
Altbekannte Tierarten verschwinden nach und nach aus dem Fluss und neue, wärmeliebende beginnen ihn zu bevölkern. Das ist eine der Folgen, die der Klimawandel auch an der Ruhr zeigen könnte. Die Erderwärmung hat Auswirkungen auf den weltweiten Wasserkreislauf und das schlägt sich auch in den Flüssen nieder – im wörtlichen Sinne: Regional nimmt der Niederschlag zu und lässt sie anschwellen.
Schon vor gut einem Jahrzehnt haben britische Forscher vom Met Office in Exeter festgestellt, dass die vorhergesagte Veränderung des globalen Wasserkreislaufs bereits im Gange ist. Sie konnten messen, dass die europäischen und asiatischen Flüsse immer mehr Wasser in das Nordpolarmeer brachten. Dabei spielen die Niederschläge eine wichtige Rolle. Mit den ansteigenden Temperaturen verdunstet eine größere Menge Wasser und die wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Somit kommt es letztlich auch zu stärkeren Regenfällen – und ansteigenden Flüssen.
Allerdings werden die Flüsse in Deutschland deshalb nicht zu allen Zeiten mehr Wasser führen. Wie im globalen Rahmen nehmen auch hierzulande voraussichtlich die Extreme zu. Der Pegel des Rheins, für den die Klimaauswirkungen bisher am genauesten untersucht sind, wird demnach bereits in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen, allerdings vornehmlich im Winter. Im Sommer dagegen sinkt der Wasserstand um 10 bis 30 Prozent, wie die Wissenschaftler von KLIWAS beziffern. Das Forschungsprogramm hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums untersucht, wie sich der Klimawandel auf Flüsse und Küstengewässer in Deutschland auswirkt. Das Verkehrsministerium interessiert sich dafür, wie dies die Binnenschifffahrt beeinflusst. Auf dem Rhein ist laut KLIWAS in naher Zukunft noch nicht mit ernsthaften Beeinträchtigungen des Schiffsverkehrs durch den Klimawandel zu rechnen. Etwa ab dem Jahre 2050 wird der Fluss im Sommer aber wohl den notwendigen Pegel für eine ungehinderte Schifffahrt nach heutigen Maßstäben nicht mehr durchgängig erreichen, so die Prognosen. „Möglicherweise kommen dann andere Schiffstypen mit weniger Tiefgang zum Einsatz“, meint KLIWAS-Koordinatorin Andrea Mehling von der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Verstärkt werden hohe Wasserstände der Flüsse im Winter und niedrige im Sommer insbesondere, wenn die Gletscher in den Alpen weiter abgeschmolzen sind. Momentan fungieren die Gletscher noch als Puffer, die im Winter Schnee speichern und im Sommer einen Zustrom für die Flüsse darstellen.
Nicht nur der Schiffstransport muss sich anpassen, wenn die Flüsse sich mit dem Klima wandeln. Vor neuen Herausforderungen steht auch die Trinkwasserversorgung, die teils aus Flüssen gespeist wird wie etwa an der Ruhr. Hier gibt eine Klimastudie im Auftrag des Ruhrverbands zwar Entwarnung, was die Versorgungssicherheit der Region mit Rohwasser angeht: Das System aus acht Talsperren im Sauerland, die ausreichend Wassernachschub bereithalten, wird demnach auch in Zukunft noch seine Aufgabe erfüllen können. Jedoch ist die Qualität des Wassers nach Starkregen und ebenso in Trockenphasen mit niedrigem Wasserstand beeinträchtigt. Da den Prognosen nach auch an der Ruhr die extremen Wetterphasen zunehmen, müssen die Wasserversorger sich darauf vorbereiten. Das Netzwerk dynaklim hat dazu verschiedene Möglichkeiten zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen untersucht. Neben der Wasserversorgung ist auch die Stromversorgung von den Veränderungen betroffen, die sich in den Flüssen abspielen. So wird Flusswasser nicht selten zur Kühlung von Kraftwerken genutzt. Wird es aber zu warm, erfüllt es diese Aufgabe nicht mehr hinreichend – dann müssen Kraftwerke, die nicht über Kühltürme verfügen, außer Betrieb genommen werden.
Zu dramatischen Bildern kann eine weitere mögliche Folge des veränderten Flusssystems führen: Hochwasser. Hierbei ist das Klima einer von mehreren Einflussfaktoren. Einige grundlegende Informationen dazu hat das Max-Planck-Institut für Meteorologie hier zusammengefasst. Kleine und mittlere Flüsse lässt starker Niederschlag besonders schnell anschwellen, was der Bevölkerung und dem Katastrophenschutz dann nur kurze Zeit lässt zu reagieren. Unter anderem mit Daten der Ruhr haben Wissenschaftler des Center for Disaster and Risk Management Technology (CEDIM) deshalb Modelle zur Hochwasservorhersage an kleinen und mittleren Fließgewässern erstellt. Sie prognostizieren, dass innerhalb Deutschlands vor allem der Westen von einer Zunahme der Hochwasser an Flüssen betroffen sein dürfte.
Dass aber nicht nur Hoch- sondern auch Niedrigwasser zum Problem werden kann, zeigen die Wasserlebewesen, für die die Veränderungen der Fließgewässer besonders unmittelbar spürbar sind. Beispielsweise müssen sie näher zusammenrücken, wenn das Flussbett im Sommer wenig Wasser enthält. So breiteten sich etwa Krankheiten oder Parasiten leichter aus und in Verbindung mit Hitzeperioden könne es sogar zu einem Massensterben von Fischen oder Muscheln kommen, wie Jochen Koop vom Referat für Tierökologie an der Bundesanstalt für Gewässerkunde ausführt. In den heißen Sommern 2003 und 2006 hat sich das beispielsweise im Rhein bereits gezeigt. Neben dem Wasserpegel ändert sich dabei auch die Temperatur des Flusswassers. Wie mehrere solcher Einflüsse gleichzeitig auf die Flusslebensräume wirken, untersucht unter anderem das von der Universität Duisburg-Essen koordinierte Projekt MARS. Allgemein lässt sich sagen, dass Arten, die mit höheren Temperaturen besser zurechtkommen, in den heimischen Flüssen voraussichtlich zahlreicher werden, während andere zurückgehen oder ganz aus den Flüssen verschwinden. Diese Verschiebung im Artenspektrum bringt Probleme mit sich. Für die Elbe wird etwa eine Zunahme des Algenwachstums befürchtet. Die Ökosysteme geraten unter Anpassungsdruck.
Jochen Koop hält es jedoch für falsch, die Flüsse deshalb in einem bestimmten Zustand konservieren zu wollen. Der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die sich die Erholung der Fließgewässer zum Ziel gemacht hat, wirft Koop ein veraltetes Leitbild vor. Da der Klimawandel jetzt bereits Veränderungen für den Fluss mit sich bringt, glaubt Koop vielmehr, dass man mit diesen arbeiten müsse. Für ihn stellt sich demnach die Frage: „Werden die Karten unter den Organismen neu gemischt und wie?“ Neu eingewanderte, wärmeliebende Arten wären dabei nicht unbedingt als schädliche Eindringlinge zu bewerten, sondern unter Umständen könnten gerade sie wichtige Funktionen für die Flüsse der Zukunft übernehmen, um das Ökosystem auch bei seiner Veränderung intakt zu halten. Es kann also Sinn machen, ihnen Raum zur Entwicklung zu lassen.
So ein Eingehen auf die neue Situation gehört dazu, wenn man mit einer Veränderung zurechtkommen will. Aber auch der Versuch, Schutzwürdiges durch die Veränderung hindurch zu erhalten. Schaffen wir es, beides miteinander auszutarieren? Für den Lebensraum Fluss wird es im Klimawandel auch darauf ankommen.