Wie sich der Klimawandel auf den Fluss auswirkt

Foto: Christian Fischer.
Foto: Christian Fischer
Foto: Christian Fischer

Altbekannte Tierarten verschwinden nach und nach aus dem Fluss und neue, wärmeliebende beginnen ihn zu bevölkern. Das ist eine der Folgen, die der Klimawandel auch an der Ruhr zeigen könnte. Die Erderwärmung hat Auswirkungen auf den weltweiten Wasserkreislauf und das schlägt sich auch in den Flüssen nieder – im wörtlichen Sinne: Regional nimmt der Niederschlag zu und lässt sie anschwellen.

Schon vor gut einem Jahrzehnt haben britische Forscher vom Met Office in Exeter festgestellt, dass die vorhergesagte Veränderung des globalen Wasserkreislaufs bereits im Gange ist. Sie konnten messen, dass die europäischen und asiatischen Flüsse immer mehr Wasser in das Nordpolarmeer brachten. Dabei spielen die Niederschläge eine wichtige Rolle. Mit den ansteigenden Temperaturen verdunstet eine größere Menge Wasser und die wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Somit kommt es letztlich auch zu stärkeren Regenfällen – und ansteigenden Flüssen.

Allerdings werden die Flüsse in Deutschland deshalb nicht zu allen Zeiten mehr Wasser führen. Wie im globalen Rahmen nehmen auch hierzulande voraussichtlich die Extreme zu. Der Pegel des Rheins, für den die Klimaauswirkungen bisher am genauesten untersucht sind, wird demnach bereits in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen, allerdings vornehmlich im Winter. Im Sommer dagegen sinkt der Wasserstand um 10 bis 30 Prozent, wie die Wissenschaftler von KLIWAS beziffern. Das Forschungsprogramm hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums untersucht, wie sich der Klimawandel auf Flüsse und Küstengewässer in Deutschland auswirkt. Das Verkehrsministerium interessiert sich dafür, wie dies die Binnenschifffahrt beeinflusst. Auf dem Rhein ist laut KLIWAS in naher Zukunft noch nicht mit ernsthaften Beeinträchtigungen des Schiffsverkehrs durch den Klimawandel zu rechnen. Etwa ab dem Jahre 2050 wird der Fluss im Sommer aber wohl den notwendigen Pegel für eine ungehinderte Schifffahrt nach heutigen Maßstäben nicht mehr durchgängig erreichen, so die Prognosen. „Möglicherweise kommen dann andere Schiffstypen mit weniger Tiefgang zum Einsatz“, meint KLIWAS-Koordinatorin Andrea Mehling von der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Verstärkt werden hohe Wasserstände der Flüsse im Winter und niedrige im Sommer insbesondere, wenn die Gletscher in den Alpen weiter abgeschmolzen sind. Momentan fungieren die Gletscher noch als Puffer, die im Winter Schnee speichern und im Sommer einen Zustrom für die Flüsse darstellen.

Nicht nur der Schiffstransport muss sich anpassen, wenn die Flüsse sich mit dem Klima wandeln. Vor neuen Herausforderungen steht auch die Trinkwasserversorgung, die teils aus Flüssen gespeist wird wie etwa an der Ruhr. Hier gibt eine Klimastudie im Auftrag des Ruhrverbands zwar Entwarnung, was die Versorgungssicherheit der Region mit Rohwasser angeht: Das System aus acht Talsperren im Sauerland, die ausreichend Wassernachschub bereithalten, wird demnach auch in Zukunft noch seine Aufgabe erfüllen können. Jedoch ist die Qualität des Wassers nach Starkregen und ebenso in Trockenphasen mit niedrigem Wasserstand beeinträchtigt. Da den Prognosen nach auch an der Ruhr die extremen Wetterphasen zunehmen, müssen die Wasserversorger sich darauf vorbereiten. Das Netzwerk dynaklim hat dazu verschiedene Möglichkeiten zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen untersucht. Neben der Wasserversorgung ist auch die Stromversorgung von den Veränderungen betroffen, die sich in den Flüssen abspielen. So wird Flusswasser nicht selten zur Kühlung von Kraftwerken genutzt. Wird es aber zu warm, erfüllt es diese Aufgabe nicht mehr hinreichend – dann müssen Kraftwerke, die nicht über Kühltürme verfügen, außer Betrieb genommen werden.

Zu dramatischen Bildern kann eine weitere mögliche Folge des veränderten Flusssystems führen: Hochwasser. Hierbei ist das Klima einer von mehreren Einflussfaktoren. Einige grundlegende Informationen dazu hat das Max-Planck-Institut für Meteorologie hier zusammengefasst. Kleine und mittlere Flüsse lässt starker Niederschlag besonders schnell anschwellen, was der Bevölkerung und dem Katastrophenschutz dann nur kurze Zeit lässt zu reagieren. Unter anderem mit Daten der Ruhr haben Wissenschaftler des Center for Disaster and Risk Management Technology (CEDIM) deshalb Modelle zur Hochwasservorhersage an kleinen und mittleren Fließgewässern erstellt. Sie prognostizieren, dass innerhalb Deutschlands vor allem der Westen von einer Zunahme der Hochwasser an Flüssen betroffen sein dürfte.

Dass aber nicht nur Hoch- sondern auch Niedrigwasser zum Problem werden kann, zeigen die Wasserlebewesen, für die die Veränderungen der Fließgewässer besonders unmittelbar spürbar sind. Beispielsweise müssen sie näher zusammenrücken, wenn das Flussbett im Sommer wenig Wasser enthält. So breiteten sich etwa Krankheiten oder Parasiten leichter aus und in Verbindung mit Hitzeperioden könne es sogar zu einem Massensterben von Fischen oder Muscheln kommen, wie Jochen Koop vom Referat für Tierökologie an der Bundesanstalt für Gewässerkunde ausführt. In den heißen Sommern 2003 und 2006 hat sich das beispielsweise im Rhein bereits gezeigt. Neben dem Wasserpegel ändert sich dabei auch die Temperatur des Flusswassers. Wie mehrere solcher Einflüsse gleichzeitig auf die Flusslebensräume wirken, untersucht unter anderem das von der Universität Duisburg-Essen koordinierte Projekt MARS. Allgemein lässt sich sagen, dass Arten, die mit höheren Temperaturen besser zurechtkommen, in den heimischen Flüssen voraussichtlich zahlreicher werden, während andere zurückgehen oder ganz aus den Flüssen verschwinden. Diese Verschiebung im Artenspektrum bringt Probleme mit sich. Für die Elbe wird etwa eine Zunahme des Algenwachstums befürchtet. Die Ökosysteme geraten unter Anpassungsdruck.

Jochen Koop hält es jedoch für falsch, die Flüsse deshalb in einem bestimmten Zustand konservieren zu wollen. Der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die sich die Erholung der Fließgewässer zum Ziel gemacht hat, wirft Koop ein veraltetes Leitbild vor. Da der Klimawandel jetzt bereits Veränderungen für den Fluss mit sich bringt, glaubt Koop vielmehr, dass man mit diesen arbeiten müsse. Für ihn stellt sich demnach die Frage: „Werden die Karten unter den Organismen neu gemischt und wie?“ Neu eingewanderte, wärmeliebende Arten wären dabei nicht unbedingt als schädliche Eindringlinge zu bewerten, sondern unter Umständen könnten gerade sie wichtige Funktionen für die Flüsse der Zukunft übernehmen, um das Ökosystem auch bei seiner Veränderung intakt zu halten. Es kann also Sinn machen, ihnen Raum zur Entwicklung zu lassen.

So ein Eingehen auf die neue Situation gehört dazu, wenn man mit einer Veränderung zurechtkommen will. Aber auch der Versuch, Schutzwürdiges durch die Veränderung hindurch zu erhalten. Schaffen wir es, beides miteinander auszutarieren? Für den Lebensraum Fluss wird es im Klimawandel auch darauf ankommen.

Projektpartner: Institut für Kommunikationswissenschaft – Klare Sicht auf die Ruhr

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

In der Universität Duisburg-Essen blickt Rania Lahdo aus dem Bürofenster. „Das sind ja schöne Aussichten“, sagt sie lächelnd, aber ganz ohne Ironie zu Lisa Debo, die gerade einen Zeitungsartikel über das Badeverbot an der Ruhr studiert. Auch ich schaue vom Bildschirm auf. Tatsächlich ist heute nicht eine Wolke am Himmel auszumachen. Eigentlich ein perfekter Tag, um nach der Arbeit zum Baldeneysee zu fahren.

Was dort beeindruckt ist die freie Sicht. Die Weite, die man in der Stadt so nirgends hat. An wolkenfreien Tagen wie heute genügt es am See, den Blick eine Weile über der ausgedehnten Wasseroberfläche schweifen zu lassen und man sieht auch andere Dinge gleich etwas klarer.

Eine andere Möglichkeit, klare Sicht auf etwas zu bekommen, ist, sich über Einzelheiten zu informieren. Im Projekt Sichere Ruhr hat das Institut für Kommunikationswissenschaft  an der Universität Duisburg-Essen genau diese Aufgabe. Es nimmt sie wahr, indem es offene Fragen rund um das Baden in Fluss und See öffentlich aufgreift – beispielsweise über diese Internetseite, die inhaltlich vom Kommunikationswissenschaftler Pascal Bovée betreut wird. Auch die Pressearbeit und die Organisation von Workshops gehören zu den Aufgaben, des Teams um den verantwortlichen Projektsupervisor, Prof. Dr. Jo Reichertz.

Das Team am Institut für Kommunikationswissenschaft informiert aber nicht nur über mögliche Risiken beim Flussbaden, es berichtet  auch über Inhalte und Forschungsergebnisse  des Projekts Sichere Ruhr, das diese Risiken untersucht. Außerdem forschen die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Rania Lahdo und Lisa Debo auch selbst aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive zu diesem Thema.

Wir wollten wissen, wie gut die Bevölkerung über die aktuelle Badesituation – also das Badeverbot – informiert wird und wie gut sie über die Risiken Bescheid wissen. Deshalb haben wir in den vergangenen zwei Jahren verschiedene Studien durchgeführt. Aktuell untersuchen wir die Berichterstattung zum Ruhrbaden in Print- und Online-Medien“, erklärt Lisa Debo, die politische Kommunikation studiert hat. Ein Ergebnis der Studie verrät sie schon: „In knapp 44% der Artikel steht, das es ein Badeverbot gibt. Aber in etwa der gleichen Anzahl der Artikel über das Ruhrbaden wird die rechtliche Situation überhaupt nicht thematisiert.“ Es sei ihr deshalb wichtig, die bei der Untersuchung entdeckten Informationslücken zu schließen, betont Lisa Debo. Rania Lahdo, die das Essener Projektteam leitet, pflichtet ihr bei. Gemeinsam entwickeln die beiden Wissenschaftlerinnen Strategien für eine Risikokommunikation, die der Bevölkerung im Ruhrgebiet die Gefahren beim Flussbaden  vermitteln soll. Unterstützt werden sie dabei von der Soziologiestudentin Lara Pellner, die als studentische Hilfskraft des Projekts Hintergründe zu anderen Badestellen in Deutschland und der EU recherchiert.

Als Jugendliche war mir nie bewusst, welche Gefahren das Baden in der Ruhr birgt, das ist mir selbst erst durch das Projekt bewusst geworden“, meint Rania Lahdo. „Deshalb finde ich das Projekt auch so wichtig – und dass man die Menschen über die unsichtbaren Gefahren beim Baden aufklärt, nicht nur über die sichtbaren wie den Schiffsverkehr.“ Die Vermittlung der Forschungsergebnisse dazu sei allerdings nicht immer ganz unkompliziert, meint die Kommunikationswissenschaftlerin. Einerseits ist es ihr sehr wichtig, dabei dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung nachzukommen und auch die Fragen der Presse zum Projekt Sichere Ruhr befriedigend zu beantworten. Aber zugleich sei das mit der Herausforderung verbunden, sensible Inhalte mit allen Projektpartnern abzustimmen. „Denn es sind nicht nur sehr viele Partner, die im Projekt mitarbeiten, sie arbeiten auch interdisziplinär zu verschiedenen Gesichtspunkten des Themas, weshalb jeder der Partner andere Aspekte als besonders wichtig ansieht“, erklärt Rania Lahdo. Da sei es bei der öffentlichen Vermittlung der Risiken und Forschungsergebnisse manchmal schwierig allen gerecht zu werden. „Außerdem darf man nichts vorwegnehmen, was noch nicht abschließend untersucht ist“, ergänzt sie.

Die Ruhr einmal als echtes Badegewässer zu sehen, ist für sie eine schöne Vorstellung. „Aus persönlicher Sicht fände ich es toll, wenn man in der Ruhr baden könnte“, meint die junge Doktorandin, „weil ich selbst hierher komme und in Essen lebe. Ich denke, das würde nicht nur einen hohen Freizeitwert bedeuten, sondern wäre auch ein großer Imagegewinn für die Region.“ Aus wissenschaftlicher Perspektive hält sie es aber auch für wichtig, dass die Forschungsergebnisse des Projekts nach dessen Abschluss noch Beachtung finden, „Was nun das konkrete Ergebnis ist, ist zunächst zweitrangig – wenn festgestellt wird, dass man Baden erlauben kann, dann sollte das auch geschehen – wenn am Ende herauskommt, dass Baden in der Ruhr aus hygienischer Sicht nicht möglich ist, dann sollte die Bevölkerung geschützt werden, indem man das Badeverbot strikt durchsetzt.“

Allerdings macht die Teamleiterin keinen Hehl daraus, dass sie bereits seit ihrer Jugend alljährlich im Sommer im Fluss schwimmen geht. „Heute mache ich das allerdings bedachter als früher“, berichtet sie. Auch Lisa Debo hat schon im Ruhrwasser gebadet. „Aber nicht im Fluss selbst, sondern im Kemnader See.“ Dort würde sie das auch gerne wieder machen. „Aber direkt im Fluss hätte ich ein bisschen Angst vor der Strömung.“ Die beiden Wissenschaftlerinnen bemühen sich eben um klare Sicht auf beides: Vorzüge und Risiken des Ruhrbadens.

Energie und Wasser – die World Water Week

Foto: Stockholm International Water Institute.
Foto: Stockholm International Water Institute.

Wasserkraft ist quasi der Klassiker unter den erneuerbaren Energiequellen. Schon seit vielen Jahrhunderten wird sie genutzt, um mechanische Vorrichtungen anzutreiben und Menschen so die Arbeit zu erleichtern. Ein einfaches Beispiel dafür sind Wassermühlen, die von Bächen und Flüssen in Gang gebracht werden. Heute strömt Wasser in Kraftwerken durch Turbinen, die dann wiederum einen Generator antreiben. Fast 20 Prozent des elektrischen Stroms weltweit wird so erzeugt, auch an den Wehren der Ruhr findet die Energiegewinnung mithilfe von Wasserkraft Anwendung. Dabei kann die natürliche Bewegungsenergie des Wassers genutzt werden und das Wasser selbst kehrt durch Verdunstung und Regen immer wieder in den Wasserkreislauf zurück – vom Prinzip her eine ausgesprochen ressourcenschonende Möglichkeit, elektrische Energie zu erzeugen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass bei der World Water Week in diesem Jahr das übergreifende Motto „Energy and Water“ auf dem Plan steht. In der kommenden Woche, vom 31. August bis 5. September, findet das internationale Expertenforum in Stockholm statt und über 200 Organisationen beteiligen sich daran. Dabei geht es allerdings um weit mehr als bloß das Thema Wasserkraft. Denn zwischen den Bereichen Energie und Wasser bestehen eine ganze Reihe von Verbindungen, die für unser Zusammenleben von Bedeutung sind. So benötigen wir etwa Energie, um Pumpen anzutreiben, Trinkwasser aufzubereiten oder schlicht um Wasser zum Kochen zu erhitzen. Andererseits brauchen wir Wasser zur Energiegewinnung auch abseits von Wasserkraft. Nicht nur umstrittene Fördermethoden von Energieträgern wie das Fracking arbeiten mithilfe von Wasser, auch um herkömmliche Kraftwerke zu kühlen wird Wasser in großen Mengen benötigt. Wenn man sich das bewusst macht, ist das offizielle Statement der World Water Week einleuchtend: „Wasser und Energie sind untrennbar miteinander verbunden.“

Der Anspruch des Forums ist dabei, eine umfassende Perspektive darauf zu verschaffen, wie unser Umgang mit Wasser und Energie zugunsten der Gesellschaft wie der Ökosysteme weiterentwickelt werden kann. Dazu passend wird es bei den Workshops, Diskussionen und Vorträgen in Stockholm auch um die Frage gehen, wie sich gemeinsam mit der Klimaveränderung auf unserem Planeten auch der weltweite Wasserkreislauf wandelt. Denn der Ausstoß von Kohlendioxid, der zu großen Teilen auf unseren Energieverbrauch zurückgeht, zeigt deutliche Rückwirkungen auf die Ressource Wasser. Wie Jens Berggren in einem Artikel für die World Water Week bemerkt, ist eine der gefährlichsten Auswirkungen des Klimawandels ein riskanter Anstieg der Schwankungen bei den weltweiten Wasservorkommen. An einigen Orten, an denen Wasser in der Vergangenheit leicht verfügbar war, wird es rar werden, andere vorher trockenere Regionen werden viel Wasser hinzubekommen. Die Wahrscheinlichkeit von starken Niederschlägen und Fluten einerseits und Dürrephasen andererseits nimmt stark zu und stellt uns vor neue Herausforderungen in Bezug auf das Wassermanagement. Und damit ebenso in Bezug auf unsere Energiegewinnung, deren Schicksal eng mit dem Wasser verknüpft ist.

Weitere interessante Perspektiven auf das Thema Wasser und Energie finden sich in dieser Broschüre der World Water Week. Das Programm der Veranstaltung gibt es hier.

Projektpartner: ISA – Der Spur der Keime folgen

Foto: ISA.
Foto: ISA.

Auf den ersten Blick mag es etwas abwegig erscheinen. Doch ein paar Dinge haben die Projektpartner von Sichere Ruhr an der RWTH Aachen mit Detektiven gemeinsam. Die Verdächtigen, denen die Mitarbeiterinnen des Aachener Instituts für Siedlungswasserwirtschaft (ISA) nachspüren, sind allerdings Keime. Das ISA verfolgt die oft verborgenen Wege, auf denen sie in den Fluss gelangen und geht so der Wasserverunreinigung auf den Grund.

Silke Roder umreißt die Aufgabe des ISA im Projekt natürlich nüchterner als eine Detektivin, wie sie in einem Krimi auftreten würde: „Wir schauen nach, aus welchen Quellen die mikrobiellen Belastungen der Ruhr stammen“, sagt sie. Das mögen nicht unbedingt dubiose Quellen sein wie in der Kriminologie, aber diffuse Quellen sind es doch. Nicht klar einzugrenzen und nur unklar zu bestimmen sind diese Auslöser von Wasserverunreinigungen, denen Silke Roder für Sichere Ruhr nachspürt. Und auch nur mit einer gewissen Hartnäckigkeit lassen sie sich aufdecken. Häufig sind sie in der Landwirtschaft zu finden, zum Beispiel ist der Kot von Tieren eine solche Quelle, aus der Bakterien in die Ruhr gelangen, erklärt die junge Wissenschaftlerin.

Um eine aussagekräftige Bilanz über die diffusen Quellen zu erstellen, greift Bauassesorin Silke Roder auf Daten des Ruhrverbands und der Landwirtschaftskammer zurück, nutzt Bilder von Überfliegungen des Einzugsgebietes der Ruhr und arbeitet mit den Geographen vom IHPH in Bonn zusammen. Die Kollegen aus Bonn helfen ihr, die Puzzleteile zu einer Karte zusammenzusetzen, auf der man schnell sieht, wo möglich Gefahrenquellen für das Ruhrwasser liegen. Alle für die Bilanzierung der diffusen Quellen notwendigen Daten zusammenzutragen, sagt Silke Roder, „ist eine ganz schöne Herausforderung“.

Die Doktorandin und ihre Aachener Kolleginnen sind aber nicht nur den schwer auffindbaren Keimquellen auf der Spur, sondern auch den vergleichsweise offensichtlichen. Zum Beispiel den Kläranlagen. Diese haben sie als Haupteintragspfad für die verfolgten Bakterien ausgemacht – zumindest bei trockenem Wetter. Dabei haben Messungen in Essen und Schwerte geholfen, die Kollegin Kassandra Klaer ausgewertet hat. Die Entsorgungsingenieurin hat auch ein anderes interessantes Zwischenergebnis zu Tage gefördert: Den Zusammenhang zwischen Niederschlag und der Keimbelastung der Ruhr. Wenn es stark geregnet hat, ist letztere nämlich regelmäßig erhöht. Aber nach mehreren trockenen Tagen in Folge sind die Wasserwerte für eine bestimmte Zeit gut – und würden theoretisch das Baden im Fluss gestatten, zumindest aus hygienischer Sicht. Die Untersuchungsdaten für dieses Ergebnis lieferten Kassandra Klaer einerseits die anderen Projektpartner – durch die Wasserproben, die sie an den acht im Projekt untersuchten Stellen der Ruhr genommen und ausgewertet haben. Andererseits griff sie auf ältere Messungen und auf Niederschlagsdaten zurück, die sie damit verglich.
Dabei brauchte sie einiges wissenschaftliches Kombinationsvermögen, denn „man muss versuchen, Ungereimtheiten in den Datensätzen zu erklären“, wie Silke Roder ausführt. „Natürlich machen wir eigene Messungen, aber man ist immer auch zusätzlich auf Literaturdaten angewiesen“, erklärt sie. „Die Literaturrecherche ist ein großer Teil der Arbeit in unserem Projekt gewesen, um die Belastung des Wassers richtig einzustufen.“ Auch das Bild des Privatdetektivs, der ständig bei Nacht und Nebel undercover in Aktion tritt, ist ja meist mehr der Dramaturgie einer Fernsehserie geschuldet. Vermutlich sieht sich der echte Detektiv häufig vor einem Berg schlichter Büroarbeit, muss Unterlagen wälzen, Telefonate führen, recherchieren. Den Kolleginnen vom Institut für Siedlungswasserwirtschaft geht es in dieser Beziehung ähnlich. Neben den Literaturrecherchen verbringt Silke Roder auch am Telefon und vor ihrem E-Mail-Postfach einen guten Teil ihrer Arbeitszeit für das Projekt Sichere Ruhr. Zum Beispiel stimmt sie mit dem Projektpartner Xylem die Versuche an den Kläranlagen ab. Dabei geht es nicht nur um das Auffinden von Bakterien. Auch wie man sie am wirkungsvollsten bekämpft, möchten die Aachenerinnen herausfinden.

Deshalb testen sie in verschiedenen Kläranlagen an der Ruhr nicht nur die bewährten Methoden der UV-Bestrahlung und Ozonung auf ihre Effektivität hin, sondern nehmen auch ein neues chemisches Verfahren unter die Lupe: An einer Versuchsanlage in Velbert erprobt Katharina Tondera die Wirksamkeit von Perameisensäure zur Verbesserung der Wasserqualität.

Die Arbeit des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft im Projekt ist damit eindeutig auch auf die Zukunft des Flusses ausgerichtet. Denn man möchte am Ende beurteilen: „Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität würden wir ganz konkret für das Projektgebiet vorschlagen und was kosten diese, was würden sie bringen“, so Silke Roder. Einige Tendenzen kristallisieren sich dabei bereits heraus. „Der Ausbau der Kläranlagen gehört zu diesen Maßnahmen, die wir vorschlagen werden“, meint die Ingenieurin. Dabei seien die Anlagen zur UV-Bestrahlung des Wassers technisch einfacher, unanfälliger und kostengünstiger als Anlagen, die mit Ozon arbeiten. Für die Keimbekämpfung, um die es bei Ihren Untersuchungen im Projekt Sichere Ruhr geht, sehen die Aachenerinnen darin deshalb die geeignetere Methode. Aber Silke Roder denkt auch ein wenig darüber hinaus. „Man müsste, wenn man wirklich an die Umsetzung der Projektergebnisse geht, einmal kritisch fragen, ob es wirklich unser einziges Ziel sein sollte, Keime zu eliminieren“, meint sie. Eine Ozonbehandlung kann nämlich über Keime hinaus auch Spurenstoffe aus dem Wasser entfernen. So könnte man zum Beispiel Medikamentenrückstände bekämpfen – eine Wasserbelastung, die im Projekt nicht untersucht wurde.

Für den von Katharina Tondera untersuchten Fall des überlaufenden Mischwassers – dem Eintragspfad der bei Regenwetter den größten Anteil an der Belastung der Ruhr hat – schlagen die Wissenschaftlerrinnen der RWTH Aachen Maßnahmen vor, um schon das Überlaufen des Wassers in den Fluss möglichst zu vermeiden. Hier wären etwa eine Vergrößerung von Überlaufbecken oder eine Kanalnetzsteuerung ein gangbarer Weg, wie Silke Roder meint. Bei der Kanalnetzsteuerung wird versucht, den Stauraum in den vorhandenen Kanalnetzen besser auszunutzen, indem man etwa den Füllstand der Rohre anhebt. „Damit kann bei Niederschlag eine gewisse zusätzliche Menge des Wassers im Untergrund zurückbehalten werden, die dann nicht in die Gewässer abschlägt“, erklärt Silke Roder. Wenn der Regen vorbei ist, kann man dieses Wasser dann zur Behandlung in die Kläranlagen schicken.

Neben der Vermeidung des Wasserüberlaufs wäre es aber auch möglich, das Mischwasser zu behandeln – etwa mit einem Lammellenklärer, einer Art schräg stehendem Kamm, der das Wasser verlangsamt und ermöglicht dass sich Partikel absetzen. So wird auch das trübe Mischwasser etwas klarer. Eine Voraussetzung dafür, dass man es anschließend wirkungsvoll UV-behandeln kann, um die Keime darin zu beseitigen. Die Erfolgsaussichten dieser Methode müsse man aber noch weiter untersuchen, meint Silke Roder.

Dennoch sieht sie ganz konkrete Auswirkungen, die das Projekt Sichere Ruhr für die Region haben könnte, wenn die beschriebenen Maßnahmen ergriffen würden. „Durch eine Mischwasserbehandlung nach Regentagen könnte man erreichen, dass das Wasser an mehr Tagen Badewasserqualität hat“, meint sie. Auch an Trockenwettertagen ließe sich das Flussbaden mit Verfahren wie der UV-Bestrahlung sicherer machen – vor allem in Bezug auf Rotaviren, die zwar in der Badegewässerrichtlinie keine Rolle spielen, aber nach den Untersuchungen von Sichere Ruhr dennoch ein Erkrankungsrisiko in der Ruhr darstellen.

Auf die Frage, ob sie selbst in den Fluss springen würde, lacht Silke Roder und überlegt dann. „Mal die Füße reinhalten“, sagt sie. „Aber ich würde nicht tauchen.“ Eine Wissenschaftlerin verhält sich da vielleicht wie eine Detektivin: Sie stürzt sich nicht gleich selbst ins Geschehen, sondern bleibt vorsichtshalber eine Weile am Rande, um die Lage von neutraler Position aus einzuschätzen.

Professor schwimmt 1.231 Kilometer durch den Fluss – für den Gewässerschutz

 

Foto: Hochschule Furtwangen, Projekt Rheines Wasser.
Foto: Hochschule Furtwangen, Projekt Rheines Wasser.

Wassersport ist im Sommer eine schöne Sache. In vielen Seen und Flüssen kann man rudern, surfen oder schwimmen. Aber gleich 1.231 Kilometer durch einen Fluss schwimmen, von der Quelle bis zur Mündung – warum sollte man sowas Verrücktes machen?

Andreas Fath ist Langstreckenschwimmer. Schon seit er neun Jahre alt ist, springt der mittlerweile 49-jährige mit Vorliebe in Seen und sucht dabei gern die Herausforderung. Den Bodensee hat er deshalb bereits durchquert. Diesmal ist ein Fluss dran. Aber nicht irgendeiner, sondern gleich ein Strom, der von den Schweizer Alpen bis zur niederländischen Nordsee reicht, eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt: der Rhein. Dabei geht es dem Wassersportler Fath allerdings nicht in erster Linie ums Schwimmen.

Denn Andreas Fath ist nicht nur Sportler, er ist auch Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen im Schwarzwald. Als Wissenschaftler interessiert er sich für die Stoffe in den Gewässern, in denen er schwimmt. Denn einige Stoffe finden sich darin, die dort eigentlich nicht sein sollten. Im Rhein etwa Rückstände von Antibiotika, Pestiziden und Düngemitteln, Hormonen (unter anderem von der Anti-Baby-Pille) und sogar von Drogen. „Die Kläranlagen sind nicht in der Lage, all diese Stoffe abzubauen,“ erklärt Andreas Fath.

Vor seiner Hochschultätigkeit hat der Chemiker in der Industrie gearbeitet und Abwasserforschung betrieben. Dabei entwickelte er eine Technik, um bestimmte Schadstoffe zu zersetzen, die bis dahin als nicht zersetzbar galten. „Daran möchte ich weiterforschen“, so der Wissenschaftler. Bloß könne sich seine Hochschule die dafür erforderliche, teure Anlage nicht leisten.

Aus diesem Grund greift Andreas Fath zu außergewöhnlichen Mitteln. Mit seiner Extremsport-Schwimmaktion durch den gesamten Fluss sammelt er Sponsorengelder für das Wasseranalyse-Gerät. Den Rhein schwimmend zu durchqueren – und das wohlgemerkt der Länge nach – ist allerdings keine Aufgabe für untrainierte Schwimmer. Im Schnitt 50 Kilometer am Tag muss Andreas Fath zurücklegen, wenn er wie geplant am 24. August am Ziel in Rotterdam angelangt sein will, wo der Strom am Hoek van Holland in die Nordsee mündet. Deshalb hat sich der Schwimmer ein Jahr lang auf die Mammut-Aufgabe vorbereitet, bevor er am vergangenen Montag endlich in den Rhein sprang. Insgesamt 25 Schwimm-Etappen muss Fath nun bewältigen – und es geht gleich anspruchsvoll los. Denn schon am Vorderrhein in der Schweiz, kurz nach der Quelle des Flusses, kann man in den Rhein nicht so einfach hineinspringen und locker hindurchkraulen. Hier stellt eine Schlucht mit schroffen Felsen eine ernstzunehmende Gefahr dar. Echtes Schwimmen ist deshalb nur schwer möglich – die Etappe wird wohl eher ein Waten mit Schutzhelm durch die schwierigen Strömungen – und das unter Begleitung eines erfahrenen Kajakfahrers, der die Route weist. Interessant für alle Interessierten im Ruhrgebiet wird es besonders bei Etappe 20, die Andreas Fath voraussichtlich am 19. August zurücklegt – hier passiert er in Duisburg die Mündung der Ruhr in den Rhein. Da auf diesem Abschnitt des Flusses viele Frachtschiffe unterwegs sind, von denen der Schwimmer nicht überfahren werden möchte, wird ihn ein Motorboot nach hinten absichern. Enden soll Faths Aktion fünf Tage später bei Rotterdam, wo schließlich der Rhein selbst mündet – in die Nordsee.

Andreas Fath ist aber zu sehr Wissenschaftler, um die 1.231 Rheinkilometer nur mit Schwimmen zu verbringen. Deshalb krault der Chemiker nicht nur durch den Fluss, er untersucht ihn gleichzeitig auch. Begleitet von seinen Studenten nimmt er täglich Wasserproben, deren Ergebnis er nach Ende der Aktion bei einem Wassersymposium vorstellen möchte. Neben den oben genannten Wasserverunreinigungen wie Hormonen oder Antibiotika, stehen dabei auch noch weitere Stoffe auf seiner Untersuchungsliste, etwa kleine Plastikteilchen. „Wir erwarten uns neue wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zur Frage, ob das Problem der Verschmutzung der Ozeane durch Mikroplastik-Abfälle einen Ursprung bereits in unseren Flüssen hat“, erklärt der Professor.

Aber auch, ob sich die Gewässergüte in den letzten Jahren insgesamt positiv entwickelt hat, möchte er herausfinden. Schließlich beziehen allein 22 Millionen Menschen aus dem Rhein ihr Trinkwasser. In diesem Video erklärt Andreas Fath den Hintergrund zu seinem Vorhaben. Es geht ihm auch darum, das Bewusstsein für die Kostbarkeit des Wassers und den Gewässerschutz zu stärken. Wenn ein „verrückter Professor“ durch den Rhein schwimmt, glaubt er, hören die Leute dabei eher hin.

Projektpartner: IHPH – Mit Landkarte und Leuchtmittel gegen Parasiten

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Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr.

In einem kleinen Häuschen im Grünen steht Stephan Luther und pinnt eine Karte an die Wand. „Ich hab da so einen Tick, wahrscheinlich von Berufs wegen – immer wenn es irgendwo eine Karte gibt, dann muss ich die mitnehmen.“ Diese hier kennt der Geograph an der Universität Bonn allerdings sehr gut. Es ist die Badegewässerkarte für Nordrhein-Westfalen.

Stephan Luther arbeitet für das Projekt Sichere Ruhr. Das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit IHPH, an dem er zusammen mit fünf anderen Wissenschaftlern für das Projekt forscht, liegt umgeben von Bäumen auf dem Venusberg oberhalb der Bonner Innenstadt. Stephan Luthers Büro ist im ehemaligen Wohnhäuschen des Institutsgründers untergebracht. Im Garten vor seinem großen Fenster sieht man ein Eichhörnchen von Ast zu Ast springen, von der Mensa nebenan kann man das Stadtzentrum überblicken. Ein schöner Arbeitsplatz für einen Geographen. Aber was macht ein Geograph überhaupt an einem Institut für Hygiene?

„Wir sind medizinische Geographen“, meint Luthers Kollege Christian Timm. Am Computer öffnet er noch eine zweite Karte, um zu erklären, was das bedeutet. Es ist eine grafische Darstellung der Ruhr. Christian Timm legt nach und nach weitere Ebenen mit Informationen über die Landschaft. „Hier sieht man jetzt die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die an den Fluss angrenzen.“ Für einen medizinischen Geographen ist daran interessant: Man sieht auf den ersten Blick, von wo aus Düngemittel in den Fluss gelangen könnten – eine mögliche Quelle für Verunreinigungen des Ruhrwassers, die Christian Timm so einfach anhand seiner Karte eingrenzen kann. Dieselbe Ansicht mit den Agrarflächen kann ihm auch einen ersten Hinweis zum Auffinden der Krankheitserreger aus der Tierzucht geben, die im Fluss landen. Und um zu schauen, an welchen Stellen Schadstoffe aus der Industrie der Ruhr Probleme bereiten könnten, ergänzt Christian Timm die Karte einfach um die Darstellung der Industriegebiete.

Karten sind aber nicht die einzigen Hilfsmittel, mit denen Christian Timm und Stephan Luther arbeiten. Denn von ihren Kollegen im Projekt Sichere Ruhr – etwa an den Instituten in Mülheim und Bochum werden die Bonner Geographen mit Daten aus Untersuchungen des Ruhrwassers versorgt. Auch im Bonner Projektteam, das der Mediziner und Geograph Professor Thomas Kistemann leitet, sind ihre Kollegen damit beschäftigt Wasserproben auszuwerten. Biologin Uta Gayer, die biologisch-technische Assistentin Regina Brang-Lamprecht und der Bonner Laborleiter Christoph Koch analysieren das Wasser aus der Ruhr auf seinen Gehalt an Parasiten und Coliphagen hin. Dafür bedarf es guter Vorbereitung und zahlreicher Arbeitsschritte: das Ausspülen der Probenfilter, Konzentrieren der Probe durch Zentrifugation, Isolierung der Parasiten und Einfärben der gesuchten Bestandteile in den Proben mit fluoreszierenden Farbstoffen. Für Uta Gayer sind es so etwa sechs Stunden Vorarbeit, bis sie das kleine Tröpfchen unter dem Mikroskop hat, das sie gerade untersucht. Sie sucht darin nach Giardien und Cryptosporidien, Parasiten, die beim Menschen Durchfallerkrankungen auslösen können. Deren Strukturen sind allerdings nur schwer eindeutig zu erkennen. Hierfür ist ein geschultes Auge nötig. Um die Giardien aufzuspüren, verbringt Uta Gayer viele Stunden im abgedunkelten Labor. Das einzige, was dann leuchtet, sind die Membranen der eingefärbten Parasiten unter dem Mikroskop.

Ähnlich umfassend wie die Biologin – als Aufgabe von A bis Z – betrachten auch Christian Timm und Stepahn Luther ihre Arbeit im Projekt Sichere Ruhr. Die Geographen hoffen, dass ihre Forschungsergebnisse aus drei Jahren Projektarbeit auch danach noch Wirkung entfalten werden – am besten auf die praktische Ausgestaltung von Bademöglichkeiten genauso wie auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Flussbaden. „Schön wäre es, wenn man das Flussbaden dann rechtlich mal genauer fassen könnte“, meint Christian Timm. „Weil die Voraussetzungen bei einem Fluss eben andere sind als bei einem See oder Meer, sollte man auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen daran anpassen und einen rechtlich einwandfreien Raum zum Baden ermöglichen. Zum Beispiel so, dass auch ein temporäres Badeverbot möglich würde, das dann nicht gleich bedeutet, dass man ein Gewässer ganz von der Liste der Badegewässer streicht.“ Der Geograph spielt damit auf ein wichtiges Zwischenergebnis des Forschungsprojektes an: Dass es immer wieder Phasen gibt, in denen die Qualität des Ruhrwassers nicht zum Baden ausreicht – insbesondere nach Starkregen im Sommer – und andere Perioden, in denen das Baden aus hygienischer Sicht durchaus möglich wäre, weil die Wasserqualität des Flusses dann gut ist.

Auch Stephan Luther ist wichtig, dass man Konsequenzen aus den wissenschaftlichen Analysen zieht. „Dass man schaut: Was kann man tun, um die Wasserqualität zu verbessern, was, um die Sicherheit beim Baden zu gewährleisten – und dann eine konsequente Problembekämpfung unternimmt.“ Dafür haben sich die Bonner bemüht, ihre Arbeit für das Projekt gleich zu Beginn auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen. Sie haben eine Datenbank erstellt, die es ermöglicht, wissenschaftliche Artikel zum Thema gesundheitliche Gefährdungen beim Flussbaden zu finden – „als Grundstein für das Projekt und am besten auch darüber hinaus“, sagt Stephan Luther. „Wir haben dafür 40.000 Artikel gesammelt“, berichtet der Geograph, „sie sortiert, herausgefiltert, was mit Oberflächengewässern zu tun hat und gemeinsam mit den Projektpartnern geschaut, was für das Flussbaden relevant ist – jeder Partner mit seiner Expertise.“ Darüber hinaus haben die Bonner Experteninterviews geführt, um die unterschiedlichen Perspektiven derjenigen zu ergründen, die über das Baden in der Ruhr mitentscheiden – Interviews mit Vertretern aus Behörden wie dem Umweltbundesamt, aus der Politik, der Wirtschaft und Umweltverbänden. Diese Befragungen ergänzen sich aber erst mit der Bevölkerungsumfrage, die das IWW in Mülheim im Rahmen des Projekts durchgeführt hat zu einem umfassenden Meinungsbild. Christian Timm betont deshalb, dass man immer auch die Einbindung der Bevölkerung im Auge haben und diese über die Forschungsergebnisse informieren müsse.

Im Moment arbeiten er und Stephan Luther an der Risikobewertung des Ruhrbadens. Dabei haben sie, auf Basis der Messungen aus dem Projekt, eine Erkrankungswahrscheinlichkeit für Badende errechnet – für jeden Tag der Badesaison, die in Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai bis 15. September dauert. Mithilfe des so genannten DALY-Maßes (Disease Adjusted Life Years) wollen die Forscher es erleichtern zu beurteilen, wie hoch das Risiko des Badens im Fluss ist und wie erfolgreich verschiedene Gegenmaßnahmen es verringern können. Die Weltgesundheitsorganisation verwendet so ein DALY-Maß etwa für die Einschätzung von Trinkwasser. Aber Stephan Luther zufolge ist es auch für Badegewässer zu gebrauchen: „Wir nutzen das DALY-Maß, um die Auswirkungen einer Erkrankung, die durch das Ruhrbaden entsteht, in Zahlen fassen zu können“, erklärt er. Christian Timm ergänzt: „Man kann so die Gefahr des Schwimmens in einem Fluss mit anderen Gefahren vergleichen – zum Beispiel mit Autounfällen.“

Würde er denn selbst hineinspringen in die Ruhr, nachdem er diese Vergleichswerte kennt? „Ja, klar“, sagt der 41-jährige Vater. „Ich weiß aber nicht, ob ich auch mit meinen Kindern dort am Strand planschen würde.“ Auch Stephan Luther würde in der Ruhr baden gehen, obwohl er eigentlich das Meer vorzieht. „Aber ich würde es jetzt überlegter tun als vor dem Projekt“, ergänzt er. „Zum Beispiel würde ich vorher kurz nachdenken – hat es eigentlich in den letzten drei Tagen geregnet?“ Als Wissenschaftler betrachten die beiden es eben gerne differenziert.

Projektpartner: Xylem – Bei Regen auf Bakterienfang

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Foto: Julia Eifert, Xylem Water Solutions.

Das gute Wetter vom Wochenende hält an. Jens Gebhardt schaut aus dem Fenster und runzelt die Stirn. Ein paar vereinzelte Wolken sind zu sehen, aber so richtig regnen will es auch an diesem Montag nicht. Anders als die meisten Menschen würde der 28-jährige sich das heute wünschen. Zumindest beruflich.

Der Ingenieur für Wasser- und Abwassertechnik untersucht für das Projekt Sichere Ruhr eine Kläranlage. Genauer gesagt: Er untersucht das Wasser, das aus ihrem Regenüberlaufbecken austritt, auf gesundheitsschädliche Mikroorganismen. Er will wissen, wie groß die Menge an Bakterien ist, die bei schlechtem Wetter durch Überlaufen des Beckens unbehandelt in den Fluss gelangt. Wenn es aber nicht regnet, dann läuft das Becken der Kläranlage Essen-Süd gar nicht über und Jens Gebhardt kann auch nichts messen. „Im letzten Jahr hat es überhaupt nicht genug geregnet für die Messung“, meint der Abwasserexperte. „Deshalb mussten wir ein künstliches Regenereignis simulieren und das Wasser selbst aufstauen.“

Was Jens Gebhardt bei der Untersuchung besonders interessiert, ist, welchen Unterschied die neuen Geräte zur Bakterienbekämpfung machen, die an der Kläranlage testweise installiert sind. Dabei geht es um die Anlagen zur sogenannten Ozonierung sowie zur UV-Bestrahlung des Wassers. Bei der Ozonierung wird Luft beziehungsweise Sauerstoff genutzt, um den unerwünschten Mikroorganismen im Wasser zu Leibe zu rücken. Mithilfe von Elektroden wird aus dem Sauerstoff Ozon erzeugt, das dann mit den organischen und anorganischen Verbindungen im Wasser reagiert und es so schließlich von Bakterien und Schadstoffen befreit. Die UV-Bestrahlung arbeitet dagegen mit Licht, dem ultravioletten Licht einer bestimmten Wellenlänge, das die Erbsubstanz der Bakterien angreift. Die Kleinstorganismen werden von UV-Lampen bestrahlt, bis sie nicht mehr fähig sind sich zu vermehren. „Wir überprüfen das Wasser im Zulauf zur UV-Anlage und schauen, wie viele Mikroorganismen sich darin befinden. Danach messen wir ihre Anzahl noch ein zweites Mal im Ablauf der UV-Anlage“, erläutert Jens Gebhardt. So kann er feststellen, welchen Erfolg die Methode bei der Bakterienbekämpfung hat.

Die an der Kläranlage eingesetzten technischen Vorrichtungen zur Ozonierung und UV-Bestrahlung stammen von der Xylem Water Solutions Deutschland GmbH. In der Firma, die Produkte für die Förderung und Behandlung von Wasser und Abwasser unter den Markennamen WEDECO herstellt und als Projektpartner am Projekt Sichere Ruhr beteiligt ist, arbeitet der junge Ingenieur, seit er dort 2011 seine Masterarbeit geschrieben hat. Neben Jens Gebhardt sind bei Xylem auch noch Diplom-Biologe Jürgen Vogt als Fachmann für die UV-Auswertung sowie Diplom-Ingenieur Arne Wieland mit dem Projekt Sichere Ruhr betraut. Ihre Aufgabe ist neben der Wasserprobenahme und -bewertung auch eine Kostendarstellung. „Wir berechnen für die beiden verschiedenen Techniken Ozonierung und UV-Bestrahlung, was es kosten würde, die Kläranlagen in der Region Essen damit auszustatten“, beschreibt der Xylem-Mitarbeiter ihre Aufgabe im Projekt. „Wir beurteilen, welche der beiden Methoden für den Fall der einzelnen Kläranlagen sinnvoller ist, um die Abtötung der Viren und Bakterien zu erreichen und schauen dabei auch, welches jeweils die kostengünstigere Lösung ist.“

Jens Gebhardt wünscht sich am Ende seiner Kosten-Nutzen-Prognosen und Wasseranalysen so eindeutige Ergebnisse zu haben, dass er eine klare Empfehlung an die Stadt Essen abgeben kann, denn: „Es wäre sicher eine positive Entwicklung für Essen, wenn man den Baldeneysee zum Schwimmen freigeben könnte. Als Freizeitaktivität könnte er dann noch stärker genutzt werden und das wäre bestimmt gut für die Region“, meint der Ostwestfale, der zuhause selbst meist im Frei- oder Hallendbad schwimmt. „Seen oder Flüsse zum Schwimmen gibt es bei uns in Ostwestfalen leider nicht so viele.“ Den hohen Wert einer natürlichen Badeumgebung weiß Jens Gebhardt deshalb zu schätzen. Als Umweltingenieur kennt er aber auch die Schwierigkeiten, die damit verbunden sein können und meint: „Ich kenne die aktuellen Wasserwerte von Ruhr und Baldeneysee nicht genau. Aber unter den jetzigen Bedingungen – da sie nicht als Badegewässer freigegeben sind – würde ich selbst lieber nicht reinspringen.“

Vielleicht können Techniken wie Ozonierung oder UV-Bestrahlung in Zukunft dazu beitragen, die Wasserwerte der Ruhr zu verbessern, auch nach Regenwetter, das sich immer wieder negativ auf die Wasserqualität auswirkt. Deshalb nimmt Jens Gebhardt weiterhin sorgfältig Wasserproben an der Kläranlage. Heute hat er dazu Praktikantin Julia Eifert mit nach Essen genommen, denn für die Probenahme müssen die Xylem-Mitarbeiter immer zu zweit sein. Im weiteren Verlauf der Untersuchung sind dann noch eine ganze Reihe anderer Leute beteiligt, darunter Wissenschaftler vom IWW in Mülheim und der RWTH Aachen. Dass die Wasseruntersuchung in ihren verschiedenen Arbeitsschritten eine Reihe von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Städten involviert, die sich koordinieren müssen, macht es nicht leichter, schnell auf einen Regenfall zu reagieren. „Die Labore müssen zum Beispiel zum passenden Zeitpunkt frei und besetzt sein, wenn wir eine Wasserprobe nehmen, weil dort die Proben aufbereitet werden“, erklärt Jens Gebhardt. Denn das Essener Überlaufwasser muss zeitnah analysiert werden, damit die Ergebnisse aussagekräftig sind. „Wenn es zum Beispiel am Freitagnachmittag regnet und wir danach hier an der Kläranlage Proben ziehen, wird es natürlich schwierig, denn dann sind die Labormitarbeiter schon bald im Wochenende.“ Gebhardt muss lachen: „Deshalb ist es für uns wünschenswert, dass es in der Nacht von Sonntag auf Montag regnet.“ Dass die Natur bei der Untersuchung mitspielt, ist für ihn daher eigentlich die größte Herausforderung bei seiner Arbeit im Projekt Sichere Ruhr.

Projektpartner ITAS – Leben an der Spree, forschen an der Ruhr

Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Lahdo
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Mülheim an der Ruhr, Essen, Bochum, Bonn, Aachen und Berlin – das Projekt Sichere Ruhr beschäftigt Wissenschaftler auch fernab vom Ufer der Ruhr. In Berlin beispielweise beteiligen sich Prof. Dr. Peter Wiedemann und Dr. Franziska Boerner vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Projekt. Die Berliner Außenstelle des Karlsruher Instituts für Technologie liegt in einem hellen Büro direkt an der Spree – so fällt den Wissenschaftlern der Bezug zum Forschungsthema besonders leicht.

Die Kollegen vom ITAS übernehmen dabei verschiedene Aufgaben für das Projekt Sichere Ruhr. Ihre Hauptaufgabe ist die Durchführung einer deutschlandweiten Bevölkerungsumfrage zur Wahrnehmung von Risiken beim Baden in Flüssen und Risiken zum Trinkwasser. Darüber hinaus untersuchen sie, ob Menschen in natürlichen Gewässern baden gehen und welche Faktoren dabei für sie relevant sind. Indem sie vor allem wichtige Erkenntnisse aus der Psychologie und Wahrnehmungsforschung in die Konzeption der Risikokommunikation und des Handlungsleitfadens miteinbringen, unterstützen sie das gesamte Team. Hinter dem immensen Wissen steht ein sehr kleines aber eingespieltes Team. Der Projektleiter Prof. Dr. Wiedemann und Dr. Franziska Boerner sind so etwas wie eine Zwei-Mann-Risikotaskforce, die auf beträchtliche Erfahrungen im Bereich Risikowahrnehmungs-, und -kommunikationsforschung zurückgreifen können. Außerdem steht das Team mit anderen Projektpartnern in regem Kontakt. Besonders eng arbeiten sie dabei mit dem Team am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Duisburg-Essen zusammen ­– denn die Arbeiten der beiden Institute stehen in besonderem inhaltlichen Zusammenhang und bauen aufeinander auf.

Fixe Routinen gibt es für Franziska Boerner in ihrem Arbeitsalltag für Sichere Ruhr nicht. Die anstehenden Aufgaben hängen viel mehr vom aktuellen Stand des Projekts ab, dabei gleicht kein Tag dem anderen. Besonders interessant war für die promovierte Psychologin die Phase, in der die repräsentative Bürgerbefragung vorbereitet und durchgeführt wurde. In einem ersten Schritt entwickelte Franziska Boerner den Fragebogen auf Basis bestehender Literatur und ihrer Erfahrungen aus vergangenen Projekten. Im nächsten Schritt wurden Probeinterviews durchgeführt um zu testen, ob die Fragen auch tatsächlich die gewünschte Erkenntnis liefern. Nach der Entwicklung des Fragebogens folgte die Durchführung der Befragung. Hierzu mussten Interviewer geschult und Modalitäten mit dem Befragungsinstitut verhandelt werden. Der letzte und für Franziska Boerner auch spannendste Schritt war schließlich die Auswertung der erhobenen Daten. Mit Hilfe von statistischen Methoden versucht sie dabei Muster im Antwortverhalten zu entdecken oder sie widmet sich aufmerksam den offenen Antworten: „Besonders spannend sind gerade diese freien Antworten wie zum Beispiel die Gründe der Befragten für das Baden in Flüssen.“

Bei der Befragung sind eine Menge spannender Ergebnisse heraus gekommen. So konnten die Kollegen zum Beispiel belegen, dass die allgemeinen Bemühungen die Trinkwasserqualität zu steigern in den vergangenen Jahren bereits Früchte tragen: „Die Umfrage zeigt, dass die Menschen zufrieden sind mit der Trinkwasserqualität und diese in Deutschland als sehr gut einschätzen.“ In der Studie zeigt sich auch, dass nur circa 6-11 Prozent der Deutschen schon einmal in einem Fluss baden waren. Das interessante ist aber, dass sich über 60 Prozent vorstellen könnten, in einem Fluss zu baden, wenn eine gute Wasserqualität gegeben wäre und die nötige Infrastruktur vorhanden wäre, berichtet die 34jährige – „diese Tatsache zeigt ja ein grundsätzliches Interesse der Bevölkerung am Flussbaden und ist ein Indiz dafür, dass wir mit dem Projekt ein aktuelles Thema verfolgen.“ Ein anderes erstaunliches Studienergebnis für das ITAS-Team, ist die Deutlichkeit mit der sich zeigt, dass die Mehrheit der Befragten die Qualität von Badegewässern rein über die Sensorik – also über das Aussehen und über den Geruch des Wassers – beurteilt. Mögliche Grenzwerte oder ähnliches werden da zunächst gar nicht in Betracht gezogen, vielmehr zählt, was optisch wahrnehmbar ist: „Wenn keine komischen Tierchen oder irgendein Müll im Wasser schwimmen, ist die Qualität für den Betrachter gut. Wenn der Mensch denkt, das sieht gut aus, dann springt er da auch rein.“

Aus genau diesem Grund betrachtet die junge Forscherin die Risikoaufklärung auch als wichtigen Bestandteil des Projekts Sichere Ruhr. Es sei sehr wichtig, die Menschen über die Wasserqualität aufzuklären, das habe die Befragung eindeutig gezeigt. Hier liegt für das Team am ITAS auch die größte Herausforderung für das Projekt. Zusammen mit den Kollegen am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Duisburg-Essen, wo das Kommunikationskonzept zum Baden in der Ruhr entwickelt wird, versuchen sie Wege zu finden, um die Ergebnisse aus der Studie in die Kommunikationsansätze zu integrieren. Was genau müsste kommuniziert werden, wenn man tatsächlich eines sonnigen Tages in der Ruhr baden könnte? Über welche Risiken, die von der Bevölkerung so nicht wahrgenommen werden, müsste aufgeklärt werden? Und auf welchen Wegen sollte kommuniziert werden, damit die Botschaft auch ankommt? Die Forschung im Bereich Kommunikation steckt in vielen Teilen noch in den Kinderschuhen, obwohl es ein großes Informationsbedürfnis in der Bevölkerung gibt. Gerade das macht das Projekt Sichere Ruhr für die Wahl-Berlinerin so spannend.

Neben den Aspekten der Kommunikation gibt es aber auch eine Menge anderer Faktoren, aufgrund derer Franziska Boerner gerne im Projekt arbeitet: „Das Thema Wasser finde ich einfach total spannend – Wasser reicht in alle Bereiche unseres Lebens hinein, zum einen als besonderes Lebensmittel, zum Baden und zur Naherholung, aber auch als Grundlage für Industriegüter oder als Voraussatzung für die Landwirtschaft.  Ohne Wasser geht wirklich gar nichts!“ Eine weitere Motivation für die Psychologin ist zudem ihr lokaler Bezug zum Ruhrgebiet, denn sie hat Familie in Hagen und verbringt daher gerne und häufig Zeit in der Region rund um die Ruhr. Am Wasser im Grünen lässt es sich einfach gut entspannen. Und genau hier liegt ihrer Meinung auch ein weiterer Kernpunkt des Projekts Sichere Ruhr: „Mal ganz abgesehen davon, ob man in dem Fluss in Zukunft baden gehen kann oder nicht – die Nutzung der Ruhr als Naherholungsraum ist meiner Meinung nach ein ganz entscheidender Faktor für die Region.“ Und eine saubere Ruhr spielt da nicht nur für die Menschen eine entscheidende Rolle sondern auch für die Tiere und Pflanzen in und entlang der Ruhr.

Trotzdem wäre die Wissenschaftlerin offen für ein kühles Bad in der Ruhr. Für Menschen die sehr naturverbunden sind, so wie Franziska Boerner, wäre es sicher eine schöne Vorstellung auch im Ruhrgebiet eine Erfrischung im Fluss zu finden zu können. „Allerdings nicht unbedingt an allen Stellen, immerhin gibt es mancherorts starke Strömungen oder Schiffsverkehr“ gibt sie zu bedenken. Auch müsse man die Ergebnisse des Projekts abwarten, denn schließlich hat die Sicherheit der Bürger auch in der Badefrage höchste Priorität. „Sicher wäre es ein schönes Projektergebnis, zu zeigen, dass man in der Zukunft in der Ruhr baden kann. Aber es gibt auch viele Faktoren in dieser Entscheidung, die gar nicht von dem Projekt abhängen“ – Umweltfaktoren, Verkehrssicherungspflichten oder die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Beispiel. Daher sieht Franziska Boerner die Hauptaufgabe von Sichere Ruhr auch darin, die Möglichkeiten und Hürden aufzuzeigen. „Das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung – auch wenn am Ende des Projekts eine lange Liste von Herausforderungen steht, die es zunächst zu lösen gilt!“

Projektpartner: IWW – Was die Ampel morgen sagt

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

Jedes Kind lernt früh: Eine grüne Ampel heißt noch nicht, dass tatsächlich alle Autos anhalten. Und jeder Erwachsene weiß: Eine rote bedeutet nicht, dass überhaupt eins kommt.

Dass man also immer noch am besten selbst nach links und rechts schaut, ist im Straßenverkehr jedem klar. Beim Baden in Seen und Flüssen macht sich dies dagegen nicht jeder bewusst. Ein Ort, wo man sich bemüht, dafür ein Bewusstsein zu schaffen, ist das IWW Zentrum Wasser in Mülheim.

Am IWW, wo das Projekt Sichere Ruhr koordiniert wird, beschäftigen sich eine Vielzahl von Mitarbeitern mit dem Ruhrwasser. Dort arbeiten unter anderem Mikrobiologen, Technologen, Ökonomen oder Statistiker an dem Projekt.

Laut Projektkoordinator Dr. Wolf Merkel ist eine wesentliche Aufgabe der Forscher dabei, wissenschaftliche Fakten für die Diskussion um die Frage ‚Könnte die Ruhr künftig zum Baden genutzt werden?’ bereitzustellen. „Im aktuellen Rechtsrahmen ist dies nicht möglich, weil die schwankende Wasserqualität bei Regen in der EU-Badegewässerrichtlinie nicht berücksichtigt wird“, meint der Ingenieur. „Teil der Arbeiten im Projekt ist es daher, Lösungswege hierfür aufzuzeigen.“

Martin Strathmann, Andreas Hein und Hans-Joachim Mälzer sind drei Mülheimer Kollegen, die an diesen Lösungswegen arbeiten. Im Interview mit ihnen wird schnell klar, dass sie eng zusammenarbeiten. Die Daten, die Martin Strathmann und seine Kollegen aus der mikrobiologischen Abteilung sammeln, wenn sie Wasserproben an der Ruhr nehmen, helfen beispielweise Hans-Joachim Mälzer bei der Entwicklung einer aussagekräftigen Vorhersage zur Wasserqualität. Und für Andreas Hein spielt beides eine Rolle, wenn er mögliche Badeszenarien am Baldeneysee miteinander vergleicht. „Im Projekt Sichere Ruhr sind wir nicht nur bei uns im Haus eng vernetzt“, erläutert der Mikrobiologe Martin Strathmann. „Wenn wir an der Ruhr oder am Baldeneysee Wasserproben nehmen sind beispielsweise auch die Kollegen vom Essener Biofilmcenter und Wissenschaftler aus Bonn und Bochum mit dabei.“

„Mit mehreren Kühltaschen bepackt kommen wir dann vom Fluss zurück ins Labor“, beschreibt der 40-jährige die Mühen in der Projektarbeit. Im Labor untersucht er die Proben dann zusammen mit seinen Kollegen Dietmar Pütz, Kathrin Bemmann, Susanne Grobe und Gabriela Schaule.

Das IWW arbeitet breit gefächert und besitzt für den gesamten Wasserkreislauf Experten. Dass Martin Strathmann, der an der Universität Duisburg-Essen promoviert hat, trotzdem auch mit anderen Instituten so häufig in Verbindung steht, zeigt, welche große Menge an Daten und Untersuchungen für das Projekt Sichere Ruhr bearbeitet werden muss.

„Für meine Arbeit kann es eigentlich nicht genug solcher Daten geben“, meint Kollege Hans-Joachim Mälzer, der gemeinsam mit Tim aus der Beek und Frank-Andreas Weber an der Entwicklung einer Vorhersage der Ruhrwasserqualität arbeitet. An seinem Computer im Büro des IWW bastelt er an für Laien nur schwer verständlichen Graphen. Die Berechnungen, die der Ingenieur mit historischen und aktuellen Daten speist, sollen irgendwann helfen, Badende im Voraus vor Wasserverunreinigungen zu warnen. Dafür nutzt der Wissenschaftler, der selbst passionierter Schwimmer ist, statistische Verfahren, physikalisch-chemische Modellrechnungen und zusammen mit dem Projektpartner aquatune auch künstliche neuronale Netze, die er beispielsweise mit Wetterdaten und den Ergebnissen von den Wasseruntersuchungen seiner Kollegen versorgt.

„Es wäre mal interessant, wie viele Daten im ganzen Projekt Sichere Ruhr insgesamt wohl bearbeitet werden müssen“, meint sein Kollege Andreas Hein. „Allein bei unserer Bevölkerungsumfrage haben wir ja schon über 220.000 Einzelantworten bekommen“, erklärt der diplomierte Volkswirt. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziologie, dem Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Duisburg-Essen und dem Ruhrverband haben er und seine Kollegin Marina Neskovic ermittelt, was die Bürger in der Region über das Baden in der Ruhr und dem Baldeneysee denken. Zum Beispiel wurde gefragt, wie viel Geld es den Bürgern wert wäre, dort unter verschiedenen möglichen Bedingungen baden gehen zu können. Nun ist das Team um Andreas Hein damit beschäftigt, anhand der Antworten der Bevölkerung das Verhältnis von Kosten und Nutzen für die verschiedenen Badeszenarien zu bewerten. Die Kosten sind dabei noch nicht vollständig kalkulierbar, weil sie auch von den Ergebnissen anderer Arbeitsbereiche im Projekt Sichere Ruhr abhängen. Aber ein Ergebnis aus der Umfrage verrät der Ökonom schon: „Nur wenige der Bürger, die wir befragt haben, wollen, dass die Badesituation so bleibt, wie sie im Moment ist. Die meisten wünschen sich einen Wasserzugang in Form einer oder mehrerer ausgewiesener Badestellen.“

So eine speziell zum Baden ausgewiesene Uferstelle könnte helfen, Risiken wie einen unebenen Grund oder den Schiffsverkehr auf dem Fluss übersichtlich zu halten. „Ob man auf einem glatten Stein ausrutschen kann oder die vorbeifahrenden Schiffe – das würde mir persönlich mehr Sorgen bereiten als ein möglicher Durchfall“, sagt Mikrobiologe Martin Strathmann. Er weiß aber, dass „auch für die Sicherheit von Kindern oder gesundheitlich angeschlagenen Bürgern mit schwachem Immunsystem gesorgt werden muss und daher eine Bewertung im Rahmen des geltenden Rechts erfolgen muss.“ Sein Kollege Hans-Joachim Mälzer würde gerne eines Tages auch in der Ruhr schwimmen, wenn die rechtliche Situation geklärt ist – so lange geht er weiterhin lieber zum Baggersee.

Andreas Hein findet, dass es wichtig ist, die Bevölkerung über mögliche Risiken und Sicherheitsmaßnahmen zu informieren. „Wenn ich mir etwas wünschen würde, das mindestens überbleiben soll aus dem Projekt Sichere Ruhr, dann wäre das eine höhere Sensibilisierung und besseres Verständnis zu diesem Thema, bei den Badenden selbst, aber auch bei Badebetreibern, Verwaltungen und allen, die es angeht.“ Dabei hofft der Volkswirt, dass aus dem Projekt eine öffentliche Informationsmöglichkeit über den Gewässerzustand hervorgeht, die immer aktuell verfügbar wäre, „also eine Hilfe für denjenigen, der für sich entscheidet, gehe ich rein oder gehe ich nicht rein ins Wasser.“

Eine Ampel könnte das sein, die Grün oder Rot zeigt, je nachdem, ob zu große Sicherheitsrisiken zum Baden bestehen oder nicht. Der passionierte Schwimmer und Verfahrensingenieur Hans-Joachim Mälzer arbeitet mithilfe seiner Modellvorhersagen an so einem Ampel-System. „Die Herausforderung dabei ist, alle Daten richtig auf einfache Aussagen wie ‚Rot’ oder ‚Grün’ oder auf einfache Risikostufen zu reduzieren“, erklärt der Wissenschaftler. Außerdem weiß er natürlich, dass selbst eine solche wissenschaftliche Vorhersage ihre Grenzen hat. Es gilt, wie beim Straßenverkehr, den Verstand sollte man nie ganz ausschalten. Deshalb sind sich die IWW-Mitarbeiter einig, dass sich jeder, der in der Ruhr baden möchte, über die Risiken und seine Eigenverantwortung im Klaren sein müsse. Ob die Ampel schließlich Grün oder Rot zeigt, mag in Zukunft vielleicht nicht nur an der Straßenkreuzung, sondern auch beim Baden in Seen und Flüssen ein nützliches Hilfsmittel sein. Es kann einem aber nicht die Entscheidung abnehmen, ob man schließlich ins Wasser springt.

Roter Planet Ruhr – Das MARS-Projekt erforscht unsere Flüsse

Foto: Benjamin Kupilas.
Foto: Benjamin Kupilas.

Dass es auf unserem Nachbarplaneten einmal Wasser gegeben hat – und damit früher eine wichtige Grundlage für organisches Leben dort existierte – ist ein bedeutendes Zwischenergebnis, das uns amerikanische Roboterfahrzeuge vom Mars geliefert haben. Auch die Europäer haben inzwischen ihr MARS-Projekt und damit haben sie es ebenfalls aufs Wasser abgesehen. Allerdings erforschen Europas Wissenschaftler den lebensspendenden Stoff nicht auf fernen Gestirnen, sondern etwas bodenständiger – vor der eigenen Haustür, zum Beispiel an der Ruhr.

MARS steht in diesem Fall daher nicht für den Planeten sondern für „Managing Aquatic ecosystems and water Ressources under multiple Stress“ und beschäftigt sich mit der Frage, wie mehrere gleichzeitige Belastungen auf ein Gewässer wirken. Als Belastungen – oder sogenannte „Stressoren“, wie die beteiligten Wissenschaftler sagen – gelten beispielsweise Schadstoffe, die durch Industrie oder Landwirtschaft ins Wasser gelangt sind, aber auch klimatische Extrembedingungen wie Hitzewellen oder der Einfluss, den Wasserkraftanlagen auf die betroffenen Gewässer haben. Diese Stressoren haben gemeinsam, dass sie häufig direkt und negativ auf im Wasser lebende Pflanzen, Fische, Insekten oder Mikroorganismen einwirken.

Die MARS-Studie hat sich nun zum Ziel gemacht, speziell das Zusammenwirken solcher Stressfaktoren zu ergründen, weil diese eben nicht mehr nur einzeln, sondern gerade in Kombination auftreten und unsere Flüsse und Seen gemeinsam belasten. Eine Vielzahl von Instituten auf dem ganzen Kontinent ist an der internationalen Studie beteiligt. Mithilfe europaweit gesammelter Daten und deren Vergleich ergründen die beteiligten Forscher, wie die „multiplen Stressoren“ zusammenwirken, wie sie sich gegenseitig verstärken oder auch abschwächen. Dabei erhoffen die sich die MARS-Forscher auch Erkenntnisse über den Effekt, den mehrere gleichzeitige Belastungen auf die Lebensräume bzw. Ökosysteme der europäischen Flüsse und Seen haben.

Auch die Ruhr ist als einer von 16 europäischen Flüssen Gegenstand der Untersuchungen des MARS-Projekts. „Hier werden die Auswirkungen des Eintrags von Feinsedimenten auf den ökologischen Zustand des Flusses untersucht“, erläutert Professor Daniel Hering vom Institut für Aquatische Ökologie der Universität Duisburg-Essen. „Wir analysieren Daten, um die Frage zu beantworten, welche Stressoren-Kombinationen den derzeitigen Zustand der Ruhr bedingen.“ Ziel sei es dabei, eine Vorhersage zu erstellen, wie sich das Ökosystem Ruhr unter verschiedenen Szenarien entwickelt. Genauere Angaben zum Projekt macht Professor Hering in diesem Video-Interview.

Als mögliche Zukunftsszenarien geht das MARS-Projekt etwa von einem zunehmenden Klimawandel aus oder von einer Veränderung der Landwirtschaft hin zu ökologischen Anbaumethoden. Mithilfe von Simulationen soll vorhergesagt werden, welche Konsequenzen diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf den Gewässerlebensraum haben. Dabei geht es dem MARS-Projekt auch darum,  sinnvolle Strategien für den Umgang mit den betroffenen Gewässern zu erarbeiten und so europäische Umweltschutzvorgaben umsetzen zu helfen.

Auf diesem Weg gewinnt das Projekt auch Bedeutung für die Menschen, die an Europas Flüssen und Seen leben, denn diese werden häufig als Quelle für Trinkwasser und Nahrung oder zum Baden genutzt. MARS-Forschung spielt sich also nicht immer weit weg ab, sondern betrifft manchmal auch die Bevölkerung direkt an der Ruhr.

Fische wissen es zuerst – Flusstiere als Indikator für die Wasserqualität

Foto: Dr Bernd Stemmer
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Foto: Bernd Stemmer

Den Spaziergängern verdarb es gründlich ihren Samstagnachmittag: Sie sahen immer mehr tote Fische auf dem Wasser treiben. Tausende Tiere waren es, die Ende 2011 im Essener Stadtteil Kupferdreh ans Ufer der Ruhr gespült wurden und damit für einen Großeinsatz von Behörden und Wissenschaftlern am Fluss sorgten. Wasserproben nach dem Fischunglück wiesen auf eine illegale Schadstoffeinleitung hin, so dass Polizei und Forscher sich auf die Spur der Wasserverschmutzer zu machen begannen.

Das Ereignis liegt inzwischen mehrere Jahre zurück, doch es macht noch immer deutlich: Wenn Fische auf Schwankungen der Wasserqualität reagieren, kann das auch für den Menschen zum wichtigen Hinweis werden, dass etwas mit dem Wasser nicht stimmt.

In München beispielsweise setzen die Stadtwerke deshalb nicht ohne Grund gezielt Bachforellen und Saiblinge ein, um die Trinkwasserqualität in der Großstadt zu überprüfen. Schon auf kleinste Verunreinigungen des Wassers reagieren die Fische meist unmittelbar. Sie zeigen dann zum Beispiel eine eingeschränkte Beweglichkeit oder weichen bei der Nahrungsaufnahme von ihrem üblichen Verhalten ab. Auf diese Weise stellen die Flussbewohner sozusagen ein Frühwarnsystem für Probleme in der  Trinkwasserversorgung dar.

Es verwundert nicht, dass Fische als Wasserlebewesen auch besonders sensibel für  Veränderungen in Gewässern sind. Ein Beispiel ist die Temperatur. So bevorzugen viele Fischarten kühle, sauerstoffreiche Flüsse und können sich nur schwer an wärmeres und sauerstoffärmeres Wasser.  Nur etwa ein Fünftel der Fischarten kann sich an Wassertemperaturen von mehr als 20 Grad anpassen. Wenn Bäche oder kleinere Seen in heißen Sommern durch Verdunstung stark an Wasser verlieren, konzentrieren sich Nähr- und Schadstoffe im verbleibenden Niedrigwasser – worauf wiederum die Fische reagieren.

Derartige Reaktionen von Wasserlebewesen auf Umweltbelastungen besser einschätzen zu können, helfen Forschungsprojekte wie etwa das Projekt MARS, das in 16 Ländern die Auswirkungen verschiedener „Stressfaktoren“ wie Klimawandel oder Landwirtschaft auf die europäischen Gewässer untersucht. In Experimenten wird dabei simuliert, wie wirbellose Tiere, Fische, Wasserpflanzen und Plankton auf mehrere gleichzeitige Belastungen wie die genannten reagieren. Auch in renaturierten Gewässerbereichen wird dies untersucht. „Denn hierzu wissen wir bislang nur wenig“, erklärt Professor Daniel Hering von der Abteilung für Aquatische Ökologie der Universität Duisburg-Essen, die das Projekt koordiniert.

Neben der wissenschaftlichen Untersuchung und Frühwarnung können Fische aber umgekehrt auch gezielt zur Verbesserung der Wasserqualität eingesetzt werden. An den Ruhrtalsperren etwa werden Raubfische eingesetzt, um das gestörte ökologische Gleichgewicht zu korrigieren und so das Algenwachstum einzudämmen. Und am Baldeneysee zeigen Fraßspuren an Elodea-Pflanzen, wie Fische – in diesem Fall Rotfedern – helfen können, schädlichem Pflanzenwuchs zu begrenzen. Die Elodea, auch Wasserpest genannt,  hatte in einigen Ruhrstauseen wie dem Hengsteysee oder dem Kemnader See in den vergangenen Jahrzehnten zum Teil problematische Ausmaße angenommen. Ihr Massenvorkommen hatte zum Verstopfen von Schleusen und Laufwasserkraftwerken geführt sowie die Schifffahrt und den Wassersport behindert.

Der Einsatz von Fischen bei der Eindämmung solcher Probleme zeigt: Die Süßwasserbewohner sind von Bedeutung dafür, wie sich unsere Flüsse und Seen entwickeln und ob wir sie bedenkenlos zum Trinken und Baden, zum Transport und zur Energiegewinnung  nutzen können. Laut Weltnaturschutzorganisation (IUCN) sind allerdings von den 522 Arten der europäischen Süßwasserfische mehr als ein Drittel bedroht.

Gründe für das großflächige Artensterben sind unter anderem die Regulierung von Flüssen, die Entwässerung von Feuchtgebieten, die Wasserentnahme durch den Menschen und der Klimawandel. Auch Wehre und Staumauern von Kraftwerken können besonders die wandernden Fischarten gefährden.

Zwar werden Süßwasserfische erfolgreich zur Pflanzeneindämmung und in Wasseruntersuchungen eingesetzt, aber vielleicht müsste man fragen: Nehmen wir die Fische als Hinweis auf unsere Gewässerqualität wirklich ernst genug?

 

An der Quelle der Ruhr – Der Ursprung von Flüssen

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig

Wir stehen in Duisburg-Ruhrort, am größten Binnenhafen Europas. Hier, wo die Ruhr auf den Rhein trifft, ist es schwer sich vorzustellen, dass ein Fluss, der einer Metropolregion mit Millionen von Menschen ihren Namen gibt, als kleines Rinnsal in einem sumpfigen Quellgebiet beginnen soll – mitten im sauerländischen Wald, einen Katzensprung entfernt vom beschaulichen 350-Seelen-Dorf Grönebach. Und in gewisser Hinsicht stimmt das auch tatsächlich nicht. Aber wo beginnt dann ein Fluss und wann wird ein Fluss ein anderer Fluss?

Auf der Suche nach dem Anfang der Ruhr verschlägt es uns ins Sauerland. Eine der dortigen touristischen Attraktionen ist die Ruhrquelle – ein kleines unscheinbaren Rinnsal, dessen Bedeutung sich dem Besucher erst beim Anblick des großen Steins mit den Lettern „Ruhr Quelle 1849“ offenbart. Die Ruhrquelle liegt zwei Kilometer von Grönebach entfernt am Hang des Ruhrkopfberges. Sie gehört damit, genau wie Grönebach, zur Stadt Winterberg im Sauerland. Das Rinnsal Ruhr plätschert hier  – nicht ahnend welch große Reise es noch vor sich hat – beschaulich aus einem Steinrondell, welches vor vielen Jahren künstlich angelegt wurde.

Doch wo kommt das Wasser her, was da aus dem Steinrondell plätschert und gemeinhin als Ruhrquelle gilt? Der Ursprung des kleinen Bächleins liegt in einem Morastquellgebiet, wo sich das natürlich austretende Wasser zu dem kleinen Bach sammelt. Da sich bereits vor unserer Zeit viele Menschen auf die Suche nach der Ruhrquelle gemacht haben, beschloss man im Jahr 1958 das kleine Rinnsal in Stein zu fassen, um so einen Ort zu schaffen, der von Touristen gerne besucht wird. Auch heute ist die Ruhrquelle noch ein beliebtes Ausflugsziel und eine Station der Route Industriekultur. Außerdem ist die Ruhrquelle der Ausgangspunkt des Ruhrhöhenwegs und des RuhrtalRadwegs.

Ein Fluss beginnt also an seiner Quelle, dem Ort, wo aus Regen gespeistes Grundwasser auf natürlich Weise aus dem Boden oder Gestein austritt. Aber welche Quelle meinen wir eigentlich, wenn wir von der Quelle eines Flusses sprechen? Und wie verhält es sich mit den Flüssen und den Quellen wenn zwei Flüsse ineinander fließen? Wonach wird der neue Fluss benannt und wo hat er seinen Ursprung? Treffen zwei Flüsse aufeinander, so nennt sich der kleinere Fluss Nebenfluss und der größere Hauptfluss. Der Fluss wird im weiteren Verlauf immer nach dem Hauptfluss – sprich dem längeren oder größeren Fluss – benannt. Die Ruhr ist zum Beispiel ein Nebenfluss des Rheins. Sie hat aber auch eine Menge eigener Nebenflüsse. Natürlich ist der Ursprung eines solchen Nebenflusses nicht unbedingt die Ruhrquelle. So suchen wir weiter nach der Quelle des ursprünglichen Hauptflusses.

Doch so einfach ist das gar nicht: In ihrem Ursprungsgebiet trifft die Ruhr zunächst auf den etwas längeren Hillebach, kurz die Hille. Ist damit also die Hillequelle eigentlich die „echte“ Quelle des Flusses, an dem Essen, Mülheim und Duisburg liegen? Auch die Neger ist beim Zusammentreffen mit der Ruhr der etwas größere Fluss, dennoch bleibt die Ruhr weiterhin die Ruhr. Nicht nur aufgrund der Namensgebung ist bei vielen Flüssen  umstritten welches die „rechtmäßige“ Quelle des Gewässers ist. Auch in Bezug auf die Frage nach dem Haupt- und dem Nebenarm, sorgt dieser Umstand häufig für Verwirrung. Die Definition „der“ Quelle des Amazonas beispielweise ist entscheidend dafür, ob dieser als längster Fluss der Erde gelten kann. Je nach Betrachtungsweise kann dies auch der Nil sein. Auch beim Rhein ist es schwierig die eigentlich Quelle zu bestimmen, da im Quellgebiet mehrere nahezu gleichgroße Fließgewässer aufeinander treffen. Eine Hierarchie des Ursprungs ist nur schwer auszumachen.

Dennoch ist die Bestimmung der Quelle wesentlich für den zugehörigen Fluss, denn mit der Quelle hängt die Namensgebung des Flusses zusammen. Wenn zwei Flüsse aufeinander treffen sind Quelle und Namensgebung nicht immer eindeutig. Dies geschieht durch abweichende Kriterien für den Hauptfluss. Solche Kriterien können zum Beispiel die Länge, die Wasserführung, die Fließrichtung, die historische Entwicklung oder auch die Bedeutung der durchflossenen Region als Siedlungs- und Verkehrsraum darstellen. Insbesondere die historisch gewachsene Namensgebung einiger Flüsse erfolgt nicht immer nach dem wissenschaftlich korrekten (hydrologischen) Hauptfluss. Daher ist die historische Bestimmung der Quelle auch nicht immer ganz eindeutig.

Von der Quelle der Ruhr geht es zurück an ihre Mündung nach Duisburg-Ruhrort. Hier sind Namensgebung, Quelle und die Abgrenzung von Haupt- und Nebenfluss eindeutiger: Denn die Ruhr fließt in den Rhein. Und der entspringt in der Schweiz. Oder doch im Sauerland?

Projektpartner: RWW – High-Tech im Arbeitsalltag

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Den meisten Ruhrgebietlern wird die Rheinisch Westfälische Wasserwerksgesellschaft, kurz RWW, wohl als lokaler Wasserversorger bekannt sein. 1912, vor etwa 100 Jahren, nahm die RWW ihren Betrieb auf, um die Region flächendeckend und verlässlich mit hygienisch einwandfreiem Wasser zu versorgen. Doch was ist die Rolle der RWW im Projekt Sichere Ruhr?

Im Rahmen der Aufbereitung des Trinkwassers in den Wasserwerken überprüft die RWW konstant die Qualität des Ruhrwassers und des Trinkwassers, das aus dem Fluss gewonnen wird. So werden täglich Proben genommen, um sicherzustellen, dass die Qualität den hohen Standards der Trinkwasserverordnung entspricht. Die RWW verfügt als Wasserversorger des Ruhrgebiets also über eine enorme Menge an Daten, welche die Qualität des Flusswassers betreffen.

Im Projekt Sichere Ruhr arbeitet die RWW besonders eng mit dem IWW Zentrum Wasser und dem Biofilm Centre der Universität Duisburg-Essen zusammen. Die in der Vergangenheit erhobenen Daten zur Qualität des Flusswassers stellt sie diesen Partnern für ihre Arbeit gern zur Verfügung – denn gemeinsam arbeiten sie bei Sichere Ruhr daran, die Wasserqualität des Flusses eingehend zu untersuchen. Der Prozess beginnt mit der Probenahme an der Ruhr und schließt sowohl die mikrobiologische Untersuchung als auch die finale Analyse der Daten mit ein.

Für Sichere Ruhr ist bei der RWW ein vierköpfiges Team tätig. Zu diesem gehören der Laborleiter Dr. Mathias Schöpel, über den die Beteiligung der RWW am Projekt stattfand, die Labor-Koordinatorin Dr. Anne Heyer sowie die Mitarbeiter Laura Sellmons und Guido Geburtzky. Das Team beteiligt sich an einer Vielzahl von Projekten und integriert die für Sichere Ruhr anfallenden Aufgaben auf Abruf in den Arbeitsalltag. Dieser spielt sich vor allem in einem modernen Labor ab, das eine Vielzahl an High-Tech Apparaten und Geräten bereit hält- besonders für den Laien ein faszinierender Anblick.

Für die Arbeiten am Projekt Sichere Ruhr dient das Wasserwerk Styrum Ost in Mülheim als Referenzwasserwerk und Messstelle. Guido Geburtzky erklärt, dass Proben zum einen vom Rohwasser, welches direkt aus der Ruhr stammt, und zum anderen vom Wasser, aus den einzelnen Aufbereitungsschritten des Wasserwerks entnommen wird. Diese Proben werden dann im Labor zum Beispiel von Laura Sellmons auf ihre Gesamtkeimzahl hin untersucht. Dabei geht es darum, einen Überblick zu bekommen, wie viele Keime überhaupt im Wasser enthalten sind. Spezieller werden etwa coliforme Bakterien gesucht. Diese dienen als Indikatororganismen, das bedeutet, sie sind ein Hinweis für die sanitäre und hygienische Beschaffenheit des Wassers – wo solche Organismen zu finden sind, da ist die hygienische Wasserqualität nicht optimal.

Die Ergebnisse der Untersuchungen für Sichere Ruhr sind für das Team der RWW sehr interessant, weil sie im Zusammenhang mit diesem großen Projekt stehen. So berichtet Laura Sellmons, dass die Arbeit für sie besonders spannend ist, weil sie weiß, dass sie eine besondere Probenahme begleitet und die Ergebnisse nicht für eine Routineuntersuchung sind, sondern in ein gesellschaftlich-relevantes Projekt einfließen werden. Guido Geburtzky ergänzt, dass das Projekt Sichere Ruhr ja nicht nur für die RWW als Wasserversorger neue Kenntnisse und Ergebnisse hervor bringt, sondern das ganze Ruhrgebiet betreffen kann. Vor allem im Bezug zum bestehenden Badeverbot seien die Ergebnisse ihrer Arbeit für die breite Öffentlichkeit von großem Interesse.

Die Untersuchungen der Proben haben bisher gezeigt, dass das Wasserwerk Styrum Ost sehr gut funktioniert, berichtet der gelernte Chemietechniker Guido Geburtzky. Bereits in der Langsamsandfiltration, der ersten Reinigungsstufe des Wasserwerkes, werden die meisten Keime herausgefiltert. Die weitere Stufen der Aufbereitung, wie die Flockung, Filtrationstufen u. a. mit Aktvikohle und Ozonung, tragen zur effektiven Entfernung von Keimen bei.

Weitere erste Ergebnisse zeigen Schwankungen in der Wasserqualität der Ruhr. Denn der Fluss ist ständig einer Vielzahl von Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Verschiedene Faktoren, dazu zählen zum Beispiel die Nebenflüsse, Regen oder Überschwemmungen, beeinflussen Qualität des Wasser und verursachen so die gemessenen Schwankungen.

Ein Wunschergebnis hat das Team der RWW nicht. Denn, so geben Laura Sellmons und Guido Geburtzky lachend zu bedenken, Ergebnisse lassen sich nicht wünschen. Die Arbeit in der Mikrobiologie ist an Fakten gebunden und sollte nicht durch persönliche Einstellungen beeinflusst werden. Schön wäre es jedoch, im Laufe des Projekts Sichere Ruhr herauszufinden, ob sich Ereignisse und deren Folgen für die Wasserqualität vorhersehen lassen. Die beiden Experten schätzen die Chance, ein solches System zur Vorhersage zu entwickeln, als relativ gut ein. Allerdings – darüber sind sich die beiden im Klaren – wird es immer gewisse mikrobiologische Verunreinigungen geben, die sich nur sehr schwer vorhersagen lassen.

Auf die Frage, ob sie zum derzeitigen Stand ein Bad in der Ruhr wagen würden, reagierten beide zurückhaltend. Guido Geburtzky räumte ein, durch seine Ausbildung sowie jahrelange Arbeit im Bereich Mikrobiologie beeinflusst zu sein und mit anderen Augen auf die Ruhr zu schauen. Auch Laura Sellmons, Bachelorabsolventin des Studiengangs Water Science, würde auf das Schwimmen in der Ruhr verzichten, wenn sie die Wahl hätte. Ob ein Frühwarnsystem, das die aktuelle Wasserqualität der Ruhr anzeigt, ihre Meinung ändern würde? Da sind sich beide einig: Sie würden sich im Voraus informieren, auf das entwickelte System vertrauen und bei positiv angezeigter Wasserqualität sorglos in die Ruhr springen. Schließlich, so fügt die 29-jährige zwinkernd hinzu, sei die Ruhr ja nicht der Ganges.

Projektpartner: Institut für Soziologie – Mehr Karibik für das Ruhrgebiet

Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Lahdo, Sichere Ruhr
Foto: Rania Ladwig, Sichere Ruhr

Ein dunkles Büro, die Wände bedeckt mit Karten und Grafiken, hohe Bücherstapel, zwischen denen man sich einen Weg bahnen muss – So oder so ähnlich stellt man sich das Büro eines diplomierten Soziologen vor. Ein Einblick in das Institut für Soziologie zeigt jedoch anderes.

Im Projekt Sichere Ruhr vertreten Prof. Dr. Petra Stein und Christoph Kern das Institut für Soziologie, das sich am Duisburger Campus der Universität Duisburg-Essen befindet. Ein modernes, nahezu papierloses Büro überrascht. Bücherstapel? Fehlanzeige! Die zahlreichen Dokumente und Bücher liegen heutzutage in elektronischer Form vor, ganz im Sinne des nachhaltigen Projekts, dem sich die beiden Forscher derzeit widmen.

Das Institut für Soziologie ist als Spezialist für Befragungen ins Sichere Ruhr-Boot geholt worden. Die Aufgaben im Projekt drehen sich somit rund um die Planung, Durchführung und Auswertung einer Befragung im Ruhrgebiet zum Thema Baden in der Ruhr. Als Instrument der Befragung dient ein Fragebogen, der eigens für das Projekt entwickelt worden ist. Um diesen zu gestalten, hat sich ein Team aus verschiedenen Projektpartnern gegründet: In enger Zusammenarbeit mit dem IWW, dem Ruhrverband und dem Institut für Kommunikationswissenschaft arbeitete das Institut für Soziologe an der Erstellung des Bogens. Christoph Kern stand dabei mit Fachwissen und Erfahrungen im Bereich empirischer Sozialforschung zur Seite. Die Befragung selbst wird jedoch von einem externen Dienstleister, dem Sozialwissenschaftlichen Umfragezentrum (SUZ), durchgeführt. Zurücklehnen und abwarten bis die fertigen Befragungsdaten eintrudeln, können sich die Soziologen allerdings nicht, denn das Institut für Soziologie ist auch die Schnittstelle zwischen dem SUZ und allen weiteren Projektpartnern. Das verlangt viel Kommunikation, Koordination und Vermittlung zwischen allen Parteien.

Das Institut für Soziologie ist neben dem Projekt Sichere Ruhr an einer Reihe weiterer Projekte beteiligt, in das es seine Erfahrungen und Methodenkenntnis einbringt. Zusätzlich arbeitet Christoph Kern an seinem eigenen Promotionsvorhaben und leitet Seminare zu Methoden der empirischen Sozialforschung an der Universität. Seine Arbeit für Sichere Ruhr ist abhängig von der jeweiligen Projektphase. Die Erstellung des Fragebogens war für die Soziologen nur der erste Schritt, denn sobald die Befragung abgeschlossen ist, beginnt für sie die eigentliche Hauptarbeit: Die Daten müssen ausgewertet, die Ergebnisse aufbereitet und interpretiert werden. Auch dabei wird wieder eng mit dem IWW, dem Ruhrverband und dem Institut für Kommunikationswissenschaft kooperiert.

Bei den unterschiedlichen Arbeiten, die im Rahmen des Projekts anfallen, gibt es verschiedene Hürden zu meistern. Die größte Herausforderung seiner Aufgabe sieht Christoph Kern darin, etwas messbar zu machen, das per se nicht messbar ist und dazu passende Faktoren festzulegen. Denn die abschließenden Ergebnisse müssen valide sein und Antworten auf die Ausgangsfragen liefern.

Einen ersten Einblick in die Ergebnisse kann der Soziologe leider noch nicht geben, denn die Auswertung der Befragung hat noch nicht begonnen. Auch auf ein persönliches Wunschergebnis für das Projekt Sichere Ruhr kann er sich nicht festlegen. Als Wissenschaftler betrachtet er die Daten objektiv und ist um Neutralität bemüht. Ihm ist wichtig, seine Arbeit nicht durch persönliche Wünsche beeinflussen zu lassen oder sie gar von den eigenen Vorlieben abhängig zu machen. Erst auf Basis der ausgewerteten Daten kann er eine Empfehlung formulieren. Eine leise Vermutung schlummert aber doch in ihm, dagegen ist auch ein Profi nicht immun.

Ob die Ergebnisse der Befragung schließlich einen Gewinn für die Region bringen, bleibt nach Meinung des Esseners noch abzuwarten. Denn die tatsächliche Umsetzung der Wünsche und Szenarien steht auf einem anderen Blatt. Einen Imagegewinn könnte es jedoch mit sich bringen, wenn das Baden in der Ruhr möglich gemacht würde. Auch weitere positive Effekte könnten sich schließlich davon ableiten. Als gebürtiger Werdener hat Christoph Kern einen speziellen Blickwinkel auf die Ruhr und den Baldeneysee, denn er ist in unmittelbarer Nähe zur Ruhr aufgewachsen. Ob er vielleicht gerade deshalb selbst zum jetzigen Zeitpunkt in die Ruhr springen würde? Im Moment nicht, denn die Uferbeschaffenheit und das Flair wirken auf ihn nicht einladend genug, es fehlen Stege, Sand und Palmen. Sein Traum, aus dem vielleicht doch irgendwann ein persönliches Wunschergebnis für das Projekt werden könnte: Mehr Karibik für das Ruhrgebiet!

Medikamente in Flüssen, Seen und Trinkwasser – Ende einer unterschätzen Gefahr?

Foto: Chris Kelly
Foto: Chris Kelly
Foto: Chris Kelly

31.000 Tonnen Arzneimittel ­– Deutschland schluckt jährlich Einiges.

Besonders Ältere Menschen nehmen täglich einen Medikamentencocktail von mehr als fünf Wirkstoffen gleichzeitig zu sich. In erster Linie sollen diese Arzneien Gutes tun und heilen, jedoch können diese Tonnen Medikamente auch Schaden anrichten, wo sie eigentlich nicht mal wirken sollen. Antibiotika, Hormone, Beruhigungs- und Schmerzmittel werden vom Körper nicht gänzlich verwertet, sondern mit dem Urin wieder ausgeschieden und landen so im häuslichen Abwasser – und damit in Flüssen, Seen und dem Grundwasser.

Von den in Deutschland zugelassenen Medikamenten-Wirkstoffen sind viele Substanzen derart resistent, dass sie nur zum Teil oder gar nicht aus dem Wasser gefiltert werden können und damit trotz Kläranlagen in den Wasserkreislauf geraten. Besonders Krankenhausabwässer stellen eine große Belastung für diesen dar, jedoch werden durch die frühe Entlassung der Patienten auch die privaten Abwässer zunehmend mehr Medikamenten belastet.

Eine große Gefahr für Umwelt, Mensch und Tier: Die ungewollte Hormonbehandlung beispielsweise führt bei Fischen nachweislich ansteigend zur Verweiblichung, zu Missbildungen, Unfruchtbarkeit und Geschlechtsumwandlung. Außerdem führen bereits geringe Mengen von Beruhigungsmittel zu Verhaltensänderung von Barschen. So werden Schwarmtiere zu draufgängerischen Einzelgängern, die auch Artgenossen fressen. Und damit nicht genug. In manchen Gewässern finden sich ganze Chemikalien-Cocktails, deren Kombination ebenfalls erhebliche Folgen für die Tiere haben können. Die Spuren dieser Wirkstoffe lassen sich auch im Trinkwasser finden, jedoch ohne erhebliche Auswirkungen auf den Menschen, so die offizielle Aussage. Doch die Folgen für den Menschen sind ebenfalls erheblich: Bakterien und Krankheitserreger im Wasser sind zunehmend resistenter gegen Antibiotika und damit genau gegen die Substanz, die ihnen Einhalt gebieten kann. Doch das soll sich nun ändern.

Das Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UFT) der Universität Bremen möchte dieses Problem in Zukunft lösen. Mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt entwickelt das UFT einen neuartigen Biokohle- und Pflanzenfilter, der Arzneireste in Kläranlagen vernichtet. Diese Pflanzenkohle, verkohltes Holz, hält Wasser beim Durchsickern länger fest und kann dadurch Schadstoffe besser aus dem Wasser herausfiltern. Das Verfahren ist ebenso kostengünstig, wie wirksam.

Eine zusätzliche Reinigungsstufe kann durch die Ergänzung mit robusten Pflanzen erreicht werden. Rohrglanzgras, Blutweiderich und Iris, sowie spezielle Pilze brechen auch die komplexesten Moleküle auf und reinigen das Wasser von resistenten Schadstoffen.

Ob das wirklich so klappt wie gewünscht, soll nun eine Langzeitstudie zeigen. Doch die ersten Ergebnisse lassen bereits hoffen.

Eine vielversprechende Lösung der Folgen, nicht jedoch der Ursache des Problems. Sollten Ärzte nicht auch zugunsten der Gesundheit und der Umwelt probieren den übermäßigen Arzneimittel-Verbrauch zu reduzieren? Leber und Nieren werden sich bedanken – und die Fische auch.

Gewässerschutz und Kultur – Geht das überhaupt?

Foto: Vincent Desjardins
Foto: Vincent Desjardins
Foto: Vincent Desjardins

Seit der EG-Wasserrahmenrichtlinie ist der Gewässerschutz zu einer Aufgabe für die Umweltpolitik geworden. Projekte und Initiativen, die sich mit dem Gewässerschutz befassen, werden von verschiedenen Ministerien unterstützt, gesetzliche Regelungen entworfen und neue Verordnungen für Landwirtschaft und Industrie debattiert.

Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Gewässerschutzes. Hier werden Zustände erforscht, Techniken und Verfahren entwickelt und Leitfäden erarbeitet.

Doch sollte Gewässerschutz die alleinige Aufgabe der Politik und Wissenschaft sein? Ein reiner Dialog auf Expertenebene? Wie Projekte, Initiativen und Einzelaktionen in ganz Deutschland zeigen,  überlassen engagierte Bürger diese Aufgabe mehr und mehr nicht alleine der Politik. Denn der Schutz der Natur und der Gewässer geht jeden Menschen etwas an.

Dass Gewässerschutz auch ein kulturelles Thema ist, zeigen beispielsweise Initiativen wie Viva con Agua. Mit diversen Festivals, Sportereignissen und Kunstausstellungen wird hier auf den Gewässerschutz aufmerksam gemacht und zugunsten desgleichen Spenden gesammelt. Bekannte Künstler, wie Gentleman, Clueso oder Wir sind Helden und viele weitere haben Benefizkonzerte zugunsten der Projekte von Viva con Agua gespielt und erheben ihre Stimme für sauberes Wasser – auf der ganzen Welt.

So auch Heinz Ratz. Der Künstler und Poet hat 2009 eine Schwimmdemonstration für den Gewässerschutz durchgeführt. Er schwamm dabei von Lindau bis Kiel. An 50 Stationen auf seiner 1.000 Kilometer langen Schwimmtour machte er Halt, um dort mit Künstlerkollegen wie Konstantin Wecker, Bodo Wartke, Pohlmann, Götz Widmann und vielen weiteren zugunsten regionaler Schutzprojekte aufzutreten. Ratz’ Projekt „Die Lee(h)re der Flüsse“  wurde mit Bild und Film begleitet und fand medial großen Anklang.

Ein Weiterer, der die Aufmerksamkeit auf die Flüsse und den Gewässerschutz lenken möchte, ist der Wissenschaftler und Filmemacher Justus Lodemann. Mit seinem Film „Flussversöhnung“ zeigt Lodemann das Verhältnis von Menschen zu ihrem Gewässer. Er stellt diverse Projekte und Initiativen vor, beschreibt die EG-Wasserrahmenrichtlinie und zeigt motivierte Charaktere, die sich dem Gewässerschutz verschrieben haben. Dabei kommen viele Initiatoren verschiedener Projekte zu Wort, aber auch politische Vertreter und Bürger – ein rundes Kunstwerk zum Thema Gewässerschutz.

An den steigenden Teilnehmerzahlen an der Big Jump Challenge und dem Europäischen Flussbadetag lässt sich ablesen, dass sich etwas ändert. Jugendliche gehen für den Gewässerschutz im wahrsten Sinne des Wortes baden; und auch Erwachsene scheuen keine Krankheitsfolgen und machen sich am Flussbadetag nass – eine schöne Entwicklung, an der sich zeigt, Gewässerschutz langsam in der Mitte der Gesellschaft ankommt.

Ob Wissenschaft oder Politik, Wirtschaft, Kultur oder Bildung – nur wenn alle gesellschaftlichen Bereiche ihre Aufmerksamkeit auf den Gewässerschutz richten, können alle Bürger erreicht werden und gemeinsam etwas bewegen.