Unterwegs mit der Weißen Flotte

Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.
Foto: Pascal Bovée, Sichere Ruhr.

„Da haben Sie sich aber einen Tag ausgesucht für Ihre Reportage!“, sagt Petra Kaiser und blickt aus dem Bordfenster. „Heute haben wir ja ganz schön Wellen auf dem See – aber ich mag das.“ Sie lächelt und reicht mir eine Tasse Kaffee zum Aufwärmen. Seit 14 Jahren arbeitet die rothaarige Gastronomiekraft auf den Ausflugsschiffen der Weißen Flotte. Immer während der Saison von Mitte April bis Mitte Oktober ist sie auf der Ruhr unterwegs. Und auf dem Baldeneysee, so wie heute. Im Bordbistro bedient Petra Kaiser die Fahrgäste des Schiffes „Stadt Essen“. Die Ausflügler bestellen Kaffee und Pflaumenkuchen, Cola und Bockwürstchen mit Senf. Nur für Eis ist es heute ein bisschen frisch. Oben auf Deck pfeift der Wind.

Außer der freundlichen Bedienung im Bordbistro mögen auch die Windsurfer dieses Wetter. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit schießen sie über den See hinweg. Für den Schiffsführer bedeutet das, dass er noch etwas aufmerksamer sein muss. Gerade betätigt er das Signal, um einen kreuzenden Surfer auf das nahende Schiff aufmerksam zu machen. „Früher fuhren hier auf der Ruhr die Frachtschiffe, da gab es ein bisschen mehr Verkehr“, lacht Tom Czepluch. „Heute gibt es nur noch die Erholung.“ Aber auch die hat es an manchen Tagen in sich. Denn nicht nur auf Windsurfer muss der Schiffsführer achtgeben. Knapp 2.000 Segler sind für den Baldeneysee angemeldet und kaum weniger Ruderer, bei schönem Wetter am Wochenende muss man da umsichtig manövrieren.

Der Kapitän der „Stadt Essen“ fährt seit 2004 für die Weiße Flotte. „Ich habe auf dem Rhein Schifffahrt gelernt“, erzählt er. „Auf den Frachtschiffen, die ich dann begleitet habe, war ich vier Wochen an Bord und dann zwei Wochen zuhause. Da ist mein Job hier beziehungsfreundlicher.“ Im Winter, wenn der Linienverkehr der Weißen Flotte ruht und der Schiffsführer nur ab und an eine Sonderfahrt macht, arbeitet Tom Czepluch in der Instandhaltung der Flotte mit. „Die sind alle in gutem Zustand“, beantwortet er dementsprechend auch die Frage nach den Rettungsringen an Bord.

Die Sicherheit spielt beim Befahren des Sees eine wichtige Rolle – angefangen bei den Sicherheitsvorschriften an Bord bis hin zum felsigen Grund Richtung Werden unterhalb des Stauwehrs. „Da sollte man das Fahrwasser besser nicht verlassen“, sagt Tom Czepluch. Insgesamt herrschten für den Schiffsverkehr auf dem Baldeneysee aber gute Bedingungen, was die Sicherheit angeht, meint er. „Im Gegensatz zum Fluss gibt es hier keine Strömung. Und wenn wirklich mal etwas passieren würde – der See ist nur knapp drei Meter tief. Und außerdem, Sie sehen ja, das Ufer ist nicht weit.“

Ich folge seinem Blick Richtung Ufer, wo die nächsten Fahrgäste auf die Weiße Flotte warten. Kurze Zeit später vertäut Bootsfrau Victoria Kräling das Schiff an der Anlegestelle. Freundlich verabschiedet sie die aussteigenden Gäste und begrüßt die neuen. Es ist nur ein kurzer Stopp, bevor die Fahrt auf dem See weitergeht. Dann schnallt sich die Bootsfrau eine Kasse mit Wechselgeld um und besucht die einzelnen Fahrgäste und Gruppen an Deck, um von Ihnen die Fahrgebühr zu erheben. Über ihnen flattert eine bunte Fähnchengirlande.

Es ist eine echte Erholungsfahrt. Wir schippern mitten im dicht besiedelten Ruhrgebiet umher, aber wenn man sich auf dem Stausee umschaut, sieht man in alle Richtungen Grün. Gegenüber wird zwischen den Bäumen der Förderturm der ehemaligen Zeche Carl Funke sichtbar. Nächster Halt ist der Biker-Treffpunkt Haus Scheppen, an dem sich zur Mittagszeit einige Motorradfahrer versammelt haben. Aber auch die Wasservögel, von denen es auf dem Stausee nicht nur im Vogelschutzgebiet viele gibt, begrüßen hier die Weiße Flotte mit ihrem Geschnatter. Sie lassen sich unten neben dem Anleger auf den Wellen treiben.

Ich frage Tom Czepluch, was er davon hielte, wenn man hier im See wieder schwimmen dürfte. „Es schwimmen auch jetzt schon einige drin“, entgegnet er. „Das stört mich nicht, die wissen, dass hier Schiffe verkehren und bleiben in ihrer Ecke.“ Aber eine allgemeine Badeerlaubnis? „Das wäre für uns Schiffsführer schon ein Problem“, sagt er. Er fragt sich, ob so eine Erlaubnis dann wohl nur im Hellen gelten würde. „Wenn es dunkel ist, sehen wir Schwimmer nämlich nicht.“ Dann deutet er auf das Wasser vor dem Bug. „Schauen Sie sich die Sicht hier oben von der Brücke mal an! Was näher als fünf Meter heranschwimmt, können wir auch im Hellen nicht sehen.“ Für einen Schwimmer seien fünf Meter eine große Distanz, wenn sich ein Schiff nähert. „Aber für uns nicht – wir können dann nicht mehr anhalten.“

Auch wenn man meinen mag, dass ein Schwimmer sich eigentlich nicht so nah an ein Schiff heranwagt, erzählt Tom Czepluch das aus gutem Grund: „Wir kennen das vom Rhein-Herne-Kanal. Da versuchen Jugendliche immer wieder die Schiffe anzuschwimmen. Zum Beispiel als Mutprobe. Dabei besteht die ernsthafte Gefahr, dass jemand in den Sog der Schraube gerät.“

Dennoch hat der Schiffsführer Verständnis für den Wunsch nach einem Badesee. „Die Leute sollen sich ja auch abkühlen können“, meint er. „Wenn es ein abgesteckter Bereich ist, in dem geschwommen wird, zum Beispiel um den Seaside Beach herum, dann ist das auch kein großes Problem für mich.“

Wir reden noch ein wenig über seine Arbeit auf dem See und dann verlasse ich die Brücke wieder. An der ehemaligen Eisenbahnbrücke zwischen Heisingen und Kupferdreh, kurz bevor die Ruhr in den See mündet, hält das Schiff an einem Biergarten, um weitere Fahrgäste aufzunehmen. Auch sie wollen den Stausee vom Wasser aus erkunden. Ich setze mich zu ihnen an Deck, um die restliche Fahrt zu genießen. Auch wenn der frische Wind durch meine Jacke dringt, hier oben ist die Aussicht am besten.

Auf dem Weg zurück zu meinem Ausgangspunkt, dem S-Bahnhof unterhalb der Villa Hügel, passieren wir die Liegestühle am Seaside Beach. Im Moment schwimmt dort noch niemand. Bevor das Schiff wieder zum Regattahaus am S-Bahnhof zurückkehrt, kommen wir an einem Steg vorbei. Von dort winken uns einige Kanufahrer zu, die gerade in ihre Boote steigen. Die Kinder an Bord winken zurück. Die „Stadt Essen“ befördert inzwischen an die 30 Passagiere. Trotz Windes und aufziehender Wolken ist es eine beliebte Tour.

Mehr Informationen zu den Ausflugsfahrten der Weißen Flotte gibt es hier.

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