet werden“ steht auf einem Ausdruck, der an der Tür hängt. Es wurden Krankheitserreger im Wasser gefunden. Die Kollegen sind aufgelöst. Arbeiten ohne Kaffee? Wie soll das gehen?

Die Erreger, die in der Redaktion für Panik sorgen, sind für Lars Jurzik nichts Besonderes. Der Hygieniker aus dem Sauerland sucht beruflich danach. Im Labor der Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin an der Ruhr-Universität Bochum ermittelt er die Häufigkeit von Viren im Ruhrwasser für das Projekt Sichere Ruhr.

„Genauer gesagt machen das meist meine Kollegen Mats Leifels und Dr. Hamza Ewess“, erklärt der Mikrobiologe, denn er selbst sitzt zur Zeit meist mehr am Schreibtisch als im Labor. Für das Projekt Sichere Ruhr steht viel theoretische Arbeit an: Jurzik wälzt Bücher, tauscht sich mit anderen Wissenschaftlern zum Thema aus, schreibt Texte zur Virenanalyse, – und koordiniert Termine. „Für mich vielleicht die größte Herausforderung“, lacht er. Im Projekt Sichere Ruhr arbeiten die Bochumer unter Leitung von Professor Dr. Michael Wilhelm mit einer ganzen Reihe von Partnern zusammen. Am intensivsten mit dem IWW in Mühlheim, von wo man die Proben bekommt – acht große Kanister voll Wasser, und das jede zweite Woche über einen Zeitraum von 18 Monaten. „Das meiste davon packen wir erstmal in den Kühlraum“, sagt Jurzik.

Das Ruhrwasser aus den Kanistern wird zunächst gefiltert, in kleinen Mengen von jeweils zwei Litern. Nicht mehr als drei bis fünf Milliliter Flüssigkeit mit Viren bleiben dabei hinterher von dem Zehn-Liter-Kanister übrig, der Rest geht in den Abfluss. Insgesamt ist das Labor bei einer einzigen Wasserprobenlieferung aus Mülheim zweieinhalb Tage allein mit dem Filtrieren beschäftigt, bevor die enthaltenen Viren genauer untersucht werden können. Dies geschieht zeitversetzt, denn es soll möglichst effizient gearbeitet werden, weshalb man bis zu 36 Proben auf einmal analysiert. Die Bochumer arbeiten mithilfe einer sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR): Die Bruchstücke der enthaltenen Viren-DNA werden vervielfacht und dabei zugleich ihre Menge bestimmt – so dass man hinterher zuverlässig die Konzentration von Viren im Ruhrwasser hochrechnen kann. Diese Hochrechnung ist ganz entscheidend für die spätere Risikobewertung. „Im Moment ist es für so eine Risikobewertung aber noch zu früh“, meint der Wissenschaftler. Um aus diesen Ergebnissen das Risiko für die Badegäste abzuschätzen arbeitet der Mikrobiologe eng mit den Kollegen vom Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Universität Bonn zusammen. In ca. 4 Monaten können sie beurteilen, inwiefern sich das Ruhrwasser aus hygienischer Sicht zum Baden eignet.

Es bleibt zu fragen ob Lars Jurzik als Wissenschaftler nun selbst reinspringen würde in die Ruhr? „Ja, das würde ich!“ In die Ruhr selbst ist er zwar noch nicht gesprungen, hat aber schon mehrfach im Sauerland in Seen gebadet. Sein persönlicher Wunsch wäre, dass das Projekt am Ende der Untersuchungen grünes Licht geben kann zum Baden „Wir sind ja angetreten, um nachzusehen, ob die Wasserqualität der Ruhr so gut ist, dass man drin schwimmen kann“, sagt der Virenforscher.

Die Virenforschung im Wasser ist noch ziemliches Neuland – für Jurzik als Mikrobiologen faszinierend. „Wir haben deshalb auch begeistert ‚ja’ geschrien, als wir gefragt wurden, ob wir bei diesem Projekt mitmachen möchten“, lacht er. Aber dann überwiegt doch der Gedanke an die Sicherheit. „Es gibt ja nicht nur die Schwimmer, es gibt auch viele Segler, Angler und nicht zuletzt Kinder, die mal in die Ruhr reinspringen. Deshalb wäre es schön zu wissen, dass die Virenkonzentration so gering ist, dass niemandem etwas passiert.“

Keine Ende in Sicht – Pumpen laufen für sauberes Wasser

Foto: Frank Vincentz
Foto: Frank Vincentz
Foto: Frank Vincentz

In Griechenland rollte Sisyphos immer wieder denselben Stein auf den Berg. Im Ruhrgebiet steht er unter Tage an der Pumpe. Um Bergbau betreiben zu können, müssen die Gruben von eindringendem Wasser befreit werden. Und auch wenn die meisten Zechen  inzwischen stillgelegt sind – die Pumpen laufen immer noch. Unter anderem für unser Trinkwasser.

Nach wie vor sammelt sich Wasser in den alten Gruben des Steinkohlebergbaus. Auch wenn es den Bergleuten nicht mehr ihre Arbeit erschwert: Für die Menschen im Ruhrgebiet bringt dieses Wasser immer noch Lasten mit sich – Ewigkeitslasten sogar, denn es muss auf unbestimmte Zeit aus den stillgelegten Gruben entfernt werden.

Nicht nur kann das Grubenwasser zum Aufweichen des Bodens führen, bis hin zu Erdrutschen als möglicher Folge. Auch besteht die Gefahr, dass es sich mit dem höher gelegenen Grundwasser vermischt, wenn es ansteigt. Das ist deshalb problematisch, weil das salz- und säurehaltige Grubenwasser mit einer Reihe von Stoffen belastet sein kann, die nicht ins Trinkwasser gehören, zum Beispiel Nickelsulfat, Eisenoxide und Mangan.

In der Ruhrregion wird Grundwasser zur Trinkwassergewinnung genutzt. Die Grundwasser führenden Erdschichten müssen also vor dem Eintreten jeglicher Schadstoffe bewahrt werden, so auch vor dem Eindringen des Grubenwassers. Gerade im Süden des Ruhrgebiets, etwa in Essen, wo Trinkwasser aus dem Uferfiltrat der Ruhr gewonnen wird, ist das von großer Bedeutung.

Die 1996 stillgelegte Zeche Zollverein im Essener Norden ist ein Beispiel für den Betrieb von Pumpen zur Hebung von Grubenwasser. Zwei von insgesamt sechs Horizontalkreiselpumpen sind dort dauerhaft in Betrieb und fördern das Wasser zu Tage. Auch das Grubenwasser anderer Zechen im Umkreis hat man bewusst über das Niveau von Zollverein ansteigen lassen, um es nach dorthin fließen zu lassen, wo es schließlich abgepumpt wird.

Hunderte solcher Pumpen laufen im gesamten Ruhrgebiet, um die Ewigkeitslasten der Region zu bewältigen. Neben dem Schutz des Grundwassers sorgen sie auch dafür, Flächen künstlich trockenzuhalten, die infolge des Bergbaus abgesackt sind und sich nun immer wieder mit Wasser füllen – sogenannte Polder. Im Ruhrgebiet so die Polder trocken zu legen und das Grundwasser zu sichern sind Aufgaben für die Ewigkeit. Auch wenn sie wie eine Sisyphosarbeit scheinen – wichtig, dass sie gemacht wird.

 

Die Wildtiere kehren zurück – auch an die Ruhr

Weißstorch. Foto: Zibolsky. NABU
Weißstorch. Foto: Zibolsky. NABU
Foto: S. Zibolsky, NABU

Was haben ein Lachs und ein Fischotter gemeinsam? Beide schwimmen selten in der Ruhr, denn in Nordrhein-Westfalen sind sie vom Aussterben bedroht. Die roten Listen gefährdeter Arten scheinen hierzulande immer länger zu werden. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings, dass es auch umgekehrt gehen kann: Manche bedrohten Tierbestände erholen sich europaweit, auch an Rhein und Ruhr. Gesetzlicher Schutz hat ihnen geholfen.

Die Studie „Wildlife Comeback in Europe“, die in Zusammenarbeit der Zoological Society of London mit dem Dachverband des deutschen Naturschutzbundes (BirdLife International) und den Vogelschützern vom European Bird Census Council durchgeführt wurde, listet 37 Rückkehrer nach Europa auf: Bekannte Tierarten, die stark gefährdet waren, deren Bestände sich aber inzwischen spürbar erholt haben. So prominente Vertreter wie der Grauwolf und der Seeadler sind darunter.

Zu den auch in Nordrhein-Westfalen beheimateten Tieren, die wieder zahlreicher geworden sind, gehören der Weißstorch, der Wanderfalke und der Biber. Letzterer breitet sich etwa im Rheinland wieder aus. Auch an der Ruhr freuen sich manche Spaziergänger, ihn wiedergesehen zu haben, jedoch wird er dabei meist mit der hier häufig vorkommenden Biberratte verwechselt. Der Biber ist auch ein Beispiel für die Probleme, die wir mit wilden Tieren haben, mit denen wir es nicht mehr gewöhnt sind zusammenzuleben. Dass Biber Bäume fällen, ist bekannt, aber wenn sie es dann tatsächlich tun, fühlt sich manch einer gestört. In Bayern ging das bereits soweit, dass Bibergegner die Dämme des Nagers angezündet oder mit dem Bagger planiert haben.

Damit es soweit nicht kommt, ist Aufklärung über die Verhaltensweisen wilder Tiere und über den richtigen Umgang mit ihnen gefragt. So sieht es auch Frans Schepers von der Initiative Rewilding Europe. Ihm ist wichtig, „dass wir die Toleranz für wildlebende Tiere erhöhen.“ Denn nur dann ist ihrem Comeback auch Erfolg vergönnt.  „Die Wildtiere kehren zurück, wenn wir es ihnen erlauben“, so Schepers, „dieser Report zeigt das.“ Auch würden noch weitere Arten folgen, glaubt der Naturschützer. Aber nur unter der Bedingung, dass wir die Tiere „weiterhin gesetzlich schützen, ihre Bestände aktiv pflegen und wiederansiedeln.“ Professor Jonathan Baillie von der Londoner Zoologischen Gesellschaft pflichtet ihm bei: „Die vorliegende Studie hilft uns zu verstehen, welche Schritte notwendig sind, um anderen Arten eine ähnliche Erholung ihrer Bestände zu ermöglichen.“

In der Studie zum Wildlife-Comeback werden als erfolgreiche Maßnahmen für die Rückkehr der Tiere unter anderem die Gründung des Netzwerks europäischer Schutzgebiete (Natura 2000) genannt sowie die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Denn die Qualität der Gewässer spielt für viele Tiere eine entscheidende Rolle.

Dennoch müssten sich die untersuchten Tierbestände noch weiter erholen, bevor sie als gesichert gelten könnten, so die Studie. Der Naturschutzbund merkt trotz aller Erfolge an, dass der Bestand anderer Arten weiterhin dramatisch abnähme. Dies gelte insbesondere für die Vögel der Agrarlandschaft. Dazu zählen solche wie die Grauammer, die weniger bekannt sind und unscheinbarer wirken als die Naturschutz-Aushängeschilder Adler oder Storch.  Der Präsident des Naturschutzbundes Olaf Tschimpke fordert deshalb, bestehendes Naturschutzrecht konsequenter umzusetzen: „Solange die deutschen Behörden bei der Zerstörung von artenreichem Grünland in Schutzgebieten alle Augen zudrücken, ist ein Comeback unserer Wiesenvögel in weiter Ferne“, kritisiert er.

Ein Beispiel für Maßnahmen zugunsten der Wiesenvögel ist die Heisinger Aue in Essen. Im Vogelschutzgebiet am Baldeneysee zeigen sich zudem Erfolge beim Schutz von Arten wie dem schillernden Eisvogel, für den sauberes Wasser und naturnahe Flüsse besonders wichtig sind. Letzteres benötigen auch der Fischotter und der Biber, wenn sie zurückkommen sollen. Es bleibt allerdings die Frage: Inwieweit sind wir bereit, uns auch mit ihnen zu arrangieren, wenn sie uns wirklich wieder begegnen?

Projektpartner: RWW – High-Tech im Arbeitsalltag

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Den meisten Ruhrgebietlern wird die Rheinisch Westfälische Wasserwerksgesellschaft, kurz RWW, wohl als lokaler Wasserversorger bekannt sein. 1912, vor etwa 100 Jahren, nahm die RWW ihren Betrieb auf, um die Region flächendeckend und verlässlich mit hygienisch einwandfreiem Wasser zu versorgen. Doch was ist die Rolle der RWW im Projekt Sichere Ruhr?

Im Rahmen der Aufbereitung des Trinkwassers in den Wasserwerken überprüft die RWW konstant die Qualität des Ruhrwassers und des Trinkwassers, das aus dem Fluss gewonnen wird. So werden täglich Proben genommen, um sicherzustellen, dass die Qualität den hohen Standards der Trinkwasserverordnung entspricht. Die RWW verfügt als Wasserversorger des Ruhrgebiets also über eine enorme Menge an Daten, welche die Qualität des Flusswassers betreffen.

Im Projekt Sichere Ruhr arbeitet die RWW besonders eng mit dem IWW Zentrum Wasser und dem Biofilm Centre der Universität Duisburg-Essen zusammen. Die in der Vergangenheit erhobenen Daten zur Qualität des Flusswassers stellt sie diesen Partnern für ihre Arbeit gern zur Verfügung – denn gemeinsam arbeiten sie bei Sichere Ruhr daran, die Wasserqualität des Flusses eingehend zu untersuchen. Der Prozess beginnt mit der Probenahme an der Ruhr und schließt sowohl die mikrobiologische Untersuchung als auch die finale Analyse der Daten mit ein.

Für Sichere Ruhr ist bei der RWW ein vierköpfiges Team tätig. Zu diesem gehören der Laborleiter Dr. Mathias Schöpel, über den die Beteiligung der RWW am Projekt stattfand, die Labor-Koordinatorin Dr. Anne Heyer sowie die Mitarbeiter Laura Sellmons und Guido Geburtzky. Das Team beteiligt sich an einer Vielzahl von Projekten und integriert die für Sichere Ruhr anfallenden Aufgaben auf Abruf in den Arbeitsalltag. Dieser spielt sich vor allem in einem modernen Labor ab, das eine Vielzahl an High-Tech Apparaten und Geräten bereit hält- besonders für den Laien ein faszinierender Anblick.

Für die Arbeiten am Projekt Sichere Ruhr dient das Wasserwerk Styrum Ost in Mülheim als Referenzwasserwerk und Messstelle. Guido Geburtzky erklärt, dass Proben zum einen vom Rohwasser, welches direkt aus der Ruhr stammt, und zum anderen vom Wasser, aus den einzelnen Aufbereitungsschritten des Wasserwerks entnommen wird. Diese Proben werden dann im Labor zum Beispiel von Laura Sellmons auf ihre Gesamtkeimzahl hin untersucht. Dabei geht es darum, einen Überblick zu bekommen, wie viele Keime überhaupt im Wasser enthalten sind. Spezieller werden etwa coliforme Bakterien gesucht. Diese dienen als Indikatororganismen, das bedeutet, sie sind ein Hinweis für die sanitäre und hygienische Beschaffenheit des Wassers – wo solche Organismen zu finden sind, da ist die hygienische Wasserqualität nicht optimal.

Die Ergebnisse der Untersuchungen für Sichere Ruhr sind für das Team der RWW sehr interessant, weil sie im Zusammenhang mit diesem großen Projekt stehen. So berichtet Laura Sellmons, dass die Arbeit für sie besonders spannend ist, weil sie weiß, dass sie eine besondere Probenahme begleitet und die Ergebnisse nicht für eine Routineuntersuchung sind, sondern in ein gesellschaftlich-relevantes Projekt einfließen werden. Guido Geburtzky ergänzt, dass das Projekt Sichere Ruhr ja nicht nur für die RWW als Wasserversorger neue Kenntnisse und Ergebnisse hervor bringt, sondern das ganze Ruhrgebiet betreffen kann. Vor allem im Bezug zum bestehenden Badeverbot seien die Ergebnisse ihrer Arbeit für die breite Öffentlichkeit von großem Interesse.

Die Untersuchungen der Proben haben bisher gezeigt, dass das Wasserwerk Styrum Ost sehr gut funktioniert, berichtet der gelernte Chemietechniker Guido Geburtzky. Bereits in der Langsamsandfiltration, der ersten Reinigungsstufe des Wasserwerkes, werden die meisten Keime herausgefiltert. Die weitere Stufen der Aufbereitung, wie die Flockung, Filtrationstufen u. a. mit Aktvikohle und Ozonung, tragen zur effektiven Entfernung von Keimen bei.

Weitere erste Ergebnisse zeigen Schwankungen in der Wasserqualität der Ruhr. Denn der Fluss ist ständig einer Vielzahl von Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Verschiedene Faktoren, dazu zählen zum Beispiel die Nebenflüsse, Regen oder Überschwemmungen, beeinflussen Qualität des Wasser und verursachen so die gemessenen Schwankungen.

Ein Wunschergebnis hat das Team der RWW nicht. Denn, so geben Laura Sellmons und Guido Geburtzky lachend zu bedenken, Ergebnisse lassen sich nicht wünschen. Die Arbeit in der Mikrobiologie ist an Fakten gebunden und sollte nicht durch persönliche Einstellungen beeinflusst werden. Schön wäre es jedoch, im Laufe des Projekts Sichere Ruhr herauszufinden, ob sich Ereignisse und deren Folgen für die Wasserqualität vorhersehen lassen. Die beiden Experten schätzen die Chance, ein solches System zur Vorhersage zu entwickeln, als relativ gut ein. Allerdings – darüber sind sich die beiden im Klaren – wird es immer gewisse mikrobiologische Verunreinigungen geben, die sich nur sehr schwer vorhersagen lassen.

Auf die Frage, ob sie zum derzeitigen Stand ein Bad in der Ruhr wagen würden, reagierten beide zurückhaltend. Guido Geburtzky räumte ein, durch seine Ausbildung sowie jahrelange Arbeit im Bereich Mikrobiologie beeinflusst zu sein und mit anderen Augen auf die Ruhr zu schauen. Auch Laura Sellmons, Bachelorabsolventin des Studiengangs Water Science, würde auf das Schwimmen in der Ruhr verzichten, wenn sie die Wahl hätte. Ob ein Frühwarnsystem, das die aktuelle Wasserqualität der Ruhr anzeigt, ihre Meinung ändern würde? Da sind sich beide einig: Sie würden sich im Voraus informieren, auf das entwickelte System vertrauen und bei positiv angezeigter Wasserqualität sorglos in die Ruhr springen. Schließlich, so fügt die 29-jährige zwinkernd hinzu, sei die Ruhr ja nicht der Ganges.

Bei Grün Baden – Ein Warnsystem für die Wasserqualität

Foto: Joe Shlabotnik
Foto: Joe Shlabotnik
Foto: Joe Shlabotnik

Bei Sonnenschein und warmen Temperaturen locken Flüsse und Seen mit scheinbar sauberem, klarem Wasser. Verführerisch plätschern Gewässer vor sich hin und laden dazu ein, sich darin zu erfrischen. Doch mit bloßem Auge ist für den Laien nicht zu erkennen, wie es um die Qualität des Wassers steht und ob krankmachende Bakterien oder Viren darin enthalten sind.

Besonders in großen Städten mit einer gemeinsamen Kanalisation für Abwasser und Regenwasser kann die Kläranlage nach heftigen Regenfällen gelegentlich überlaufen. Die Folge: Ein Gemisch aus Abwasser und Regenwasser läuft ungeklärt in Flüsse und Seen und beeinflusst die Wasserqualität. Verschmutzungen die sich hieraus ergeben, können beispielsweise in Form von Bakterien wie E. coli oder Enterokokken nachgewiesen werden.

Nach bisherigen Strategien zur Überprüfung der Wasserqualität wird an einer bestimmten Stelle eine Wasserprobe entnommen und anschließend auf Krankheitserreger untersucht. Im Wasser enthaltene Stoffe sowie deren Konzentration können so erfasst werden. Diese Werte verraten allerdings nur etwas über die Wasserqualität am entsprechenden Ort und zum jeweiligen Zeitpunkt der Messung. Besonders in Flüssen werden Verunreinigungen jedoch durch die Strömung weiter getragen. Die Ergebnisse solcher Messungen eignen sich also nur bedingt, um kurzfristig eine Aussage über die Wasserqualität in einem Flussabschnitt oder einem See zu machen oder gar eine Empfehlung zum Baden zu geben.

Ergänzend zu den Messungen der Wasserqualität kommt vermehrt die Anwendung von Vorhersagesystemen in Betracht. Ein Frühwarnsystem, das vor einigen Jahren in Dänemark entwickelt wurde, ist das Bathing Water Forecast System (BWF System). Die Entwicklung des Systems geschah vor dem Hintergrund, dass das Kopenhagener Hafenbecken nach über fünfzig Jahren des Badeverbots wieder zum Schwimmen freigegeben werden sollte. Das Frühwarnsystem sollte verhindern, dass Badende gesundheitliche Risiken eingingen.

Herzstück des Frühwarnsystems ist eine Datenbank, die mit einer Vielzahl von Informationen gespeist wird. Zum einen werden Rahmenbedingungen wie die Fließgeschwindigkeit und -richtung sowie Temperatur eingegeben. Zum anderen werden die meteorologischen Gegebenheiten von einer Wetterplattform hinzugezogen. Zusätzlich werden Daten von Entsorgungsunternehmen bereitgestellt, die Abwässer in das Kanalisationssystem einleiten. Außerdem werden bakterielle Belastungen aufgrund empirischer Zusammenhänge abgeschätzt, zum Beispiel auf Basis von Regenmessungen. Schließlich wird mit Hilfe dieser täglich aktualisierten Informationen simuliert, wie sich Verschmutzungen im Gewässer ausbreiten. Eine mehrtägige Prognose zur Qualität des Wassers kann so getroffen werden, die einerseits auf einer Website und andererseits mobil mit Hilfe einer App abgerufen werden kann.

Dieses System ermöglicht es den Badenden, sich spontan über die Qualität eines Gewässers zu informieren und auf Grundlage dieser Information die Entscheidung zu treffen, ob sie sich im kühlen Nass erfrischen möchten oder nicht. Da das Baden in fäkal verunreinigten Gewässern gesundheitsgefährdend sein kann, kann dieses System dazu beitragen, das Erkrankungsrisiko zu senken, da es anzeigt, wann die Wasserqualität nicht ausreichend zum Baden ist.

Ein solches bereits bestehendes Frühwarnsystem einfach zu übernehmen und für die Ruhr zu verwenden, ist allerdings nicht ohne weiteres möglich. Es gilt, die jeweiligen spezifischen Bedingungen eines jeden Gewässers zu beachten. Daher ist es notwendig, ein speziell auf die Gegebenheiten der Ruhr abgestimmtes System zu entwickeln. In das Frühwarnsystem sollen Messwerte von E. coli und Enterokokken, die als Indikator für bestimmte Krankheitserreger gelten, eingespeist werden. Außerdem ist es geplant, das Zusammenspiel von Krankheitserregern und Rahmenbedingungen, zum Beispiel Temperatur und Fließgeschwindigkeit, zu berücksichtigen. Nur aus der Kombination dieser Faktoren könnte es möglich sein, eine Vorhersage der Wasserqualität zu machen. Die Entwicklung eines Systems, das diese Faktoren mit einbezieht, ist unter anderem eines der Ziele des Projekts „Sichere Ruhr“. Ebenso muss ein System zur Darstellung entwickelt werden, sprich wie und wo findet man die Informationen? Denkbar wären beispielsweise Ampeln oder Fahnen, die am Ruhrufer aufgestellt werden könnten, so wie man es von Meeresstränden kennt.

Die Frage ist jedoch: Würden wir tatsächlich zuerst einen Blick auf die Website oder in die App werfen, bevor es ins kühle Nass geht? Oder treffen wir solche Entscheidungen eher spontan aus dem Bauch heraus?

Projektpartner: aquatune – Im Bann der Daten

Foto: Jörg Gebhardt
Foto: Jörg Gebhardt
Foto: Jörg Gebhardt

Fließgeschwindigkeit: 2,6 Meter pro Sekunde, Wassertemperatur: 16,4 Grad Celsius, Niederschlag: 4,5 Millimeter pro Stunde, Trübung: 12,6 FNU – bei unserem Projektpartner aquatune dreht sich alles nur um das Eine: Daten, und zwar eine ganze Menge davon. Wo anderen schwindelig wird vor lauter Zahlen, ist Jörg Gebhardt genau in seinem Element. Der promovierte Diplom-Physiker ist im Projekt Sichere Ruhr zuständig für die Entwicklung eines Frühwarnsystems, das anhand von verschiedenen Gegebenheiten in der Ruhr die Keimbelastung des Wassers voraussagen soll, ohne täglich zeitintensive Messungen vornehmen zu müssen. Sollte das Baden in der Ruhr eines Tages erlaubt werden, kann dieses Frühwarnsystem die Badenden vor drohenden Keimbelastungen im Wasser rechtzeitig warnen und so das Infektionsrisiko senken. Und diese komplizierte Aufgabe können Jörg Gebhardt und seine Kollegin Silke Müller nur mit Hilfe vieler verschiedener Daten lösen.

Daten, das sind in erster Linie die im Rahmen des Projektes von anderen Projektpartnern gemessenen Werte zu den Krankheitserregern in der Ruhr. Auch die Messergebnisse von unterschiedlichen Messstationen an der Ruhr fließen in die Konzeption des Warnsystems ein. Hier werden beispielsweise die Fließgeschwindigkeit oder die Wassertemperatur des Flusses dokumentiert. Außerdem sind auch Informationen zu den Einleitungen verschiedener Abwasseranlagen nötig, um die komplexen Berechnungen durchführen zu können. Und weil das Team von aquatune nie zu viele Daten haben kann, zieht es zusätzlich Informationen wie Temperaturverläufe oder Niederschlagsmengen vom Wetterdienst hinzu.

All diese Daten speist Jörg Gebhardt dann in ein zuvor entwickeltes Computerprogramm ein. In diesem Programm werden die Daten dann ausgewertet und zueinander in Relation gesetzt. Es werden künstliche neuronale Netze entwickelt, die dann auf Basis der eingepflegten Daten trainiert werden, korrekte Aussagen zur Keimbelastung in der Ruhr zu machen. Man kann sich den ganzen Prozess vorstellen wie eine Box, erklärt der Physiker: Auf der einen Seite der Box gehen Signale ein, das sind die gesammelten Daten. In das Innere der Box hat man zwar keinen Einblick, weiß jedoch, dass die Daten dort weiterverarbeitet werden. Und am Ende der Box kommt ein Ergebnis raus, das ganz einfach anzeigt, ob der Fluss auf Basis der gelieferten Daten Badewasserqualität hat oder eben nicht. Sehr vereinfacht kann man sagen, dass sie eine Ampel für den Badebetrieb entwickeln, die dann je nach prognostizierter Keimbelastung entweder auf grün oder auf rot steht.

Die größte Herausforderung für Jörg Gebhardt und sein Team sind nicht etwa die komplizierten Berechnungen oder Programmierungen des Computers, sondern eine saubere Datengrundlage zu erhalten, die dann in die Modellierung der Box eingespeist wird. Die langjährige Erfahrung des 56-jährigen – nicht nur aus dem Projekt Sichere Ruhr sondern auch aus anderen Projekten ­–­ zeigt nämlich, dass es oftmals schwierig ist, ausschließlich fehlerfreie Daten zu nutzen. Das liegt daran, dass die Daten immer von Partnern geliefert werden. Bei den Partnern werden diese teilweise lange Zeit im Voraus erhoben und in Statistiken, Tabellen und Ordnern archiviert. Dabei kommt es immer mal wieder zu Übertragungsfehlern oder auch Messfehlern, die nach so langer Zeit nicht mehr nachvollzogen werden können. Da die Daten nicht direkt in einem lauffähigen System weiter verarbeitet werden, fällt zunächst nicht auf, dass sich von Zeit zu Zeit kleine Fehler einschleichen. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Daten schließlich bei aquatune zum Einsatz kommen, ist es dann nicht mehr möglich, fehlerbehaftete Daten von zuverlässigen Daten zu trennen. So kommt es vor, dass manchmal Zahlen mit in die Auswertungen einfließen, die falsch aufbereitet oder nicht ganz korrekt bemessen sind. Für das Projekt Sichere Ruhr treffen diese Einschränkungen aber nur bedingt zu, da hier zum Großteil mit Labordaten gearbeitet wird. Diese werden unter strengen hygienischen und methodischen Vorgaben erhoben. In Projekten, in denen vorwiegend Messergebnisse genutzt werden, die nicht im Labor gemessen werden, ist es schwieriger. In solchen Fällen muss Jörg Gebhardt seine Partner immer wieder zu größter Sorgfalt anhalten und sie zum Beispiel bitten, ihre Messsensoren regelmäßig zu reinigen, um Fehlwerte zu vermeiden.

Den Großteil der Daten erhält der Aarbergener von dem Sichere Ruhr Projektpartner IWW. Aus diesem Grund arbeiten aquatune und das IWW beinahe täglich Hand in Hand. Denn nur wenn der Datenfluss stetig weiter fließt, können die Physiker ihre Berechnungen immer wieder aufs Neue anpassen und die neuronalen Netze im Innern der Box so trainieren, dass sie verlässliche Aussagen produzieren. Außerdem wertet das Team um Jörg Gebhardt die Daten gemeinsam mit dem IWW aus. Sie werden interpretiert und gemeinsam erfolgt dann eine Einschätzung, ob die Daten valide sind. Auch die Analyse der konstruierten Modelle nehmen die beiden Institute gemeinsam vor, denn sie ergänzen sich in ihren Spezialgebieten sehr gut: aquatune bringt mit der Technologie das Handwerkszeug mit, während das IWW das Prozess-Know-How beisteuert. Das ist nicht nur effizient, sondern so bereitet die Arbeit allen Beteiligten auch großen Spaß.

Über das IWW sind Jörg Gebhardt und sein Team ursprünglich auch dazu gekommen, sich am Projekt Sichere Ruhr zu beteiligen. Da die beiden Projektpartner schon viele Projekte erfolgreich miteinander realisiert haben, lag es nahe, auch in diesem Projekt an die langjährigen gemeinsamen Erfahrungen und Erfolge anzuknüpfen. Außerdem fand Jörg Gebhardt die Fragestellung sehr spannend, und wollte gerne einen fachlichen Teil zur Lösung des gestellten Problems beitragen.

Sein Wunschergebnis für eben dieses Problem wäre ganz einfach, dass sich die Menschen, bevor sie in einem natürlichen Gewässer baden gehen, nüchtern und sachlich mit den Wasserwerten auseinander setzen. Jeder Badegast sollte die Entscheidung, ob er baden gehen möchte oder nicht, auf der Basis der gegebenen Daten treffen. Ob es in der Zukunft irgendwann dazu kommen wird, dass die Bewohner der Metropole Ruhr vor diese Entscheidung gestellt werden, kann Jörg Gebhardt nicht einschätzen. Die Verantwortung, dies umzusetzen, liegt letztlich bei der Stadt Essen und den anderen Anrainerstädten der Ruhr. Einen Gewinn für die Region – sollte das Badeverbot in der Ruhr in der Zukunft gelockert werden – kann er sich trotz aller Unwägbarkeiten vorstellen: Die Gewässerqualität, die heute schon besser ist als vor 20 bis 30 Jahren, wäre ein weiteres Stückchen verbessert. Hierdurch könnte der Ruhrgebietler auf lange Sicht die Natur zurückgewinnen und sorglos in der Ruhr baden gehen. Den entscheidenden Pluspunkt sieht der Physiker im steigenden Freizeitwert durch das Baden in der freien Natur ­– und das mitten im vorurteilsbehafteten Pott.

Es bleibt die spannende Frage ob Jörg Gebhardt heute in der Ruhr baden würde. Da er nicht so der ängstliche Typ ist, würde er es tun – vorausgesetzt, es wäre erlaubt. Allerdings würde er vorher noch einmal einen tiefen Blick in die aktuellen Daten werfen, denn die sind ja bekanntlich sein Steckenpferd. Und die Nähe einer Einleitungsstelle von Abwasseranlagen, die würde er beim Baden grundsätzlich vermeiden.

Wasser als Ware? Die Privatisierung eines gemeinsamen Guts

Foto: Gaz Haywood
Foto: Gaz Haywood
Foto: Gaz Haywood

Im Dezember des vergangenen Jahres berichtete das WDR-Magazin Monitor über das Vorhaben der EU, eine Richtlinie zu verabschieden, die die Vergabe von öffentlichen Aufträgen europaweit einheitlich regelt. Dienstleistungen sollten danach öffentlich ausgeschrieben werden, was eine Liberalisierung des Marktes und eine Öffnung für private Anbieter zur Folge hätte. Bereiche wie Energie und Wärme aber auch Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft sollten davon betroffen sein. Der Bericht sorgte für Aufsehen, denn Journalisten, Bürgerrechtler und Gegner befürchteten eine Privatisierung der Wasserversorgung, die versteckt in dieser Richtlinie eingeführt werden sollte.

Gegner des Vorhabens warfen der EU vor, die Privatisierung des Wassersektors heimlich durch die Hintertür einzuführen. Denn die geplante Konzessionsrichtlinie thematisierte nur am Rande die Liberalisierung des Wassermarktes. Die EU wehrte sich heftig gegen diese Vorwürfe und erklärte, dass lediglich das Vergaberecht von Aufträgen in der EU modernisiert werden sollte und eine Privatisierung der Wasserversorgung keineswegs das Ziel sei. Stattdessen sollte der Wettbewerb zwischen Unternehmen gefördert und Chancengleichheit gewährleistet werden. Die Öffnung des Marktes hätte eine belebte Konkurrenz zur Folge und würde dadurch bessere und günstigere Produkte sowie mehr Konsum und Wachstum bedingen. Dies alles könnte sich wiederum positiv auf die Beschäftigungsrate ausüben. Befürworter aus der Wirtschaft erklärten, dass Wasser eine Ware sei, wie jedes andere Lebensmittel auch und daher nicht staatlich kontrolliert werden dürfte.

Bisher gehören die Wasserwerke traditionell den Kommunen, die sich durch Beiträge der Bürger finanzieren und nicht dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. Die Einnahmen werden zur Deckung der Kosten verwendet und in den Erhalt der Systeme investiert. Die Wasserqualität des deutschen Wassers hat sich wiederholt als gut bei gleichzeitig günstigem Preis herausgestellt. Private Unternehmen streben im Gegensatz zu Kommunen Gewinne an und müssen sich der Konkurrenz auf dem Markt stellen. Die Gegner einer Privatisierung fürchten daher Preissteigerungen und Qualitätsverluste. So hat beispielsweise in Frankreich eine Teilprivatisierung des Wassermarktes statt gefunden, die zu steigenden Preisen bei sinkender Qualität geführt hat. Derzeit sind die französischen Kommunen darum bemüht, die Wasserwerke nach und nach wieder in die staatliche Hand zu nehmen.

Aktivisten gründeten die Bürgerinitiative right2water, um gemeinsam gegen die Privatisierung der Wasserversorgung vorzugehen. Die erste Bürgerinitiative auf europäischer Ebene war geboren. Knapp 1,9 Millionen EU-Bürger unterschrieben die Petition, die forderte, das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung in einer europäischen Gesetzgebung zu verankern. Im September dieses Jahres wurde die Aktion abgeschlossen, die Unterschriften geprüft und an die Europäische Kommission weiter geleitet. Die erste europäische Bürgerinitiative hat Wirkung gezeigt: Der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier sorgte dafür, dass die Wasserversorgung aus der Konzessionsrichtlinie gestrichen wurde.

Doch die Frage bleibt: Ist Wasser eine Ware, die an den Meistbietenden veräußert werden kann? Oder gibt es einen Unterschied zu Gütern wie Brot, Land oder Öl?

Herbstsonne tanken beim Enten füttern

Foto: Klearchos Kapoutsis
Foto: Klearchos Kapoutsis
Foto: Klearchos Kapoutsis

Der Sommer ist vorbei, unaufhaltsam nähert sich der Winter, die Vorfreude auf die Weihnachtszeit steigt – doch bevor es soweit ist, erwartet uns ein zwischenzeitliches Rendezvous mit dem Herbst. Er besticht mit heißem Tee im gemütlichen Wohnzimmer an verregneten Sonntagen. Oder mit ausgedehnten Spaziergängen an kalten Novembertagen, an denen wir die letzten Sonnenstrahlen tanken. Kastanien sammeln, dem bunten Schauspiel der Blätter zuschauen und Enten füttern, im Herbst geht es bei gutem Wetter raus in die Natur. Im Ruhrgebiet eignen sich hierfür besonders der Kemnader See oder der Baldeneysee.

Das Besondere an Seen, Flüssen und Weihern ist die Vielfalt an Tieren, die man beim Schlendern am Ufer beobachten kann. Ein großer Spaß für Kinder ist dabei das Füttern von Enten und Schwänen, die sich gerne dort tummeln, wo es Brot und Körner zu picken gibt. Ein Spaß, der jedoch für die Tiere und die Umwelt nicht ganz ohne Folgen bleibt. Denn was viele Spaziergänger nicht wissen: Das Füttern von Wasservögeln richtet eigentlich mehr Schaden an, als es nützt. Es kann den Tieren langfristig schaden und auch die Qualität der Gewässer nachhaltig beeinträchtigen.

Für gewöhnlich finden Enten und andere Wasservögel in ihrer natürlichen Umgebung ausreichend Futter. Durch die zusätzlichen Nahrungsmittel von Spaziergängern verfetten die Tiere und verlieren ihre natürlichen Instinkte. Sie gewöhnen sich an die regelmäßige Fütterung durch den Menschen und verlernen als Folge, selbst auf Futtersuche zu gehen. In Zeiten, in denen sie nicht durch den Menschen gefüttert werden, sind sie häufig nicht mehr in der Lage, sich selber ausreichend zu ernähren.

Weiterhin vertragen Tiere wie Stockenten oder Schwäne menschliche Lebensmittel nur schlecht. Auf dem Ernährungsplan der Vögel stehen in der Regel Pflanzen und von Zeit zu Zeit tierische Nahrung, beispielsweise Würmer oder Schnecken. Die unnatürliche Nahrung wie Brot oder gar Kekse kann zu Nährstoffmangel führen und bewirken, dass die Tiere im Frühjahr besonders dünnschalige Eier legen. Hierdurch ist wiederum der Nachwuchs gefährdet.

Hinzu kommen Probleme, die die Qualität des Wassers sowie andere Lebewesen in den Gewässern betreffen: An Orten, an denen Wasservögel regelmäßig gefüttert werden, sammeln sich die Tiere gerne. Die Vogel-Population ist an diesen Stellen daher größer als sie von der Natur gegebenen wäre. Insbesondere die großen Mengen an Vogelkot führen zu einer starken Belastung der Gewässer – denn durch ihn können Krankheitserreger wie zum Beispiel EHEC in das Wasser gelangen. Auch durch große Mengen von Speiseresten können sich Mikroorganismen im Wasser vermehren. Diese Mikroorganismen können für Enten und vor allem kleinere Wassertiere gesundheitsgefährdend und teils sogar tödlich sein.

Auch können Nahrungsreste, die nicht von den Tieren gefressen werden, Schaden anrichten: Die Lebensmittel sinken langsam im Gewässer ab, dies kann zu Eutrophierung des Gewässers führen. Das bedeutet, es sind mehr Nährstoffe im Wasser als von der Tierwelt benötigt werden, das Wasser ist überdüngt. Hierdurch wachsen mehr Algen und andere Wasserpflanzen, die das natürliche Gleichgewicht des Gewässers aus dem Takt bringen. Außerdem wird sehr viel Sauerstoff benötigt, um die Nahrungsreste im Wasser abzubauen. Dieser Sauerstoff fehlt dann anderen Lebewesen im Wasser. Die Folge kann vermehrtes Fischsterben sein. Auch dies begünstigt ein Ungleichgewicht des Naturzustandes. In extremen Fällen kann dies schließlich dazu führen, dass das Gewässer „kippt“ – es riecht übel und verfärbt sich bräunlich-grün.

Um die natürlichen Zustände der Gewässer weitgehend zu erhalten oder wieder herzustellen, gehen immer mehr Städte wie beispielsweise Hamburg oder Siegen so weit, das Füttern von Wasservögeln zu verbieten. Dies mag im ersten Moment zu Unverständnis und Enttäuschung führen – besonders unter den Kindern. Doch profitieren wir nicht alle mehr davon, wenn wir langfristig die natürliche Umgebung der Wasservögel schützen und auf diesem Weg auch die Gewässer rein halten?