
Ein Graureiher landet mit Zweigen im Schnabel auf einem Ast am Ufer des Baldeneysees und senkt seine Schwingen. Sorgfältig bessert das dazugehörige Weibchen bereits das gemeinsame Nest aus. Bald wird das Vogelpaar hier seinen Nachwuchs aufziehen. Auch in diesem Frühjahr kann man ihnen am Baldeneysee wieder dabei zusehen. Etwa 90 Graureiher-Brutpaare nisten hier an der Südspitze der Heisinger Halbinsel. Neben Vögeln leben auch viele Amphibien, Libellen, Falter und Wasserpflanzen im sogenannten Schutzgebiet Heisinger Bogen.
Ein schmaler Wanderweg führt an der Grenze des Schutzgebiets entlang, das von Erlen, Ahorn und Buchen gesäumt ist. Hier bietet sich die Gelegenheit, zahlreiche Vögel zu beobachten, manche davon das ganze Jahr über, denn einige Arten überwintern in Heisingen. Für andere dagegen ist der Heisinger Bogen nur ein Zwischenstopp. Scharen von Wasservögeln nutzen ihn zum Rasten vor ihrem Weiterflug.
Beim Spaziergang am Rande des Schutzgebiets zeigen sich viele Vögel, die den Kontakt mit Menschen gewöhnt sind und kaum Scheu an den Tag legen, darunter Haubentaucher oder Stockenten. Aber auch seltenere Arten kann man hier mit etwas Glück zu Gesicht bekommen, beispielsweise den Eisvogel. Er jagt im Baldeneysee mit Vorliebe nach Fischen. Darin tut es ihm der Kormoran gleich, der schon beinahe ausgerottet war und unter Schutz gestellt wurde. Mittlerweile hat sich der Bestand dieser Vogelart erholt und sie sorgt nun mancherorts für Meinungsverschiedenheiten. Vor allem einige Fischer, die um ihre Erträge bangen, klagen über jagende Kormorane. Am Baldeneysee wurde für dieses Problem jedoch ein Kompromiss gefunden, wie der Naturschutzbund berichtet: Während der Fischaufzucht werden die dafür vorgesehenen Teiche sechs Wochen lang mit Netzen überspannt, um die Kormorane vom Fressen der Jungfische abzuhalten.
Neben der Fischaufzucht ergeben sich auch für die Gewässerhygiene Herausforderungen durch das Vogelschutzgebiet. Mit den Ausscheidungen von Vögeln können etwa Bakterien ins Wasser gelangen. Ein Beispiel hierfür ist Campylobacter, der Erreger der Magen-Darm-Entzündung. „Die Vögel sind hier häufig mit dem Bakterium infiziert, ohne Symptome aufzuweisen“, erläutert Marina Horstkott von der Universität Duisburg-Essen. Die Vermehrungsbedingungen im Wirt Wasservogel seien für den Krankheitserreger sehr günstig, meint die Doktorandin, unter anderem aufgrund der Körpertemperatur der Vögel. „So können hohe Konzentrationen mit dem Vogelkot ausgeschieden werden und ins Wasser gelangen.“ Das Forschungsprojekt Sichere Ruhr hat deshalb direkt am Heisinger Bogen eine seiner Messstellen eingerichtet, um die Auswirkungen der Einträge von Vögeln auf die Wasserqualität zu untersuchen.
Dabei haben die Wissenschaftler eine weitere mögliche „Nebenwirkung“ des für Vögel idealen Schutzraums im Blick: die Badedermatitis. Sie wird von sogenannten Vogelschistosomen ausgelöst, Parasiten, die sich normalerweise Schnecken und Enten als Wirt aussuchen. Christian Selbach, Biologe in der Abteilung für Aquatische Ökologie an der Universität Duisburg-Essen, erklärt: „Das Risiko der Badedermatitis entsteht durch die freischwimmenden Larven der Parasiten, die versehentlich den Menschen befallen und dort einen juckenden Hautausschlag verursachen können.“ Da das Vogelschutzgebiet Heisinger Bogen sowohl für Entenvögel als auch Schneckenarten gute Bedingungen biete, könnten hier auch deren Parasiten vorkommen. „Ein Infektionsrisiko ist allerdings nicht auf dieses Gebiet beschränkt,“ führt der Wissenschaftler aus, „weil geeignete Enten- und Schneckenwirte auch an anderen Stellen im Baldeneysee anzutreffen sind.“
Außer diesen möglichen Nebenwirkungen für Menschen ergeben sich aber auch für die zum Teil bedrohten Tiere im Schutzgebiet Probleme aus dem gegenseitigen Kontakt. Die Fachinformation des Landesumweltministeriums führt Müll, freilaufende Hunde sowie Beeinträchtigungen durch unachtsame Wassersportler als Herausforderungen für das Schutzziel des Gebiets Heisinger Bogen auf. Auch das Füttern der Wasservögel durch Spaziergänger greift in das Ökosystem ein, weshalb davon abzuraten ist. Es kann beispielsweise zu einer Überbevölkerung mancher Vogelarten beitragen – und damit indirekt auch die Wasserqualität negativ beeinflussen, weil ein Überschuss an Vogelkot in den See gelangt.
Im Interesse der Vögel kann man aufs Füttern verzichten und Hunde anleinen. Auf der anderen Seite ist die Badedermatitis für die betroffenen Menschen zwar unangenehm, gilt aber nicht als gefährlich. Was jedoch klar wird: Falls man in Zukunft im Baldeneysee wieder schwimmen könnte, bliebe es wichtig, den Schutz von Badenden und Tieren miteinander in Einklang zu halten.