Vielfalt erhalten am Baldeneysee – das Vogelschutzgebiet Heisinger Bogen

Graureihernester am Baldeneysee.
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Foto: Christian Selbach, Sichere Ruhr.

Ein Graureiher landet mit Zweigen im Schnabel auf einem Ast am Ufer des Baldeneysees und senkt seine Schwingen. Sorgfältig bessert das dazugehörige Weibchen bereits das gemeinsame Nest aus. Bald wird das Vogelpaar hier seinen Nachwuchs aufziehen. Auch in diesem Frühjahr kann man ihnen am Baldeneysee wieder dabei zusehen. Etwa 90 Graureiher-Brutpaare nisten hier an der Südspitze der Heisinger Halbinsel. Neben Vögeln leben auch viele Amphibien, Libellen, Falter und Wasserpflanzen im sogenannten Schutzgebiet Heisinger Bogen.

Ein schmaler Wanderweg führt an der Grenze des Schutzgebiets entlang, das von Erlen, Ahorn und Buchen gesäumt ist. Hier bietet sich die Gelegenheit, zahlreiche Vögel zu beobachten, manche davon das ganze Jahr über, denn einige Arten überwintern in Heisingen. Für andere dagegen ist der Heisinger Bogen nur ein Zwischenstopp. Scharen von Wasservögeln nutzen ihn zum Rasten vor ihrem Weiterflug.

Beim Spaziergang am Rande des Schutzgebiets zeigen sich viele Vögel, die den Kontakt mit Menschen gewöhnt sind und kaum Scheu an den Tag legen, darunter Haubentaucher oder Stockenten. Aber auch seltenere Arten kann man hier mit etwas Glück zu Gesicht bekommen, beispielsweise den Eisvogel. Er jagt im Baldeneysee mit Vorliebe nach Fischen. Darin tut es ihm der Kormoran gleich, der schon beinahe ausgerottet war und unter Schutz gestellt wurde. Mittlerweile hat sich der Bestand dieser Vogelart erholt und sie sorgt nun mancherorts für Meinungsverschiedenheiten. Vor allem einige Fischer, die um ihre Erträge bangen, klagen über jagende Kormorane. Am Baldeneysee wurde für dieses Problem jedoch ein Kompromiss gefunden, wie der Naturschutzbund berichtet: Während der Fischaufzucht werden die dafür vorgesehenen Teiche sechs Wochen lang mit Netzen überspannt, um die Kormorane vom Fressen der Jungfische abzuhalten.

Neben der Fischaufzucht ergeben sich auch für die Gewässerhygiene Herausforderungen durch das Vogelschutzgebiet. Mit den Ausscheidungen von Vögeln können etwa Bakterien ins Wasser gelangen. Ein Beispiel hierfür ist Campylobacter, der Erreger der Magen-Darm-Entzündung. „Die Vögel sind hier häufig mit dem Bakterium infiziert, ohne Symptome aufzuweisen“, erläutert Marina Horstkott von der Universität Duisburg-Essen. Die Vermehrungsbedingungen im Wirt Wasservogel seien für den Krankheitserreger sehr günstig, meint die Doktorandin, unter anderem aufgrund der Körpertemperatur der Vögel. „So können hohe Konzentrationen mit dem Vogelkot ausgeschieden werden und ins Wasser gelangen.“ Das Forschungsprojekt Sichere Ruhr hat deshalb direkt am Heisinger Bogen eine seiner Messstellen eingerichtet, um die Auswirkungen der Einträge von Vögeln auf die Wasserqualität zu untersuchen.

Dabei haben die Wissenschaftler eine weitere mögliche „Nebenwirkung“ des für Vögel idealen Schutzraums im Blick: die Badedermatitis. Sie wird von sogenannten Vogelschistosomen ausgelöst, Parasiten, die sich normalerweise Schnecken und Enten als Wirt aussuchen. Christian Selbach, Biologe in der Abteilung für Aquatische Ökologie an der Universität Duisburg-Essen, erklärt: „Das Risiko der Badedermatitis entsteht durch die freischwimmenden Larven der Parasiten, die versehentlich den Menschen befallen und dort einen juckenden Hautausschlag verursachen können.“ Da das Vogelschutzgebiet Heisinger Bogen sowohl für Entenvögel als auch Schneckenarten gute Bedingungen biete, könnten hier auch deren Parasiten vorkommen. „Ein Infektionsrisiko ist allerdings nicht auf dieses Gebiet beschränkt,“ führt der Wissenschaftler aus, „weil geeignete Enten- und Schneckenwirte auch an anderen Stellen im Baldeneysee anzutreffen sind.“

Außer diesen möglichen Nebenwirkungen für Menschen ergeben sich aber auch für die zum Teil bedrohten Tiere im Schutzgebiet Probleme aus dem gegenseitigen Kontakt. Die Fachinformation des Landesumweltministeriums führt Müll, freilaufende Hunde sowie Beeinträchtigungen durch unachtsame Wassersportler als Herausforderungen für das Schutzziel des Gebiets Heisinger Bogen auf. Auch das Füttern der Wasservögel durch Spaziergänger greift in das Ökosystem ein, weshalb davon abzuraten ist. Es kann beispielsweise zu einer Überbevölkerung mancher Vogelarten beitragen – und damit indirekt auch die Wasserqualität negativ beeinflussen, weil ein Überschuss an Vogelkot in den See gelangt.

Im Interesse der Vögel kann man aufs Füttern verzichten und Hunde anleinen. Auf der anderen Seite ist die Badedermatitis für die betroffenen Menschen zwar unangenehm, gilt aber nicht als gefährlich. Was jedoch klar wird: Falls man in Zukunft im Baldeneysee wieder schwimmen könnte, bliebe es wichtig, den Schutz von Badenden und Tieren miteinander in Einklang zu halten.

Die Wildtiere kehren zurück – auch an die Ruhr

Weißstorch. Foto: Zibolsky. NABU
Weißstorch. Foto: Zibolsky. NABU
Foto: S. Zibolsky, NABU

Was haben ein Lachs und ein Fischotter gemeinsam? Beide schwimmen selten in der Ruhr, denn in Nordrhein-Westfalen sind sie vom Aussterben bedroht. Die roten Listen gefährdeter Arten scheinen hierzulande immer länger zu werden. Eine aktuelle Studie zeigt allerdings, dass es auch umgekehrt gehen kann: Manche bedrohten Tierbestände erholen sich europaweit, auch an Rhein und Ruhr. Gesetzlicher Schutz hat ihnen geholfen.

Die Studie „Wildlife Comeback in Europe“, die in Zusammenarbeit der Zoological Society of London mit dem Dachverband des deutschen Naturschutzbundes (BirdLife International) und den Vogelschützern vom European Bird Census Council durchgeführt wurde, listet 37 Rückkehrer nach Europa auf: Bekannte Tierarten, die stark gefährdet waren, deren Bestände sich aber inzwischen spürbar erholt haben. So prominente Vertreter wie der Grauwolf und der Seeadler sind darunter.

Zu den auch in Nordrhein-Westfalen beheimateten Tieren, die wieder zahlreicher geworden sind, gehören der Weißstorch, der Wanderfalke und der Biber. Letzterer breitet sich etwa im Rheinland wieder aus. Auch an der Ruhr freuen sich manche Spaziergänger, ihn wiedergesehen zu haben, jedoch wird er dabei meist mit der hier häufig vorkommenden Biberratte verwechselt. Der Biber ist auch ein Beispiel für die Probleme, die wir mit wilden Tieren haben, mit denen wir es nicht mehr gewöhnt sind zusammenzuleben. Dass Biber Bäume fällen, ist bekannt, aber wenn sie es dann tatsächlich tun, fühlt sich manch einer gestört. In Bayern ging das bereits soweit, dass Bibergegner die Dämme des Nagers angezündet oder mit dem Bagger planiert haben.

Damit es soweit nicht kommt, ist Aufklärung über die Verhaltensweisen wilder Tiere und über den richtigen Umgang mit ihnen gefragt. So sieht es auch Frans Schepers von der Initiative Rewilding Europe. Ihm ist wichtig, „dass wir die Toleranz für wildlebende Tiere erhöhen.“ Denn nur dann ist ihrem Comeback auch Erfolg vergönnt.  „Die Wildtiere kehren zurück, wenn wir es ihnen erlauben“, so Schepers, „dieser Report zeigt das.“ Auch würden noch weitere Arten folgen, glaubt der Naturschützer. Aber nur unter der Bedingung, dass wir die Tiere „weiterhin gesetzlich schützen, ihre Bestände aktiv pflegen und wiederansiedeln.“ Professor Jonathan Baillie von der Londoner Zoologischen Gesellschaft pflichtet ihm bei: „Die vorliegende Studie hilft uns zu verstehen, welche Schritte notwendig sind, um anderen Arten eine ähnliche Erholung ihrer Bestände zu ermöglichen.“

In der Studie zum Wildlife-Comeback werden als erfolgreiche Maßnahmen für die Rückkehr der Tiere unter anderem die Gründung des Netzwerks europäischer Schutzgebiete (Natura 2000) genannt sowie die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Denn die Qualität der Gewässer spielt für viele Tiere eine entscheidende Rolle.

Dennoch müssten sich die untersuchten Tierbestände noch weiter erholen, bevor sie als gesichert gelten könnten, so die Studie. Der Naturschutzbund merkt trotz aller Erfolge an, dass der Bestand anderer Arten weiterhin dramatisch abnähme. Dies gelte insbesondere für die Vögel der Agrarlandschaft. Dazu zählen solche wie die Grauammer, die weniger bekannt sind und unscheinbarer wirken als die Naturschutz-Aushängeschilder Adler oder Storch.  Der Präsident des Naturschutzbundes Olaf Tschimpke fordert deshalb, bestehendes Naturschutzrecht konsequenter umzusetzen: „Solange die deutschen Behörden bei der Zerstörung von artenreichem Grünland in Schutzgebieten alle Augen zudrücken, ist ein Comeback unserer Wiesenvögel in weiter Ferne“, kritisiert er.

Ein Beispiel für Maßnahmen zugunsten der Wiesenvögel ist die Heisinger Aue in Essen. Im Vogelschutzgebiet am Baldeneysee zeigen sich zudem Erfolge beim Schutz von Arten wie dem schillernden Eisvogel, für den sauberes Wasser und naturnahe Flüsse besonders wichtig sind. Letzteres benötigen auch der Fischotter und der Biber, wenn sie zurückkommen sollen. Es bleibt allerdings die Frage: Inwieweit sind wir bereit, uns auch mit ihnen zu arrangieren, wenn sie uns wirklich wieder begegnen?